Hochkultur, Subkultur, Volkskultur. Drei antiquiert anmutende Begriffe, die allerdings nach wie vor im kulturpolitischen Diskurs ständig verwendet werden – auch in Linz. Aus diesem Grund wurden die Interviewpartner_innen gefragt, welchen Stellenwert sie diesen drei Bereichen in Linz beimessen. Im Zuge der Antworten kam es dabei oftmals zu Reflexionen während der Antwort, was denn in Linz zu diesen Bereichen zugeordnet werden könne und inwieweit sie noch getrennt voneinander behandelt werden können.
Wenn in den Interviews Hochkultur in Linz zur Sprache kommt, erfolgt dies häufig mit dem Hinweis, dass von “echter Hochkultur” nicht gesprochen werden kann, diese nur rudimentär vorhanden ist und es in Linz kein Publikum für Hochkultur gibt, insbesondere im Vergleich zu Salzburg oder Wien. Von den Institutionen werden am ehesten Landestheater und neues Musiktheater sowie Brucknerhaus und Brucknerfest mit dem Begriff in Verbindung gebracht, im erweiterten Sinn auch etablierte Kultureinrichtungen wie Schlossmuseum, Landesgalerie, Lentos, AEC oder StifterHaus, dann zumeist jedoch mit dem einschränkenden Hinweis, dass hier nur Spuren von hochkulturellen Elemente zu finden sind. Wenn dieser erweiterte Bereich als Hochkultur verstanden wird, ist die durchgängige Meinung, dass ihm der größte Stellenwert unter den drei Bereichen in der Stadt zukommt. Sehr oft wird auch bemerkt, dass die Hochkultur in Linz in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, insbesondere im Zuge der Diskussion um den Bau des neuen Musiktheaters.
Mit der Volkskultur verhält es sich ähnlich. Wenn nur auf den traditionellen, brauchtumsorientierten Bereich abgestellt wird, wird der Volkskultur in Linz nur ein verschwindend geringer Stellenwert beigemessen, sie ist nicht sichtbar. Damit verbunden werden Heimatund Trachtenvereine (z. B. Goldhaubengruppen), Blasmusikverbände oder feierliche Anlässe wie das Maibaumaufstellen am Hauptplatz oder das Aperschnalzen vor dem Linzer Landhaus, seltener auch Ausstellungen an der Schnittstelle Alltagskultur – Volkskultur in Schlossmuseum oder Nordico. In vielen Interviews wird allerdings eine Erweiterung auf volkstümliche oder populärkulturelle Formate vorgenommen, von Urfahraner Jahrmarkt, Krone-Fest und Konzerten am Hauptplatz über Pflasterspektakel bis hin zu Klangwolke und LinzFest. Derart aufgefasst wird diesem Bereich ein hoher Stellenwert beigemessen, variierend etwas höher, gleichbedeutend oder etwas geringer als jener der Hochkultur.
Von den drei genannten Bereichen wird jener der Subkultur fast ausschließlich als jener eingeschätzt, der den geringsten Stellenwert in der Stadt hat. Der Begriff wird dabei insbesondere mit Freier Szene verbunden. Angemerkt wird von einigen Interviewpartner_innen, dass die mit Subkultur assoziierten Bereiche in Linz im Vergleich zu anderen Städten trotzdem einen hohen Stellenwert haben. Mehrmals wird darauf hingewiesen, dass es für die Subkultur schon bessere Zeiten in der Stadt gegeben hat und der rebellische Mythos der 1980er-Jahre (Stahlstadtkinder) noch immer nachwirkt. Es folgt auch der Aufruf, dass sich die gemeinhin mit Subkultur in Verbindung gebrachten Initiativen und Personen wieder neu erfinden müssten. Trotzdem ist nach wie vor vieles möglich und es werden genügend Aktivitäten im subkulturellen Bereich gesetzt, so die Auffassung mehrere Interviewpartner_innen.
Vielfach sind subkulturelle Strömungen von den etablierten Einrichtungen mehr oder weniger aufgesogen worden, insbesondere aufgrund der zeitgenössischen Ausrichtung der Programmierung. Das Spannungsverhältnis zwischen Hoch- und Subkultur wird dabei als wichtig für die kulturelle Entwicklung der Stadt gesehen. In der Stadt herrscht ein durchaus paradoxes Verhältnis, da der Großteil der politischen Entscheidungsträger_innen die subkulturellen Aktivitäten zwar anerkennt (u. a. durch die Festschreibung von “Freier Szene” als einer der vier Schwerpunkte im ersten KEP), der Bereich ihnen trotzdem überwiegend fremd und suspekt bleibt.
Einige weitere interessante verdichtete Aussagen aus den Interviews weisen auf wichtige Aspekte hin, die in Verbindung zu den drei Bereichen stehen:
- Oftmals wird bemerkt, dass es in Linz eine starke Vermischung zwischen Hoch-, Sub- und Volkskultur gibt, auch wenn es nach wie vor Schranken gibt. Mehrere
- Interviewpartner_innen reagieren zum Beispiel auf die Frage nach Volkskultur mit der Nennung des Linzer Musikduos Attwenger, das sowohl subkulturelle als auch volkskulturelle Einflüsse in seiner Musik vereint. Die Hochkultur sei wiederum von der Subkultur “infiziert”, was sich u. a. an persönlichen Verschränkungen oder an Ausstellungen von freischaffenden Künstler_innen oder freien Künstler_innengruppen in den etablierten Häusern zeige.
- Die Beziehungen zwischen den Einrichtungen, die der Hoch- und der Subkultur zugeordnet werden, werden allgemein als gut eingeschätzt, insbesondere in der bildenden Kunst, weniger im Musikbereich und in der darstellenden Kunst. Der engere Bereich der Volkskultur, d. h. der eher traditions- und brauchtumsorientierte Bereich, wird hingegen durchwegs als außen vor und isoliert wahrgenommen. Begründet wird dies u. a. damit, dass sich ländliche und städtische Volkskultur stark unterscheiden und Linz keine traditionelle Volkskulturstadt ist. Potenziale werden allerdings darin gesehen, wenn die Volkskultur die Schnittstelle zur Subkultur findet wie bei den zuvor angeführten Attwenger, dem Festival der Regionen, Crossing Europe oder dem Linz09-Projekt Brauhaus.
- Von einigen Interviewpartner_innen wird darauf hingewiesen, dass ein bestimmter Teil der Volkskultur in Linz wenig präsent ist, nämlich jener der migrantischen Volkskultur. In diesem Zusammenhang werden allerdings auch besondere Potenziale der Subkultur gesehen, da es hier leichter möglich ist, eine interkulturelle Auseinandersetzung zu eröffnen.