3.4 Linz – Profil

Der zentrale Satz im KEP bezieht sich auf die kulturpolitischen Schwerpunktsetzungen der Folgejahre:

“Die StadtLinz bekennt sich als Kulturstadt für alle und zu kulturpolitischen Schwerpunktsetzungen in den Bereichen Technologie und Neue Medien, Offene Räume und Freie Szene.” [7]

Der erste Teil des Satzes, welcher ein Bekenntnis zu „Kultur für Alle“ enthält, ist dabei interessanter Weise von den anderen drei kulturpolitischen Schwerpunktsetzungen etwas abgesetzt, was im kulturpolitischen Diskurs in der Stadt in den folgenden Jahren immer wieder zu Verwirrungen geführt hat, da „Kultur für Alle“ des öfteren nicht als vierter Schwerpunkt in einer Reihe mit den anderen drei Schwerpunkten genannt wird.

Im folgenden werden im KEP die Grundsätze der Kulturpolitik und der Kulturförderung der Stadt Linz aufgezählt:

  • Förderung der Autonomie und Eigenverantwortlichkeit der Kunst-und Kulturschaffenden, ein Bekenntnis, das mit dem Schwerpunkt „Freie Szene“ in Verbindung steht.
  • Förderung der autonomen kulturellen Entfaltungsmöglichkeiten für ethnische und soziale Minderheiten. An drei Stellen im KEP wird abgesehen von hier noch auf ethnische Minderheiten hingewiesen, in Detaillierung dieses Punkts im gleichen Kapitel nochmals auf die Förderung von interkulturellen Begegnungen. Die Begriffe Integration oder Migration finden sich nicht im KEP. Als umgesetzte Maßnahme kann auf das Förderprogramm für integrative Kulturarbeit unter dem Titel „Stadt der Kulturen“ verwiesen werden, welches allerdings bereits im Jahr 1999, d. h. vor Beschlussfassung des KEP, eingerichtet wurde. Es war 1999 mit insgesamt 130.000 Schilling (ca. 9.500 Euro) dotiert, ab 2008 mit 13.500 Euro.
  • Besondere Frauenförderung. Der Begriff „Gender Mainstreaming“, der seit Mitte der 1990er-Jahrepopulärist, findet sich im Kapitel „Für eine Symmetrie der Geschlechter“ wieder, wird an dieser Stelle jedoch nicht verwendet.
  • Besondere Förderung zeitgenössischer Kunst, womit die zukunftsgerichtete Gegenwartskunst gemeint ist und damit eine bewusste Abgrenzung zu traditionellen Kunstauffassungen und -produktionen gezogen wird.
  • Förderung der Innovationskraft, der Originalität und des künstlerischen Experiments, womit die besondere Förderungswürdigkeit von zeitgenössischer Kunst und der Schwerpunkt „Freie Szene“ nochmals unterstrichen wird.
  • Hohe Qualität der Traditionspflege und Wahrung des kulturellen Erbes. Der gegenwartsbezogenen und zukunftsgerichteten zeitgenössischen Kunst, die mit Begriffen wie Innovation, Originalität oder Experiment verbunden wird, wird die Traditionspflege und Wahrung des kulturellen Erbes zur Seite gestellt. Interessant an diesem Punkt ist der Zusatz eines hohen Qualitätsanspruchs an die Traditionspflege.
  • Förderung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Medienkunst und Medienarbeit, ein Grundsatz, der mit dem Schwerpunkt „Technologie und Neue Medien“ in Verbindung steht.
  • Entwicklung von Vernetzungs-und Kooperationsmodellen, um die in Linz und Oberösterreich vorhandenen künstlerischen, kulturellen und wissenschaftlichen Ressourcen und Potenziale zu bündeln und für ein effektives, arbeitsteiliges Kunst und Kulturangebot zu nutzen.
  • Weiterentwicklung der gegenseitig befruchtenden Verbindung der starken regionalen Wirtschaft und der innovativen Kunst-und Kulturszene. Hier stehen noch in erster Linie Austauschbeziehungen zwischen zwei getrennt gedachten Bereichen im Vordergrund, etwa in Form von Kunst-und Kultursponsoring. Die seit Anfang der 1990er-Jahre verwendeten Begriffe Cultural Industries/Kulturwirtschaft bzw. seit Ende der 1990er-Jahre populären Begriffe Creative Industries/Kreativwirtschaft finden sich nicht im KEP.
  • Qualitative Weiterentwicklung der bestehenden Einrichtungen.
  • Entwicklung von Vermittlungs-und Zielgruppenkonzepten.
  • Schaffung und Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für Kultur im Stadtteil, Wirtshauskultur und Märkte.
  • Schaffung, Ausbau bzw. Nutzung alter und neuer Räume und Plätze für Kunst und Kultur. Begrffe wie Zwischennutzung oder Leerstand finden sich nicht im KEP.
  • Konsequente und nachhaltige Förderung der kulturellen Schwerpunkte Technologie und Neue Medien, Offene Räume und Kultur für Alle und Freie Szene. Hier wird im Gegensatz zum zentralen, einleitenden Satz im Kapitel „Kultur für Alle“ direkt in einer Reihe mit den anderen Schwerpunkten genannt.

Auf den folgenden Seiten wird im KEP auf einzelne Bereiche näher eingegangen, die in Zusammenhang mit den kulturellen Schwerpunkten stehen:

  • Für den Schwerpunkt „Technologie und Neue Medien“ soll das Festival Ars Electronica gemeinsam mit dem Land Oberösterreich und dem Bund finanziell und institutionell auf eine breitere Basis gestellt werden, um die internationale Positionierung zu festigen, eine stärkere Präsenz im Schwerpunkt Offene Räume zu gewährleisten und die engere Einbindung in Stadt und Region zu fördern. Der ordentliche Haushalt der Stadt Linz weist keine eigenen Summen für das Festival aus. Die Zuwendungen für den laufenden Aufwand des Ars Electronica Centers insgesamt bleiben über die Jahre gesehen relativ stabil. Zwischen Stadt Linz und Land Oberösterreich läuft eine bis 2012 gültige Vereinbarung, dass bis einschließlich 2008 der bis dahin gültige Beitrag von 581.400 Euro und ab 2009 zusätzlich 250.000 Euro für den laufenden Betrieb des AEC gezahlt werden. Der Prix Ars Electronica wird vom Land mit 100.000 Euro gefördert, das Festival selbst mit 181.700 Euro. [8] Der Bund ist der im KEP ausgesprochenen Einladung zu einer stärkeren Finanzierung nicht gefolgt.
  • Eine Intensivierung der Verbindungen zwischen Kunst und Wissenschaft wird angestrebt, insbesondere durch den Aufbau eines Instituts für Medienkunst und Medienarbeit im Rahmen der Linzer Universitätsstruktur. In den ergänzenden Anmerkungen in der neuen Auflage des KEP wird bereits darauf hingewiesen, dass das Institut für Medien an der Kunstuniversität Linz durch die Einrichtung des Studienzweigs „Medientheorie/Interface Cultures“ ausgebaut wurde. Mittlerweile existieren neue, modular strukturierte Studiengänge am Institut. Angeboten werden nunmehr ein Bachelor-und Masterstudium im Bereich Grafikdesign und Fotografie, ein Bachelorstudium Zeitbasierte und Interaktive Medien, ein künstlerisch-wissenschaftliches Masterstudium Interface Cultures und Masterstudium Zeitbasierte Medien und das wissenschaftliche Masterstudium Medienkultur-und Kunsttheorien. Zusätzlich wurde mit Beginn des Wintersemesters 2009/10 ein eigenes Lehramtsstudium Mediengestaltung eingerichtet. Ein Masterstudium Webwissenschaften wurde in Zusammenarbeit mit der Johannes Kepler Universität Linz eingerichtet und startet im Wintersemester 2011/2012.
  • Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Kultureinrichtungen soll zu einer Stärkung der Schnittstelle Kunst und Neue Medien führen. Namentlich genannt werden in diesem Zusammenhang im KEP das AEC, die Neue Galerie (Lentos Kunstmuseum), das Brucknerhaus, das O.K Centrum (Offenes Kulturhaus OÖ) und der ORF, subsumierend dazu Bildungseinrichtungen, Universitäten und einschlägige Einrichtungen der Wirtschaft. Vor allem im Zusammenhang mit dem Festival Ars Electronica ist in den letzten Jahren eine zunehmende Kooperation mit einzelnen Kunst-und Kultureinrichtungen sowie Bildungseinrichtungen in der Stadt Linz (Kunstuniversität Linz, JKU, Lentos Kunstmuseum, Landesgalerie, architekturforum oberösterreich, …) feststellbar.
  • Für den Schwerpunkt “Offene Räume” soll es zu einer verstärkten Einbindung der Ars Electronica in diesem Zusammenhang kommen. Paradigmatisch hierfür stehen einzelne Festivals der Ars Electronica, insbesondere „Goodbye Privacy“ 2007 mit dem Teilprojekt „Second City“ rund um die Marienstraße oder „repair“ 2010 in der Linzer Tabakfabrik. Als Kernbereiche im Schwerpunkt „Offene Räume“ werden einzelne Projekte und nicht näher ausgeführte Zielformulierungen genannt: die Klangwolke, andere Open-Air-Projekte, die Neukonzeption des Kulturraumes an der Donau, die weitere Erschließung von Räumen für Kunst und Kultur sowie die Förderung von interkulturellen Begegnungen. Zumindest was die Neukonzeption des Kulturraumes an der Donau (abgesehen vom Bau des Kunstmuseum Lentos, der ab 2003 erfolgten Neuausrichtung des LinzFest zwischen Lentos und Brucknerhaus und einigen kleineren Attraktivierungsmaßnahmen wie etwa die Neugestaltung des Skulpturenparks) und die Förderung von interkulturellen Begegnungen betrifft, ist noch deutliches Entwicklungspotenzial vorhanden.
  • Das Konzept „Kultur für Alle“ soll im Sinne einer weiteren Öffnung und Demokratisierung der Kulturpolitik um eine „Kultur durch alle“ weiterentwickelt werden. Darunter verstanden wird die „Förderung einer möglichst breiten, aktiven Partizipation der Bevölkerung am kulturellen Leben der Stadt“. [9] Zwei wiederum nicht näher spezifizierte Maßnahmen werden beispielhaft angeführt: die Weiterentwicklung des Konzeptes für die Klangwolke und die Bereicherung von „Stadt-Räumen“ durch Kunst und Kultur. Bei der Klangwolke kommt dies bislang nur vereinzelt bei Ausgaben der Kinderklangwolke oder bei der Visualierten Klangwolke „Flut“ im Kulturhauptstadtjahr 2009 zum Ausdruck, bei der die Bevölkerung dazu eingeladen wurde, in gemeinsamen Workshops fabelhafte Kreaturen zu produzieren und diese aktiver Teil der Klangwolke wurden. Unter der Bereicherung von „Stadt-Räumen“ durch Kunst und Kultur kann keine eigenständige Maßnahme gesehen werden, sondern nur eine relativ abstrakte Zielformulierung. Maßnahmen, die unter eine derartige Zielformulierung fallen könnten, wären etwa der erfolgte Ausbau der Volkshäuser in den einzelnen Stadtteilen und das Linz09-Projekt „Bellevue“ sowie das Nachfolgeprojekt „Déjà Vu“ im Jahr 2011.
  • Der Schwerpunkt „Freie Szene“ soll durch eine konsequente und nachhaltig wirksame Förderung der Freien Szene weitergeführt und ausgebaut werden, um das große künstlerische Potenzial zu halten. Mit dem einleitenden Hinweis, dass unter dieser Zielformulierung nicht nur monetäre Förderungen gesehen werden können, die im Kulturbudget ausgewiesen werden (z. B. Naturalsubvention), eine längerfristige Analyse von Zuwendungen durch Budgetanalysen aufgrund budgettechnischer Gegebenheiten (z. B. Änderungen von Zuordnungen, Nachtragsbudgets, …) schwierig ist und es weder eine genaue Eingrenzung des Begriffs „Freie Szene“ noch eine Voranschlagstelle zur „Freien Szene“ im ordentlichen Haushalt der Stadt Linz gibt, ist anzumerken, dass sich die Zuwendungen an die „Freie Szene“ durch die Stadt Linz in absoluten Zahlen über die Jahre hinweg gesteigert haben, wenngleich sie mittlerweile stagnieren. Interne Budgetanalysen des „Offenen Forums Freie Szene“, eines losen Verbundes an Initiativen und Einzelkünstler_innen aus dem nicht-öffentlichen, gemeinnützig orientierten, zeitgenössischen Kunst-und Kulturbereich, weisen im Jahr 2000 umgerechnet rund 750.000 Euro an Förderungen für die Freie Szene aus, danach steigende Zahlen bis 2007 (ca. 1,2 Millionen Euro) und eine Stagnation auf diesem Niveau bis 2010. Der Anteil der Ausgaben für die „Freie Szene“ am gesamten Kulturbudget der Stadt Linz (ordentlicher und außerordentlicher Haushalt) schwankt zwischen 2,0 % und 3,8 % mit sinkender Tendenz ab dem Jahr 2007. Werden nur jene Ausgaben betrachtet, die direkt im Anweisungsrecht des Büro Linz Kultur stehen, d. h. exklusive LIVA, Ars Eletronica, Museen der Stadt Linz, Musikschule der Stadt Linz, Linzer Tiergarten oder Transferzahlungen an das Land Oberösterreich, beläuft sich nach internen Budgetanalysen der Kulturdirektion der Anteil der Freien Szene im Jahr 2010 auf nahezu 73 Prozent.

Fußnoten

  1. Landeshauptstadt Linz 2004, S.9
  2. vgl. Landeshauptstadt Linz 2005, S.1 f.
  3. Landeshauptstadt Linz 2004, S.10

 

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