Dominika Meindl

Dein Geburtsjahr und Geburtsort?

Dominika Meindl: 1978, Linz.

Seit wann lebst du in Linz?

Dominika Meindl: Seit März 2006.

Welche kunst- und kulturbezogenen Aktivitäten und Funktionen übst du derzeit aus?

Dominika Meindl: Ich bin Schriftstellerin, freischaffende Kulturjournalistin, Mitglied beim Poetry Slam Verein „Postskriptum“ und Gründerin der Lesebühne „Original Linzer Worte“.

Wie würdest du die eigene Tätigkeit am ehesten bezeichnen?

Dominika Meindl: Schriftstellerin, freischaffende Kulturjournalistin, Mitglied beim Poetry-Slam-Verein „Postskriptum“ und Gründerin der Lesebühne „Original Linzer Worte“. Ich sag‘ meistens „Schreibmaschine“, das kommt auch hin.

Nenn mir bitte das Gründungsjahr der Initiativen.

Dominika Meindl: Postskriptum: 2004, glaube ich. Original Linzer Worte: 2009.

Welche Zielgruppen werden durch die Arbeit besonders angesprochen?

Dominika Meindl: Vom Alter her ist das Publikum zwischen 17 und 71. Zwei Drittel sind Leute, die mit klassischen Wasserglas-Lesungen nicht viel anfangen wollen. Zum Teil sind die zwar literarisch interessiert, wollen sich aber auch gern zum Lachen bringen lassen.

Auf welchen geografischen Wirkungsbereich zielt die Arbeit in erster Linie ab?

Dominika Meindl: Den deutschsprachigen – als Desiderat … Das Publikum kommt schon auch etliche Kilometer her zu uns nach Linz. Die lesenden Gäste kommen primär aus Wien, Graz, Salzburg – zuweilen aber auch aus Deutschland oder der Schweiz.

In welchen künstlerischen Disziplinen bzw. kulturellen Arbeitsfeldern sind die Initiativen hauptsächlich tätig? Ist „Literatur“ zu weit gefasst bzw. nur teilweise zutreffend? Wie würdest du das bezeichnen?

Dominika Meindl: Literatur ist möglicherweise zu eng gefasst. Gerade bei der Lesebühne steht jede bzw. jeder von uns vier für etwas ganz Verschiedenes. Ich für meinen Teil liebe die Persiflage. Klaus Buttinger macht lupenreine Satire, Anna Weidenholzer Literatur im klassischen Sinn, René Monet ist für das Bizarre zuständig. Dazu gibt’s Musik und anderes.

Gibt es für Postskriptum oder für Original Linzer Worte in Bezug auf die vorhandene räumliche oder technische Infrastruktur aktuell einen Handlungsbedarf, d. h. den Wunsch nach quantitativer Erweiterung oder qualitativer Verbesserung?

Dominika Meindl: Es brächte sowohl bei Postskriptum als auch bei Original Linzer Worte mehr Geldsegen. Der Rote Krebs stellt für Original Linzer Worte die Räumlichkeiten noch gratis zur Verfügung, die möchten verständlicherweise aber auch ein wenig was dafür sehen.

Wie viele Personen waren bei Postskriptum bzw. Original Linzer Worte mit Stand 1. Jänner 2011 insgesamt beschäftigt, also haben in irgendeiner Form Entgelt für ihre Arbeit erhalten?

Dominika Meindl: Niemand, so gesehen. Es gibt jeweils nicht mehr als manchmal eine ganz geringe Aufwandsentschädigung.

Wenn ein durchschnittliches Monat oder ein typisches Projekt betrachtet wird: Wie viele Personen sind schätzungsweise für Postskriptum bzw. Original Linzer Worte auf freiwilliger Basis tätig?

Dominika Meindl: Original Linzer Worte: vier, Postskriptum: fünf.

Kurzes Assoziationsspiel: Welche Begriffe fallen dir ein, wenn du an „Kulturstadt Linz“ denkst?

Dominika Meindl: Gegenpol zur Stahlstadt, ’09.

Wenn du die letzten höchstens 10 Jahre, also die Jahre 2000 bis 2010, betrachtest: Was lief deiner Meinung nach besonders gut in der kulturellen Entwicklung der Stadt Linz?

Dominika Meindl: Persönlich habe ich diese vielen, kleinen, pfiffigen Initiativen sehr erfrischend gefunden. Auch kann ich der sozialistischen Niederschwelligkeit einiges abgewinnen. Manchmal zumindest.

Und mit welchen kulturellen Entwicklungen der letzten höchstens 10 Jahre bist du überhaupt nicht zufrieden?

Dominika Meindl: Mit den Investitionen in riesige Kulturbauten, in denen dann für den „menschlichen Faktor“ nicht viel übrig geblieben ist/sein wird. Selbstredend auch, dass von Linz09 jetzt schon so wenig bestehen geblieben ist. Und für kleine Initiativen ist es oft äußerst anstrengend, an ein bisschen Geld zu kommen.

Womit kann Linz deiner Meinung nach im österreichischen Städtewettbewerb in kultureller Hinsicht punkten, vor allem im Vergleich zu ähnlich großen Städten wie Graz, Salzburg oder Innsbruck (nicht Wien, da hier der Vergleich vermessen wäre)?

Dominika Meindl: Linz ist im Vergleich zu Salzburg und Innsbruck erdiger und durchaus subversiver. Weil es hier nie wirklich ein Bildungsbürgertum gegeben hat, tut man sich leichter, etwas für hiesige Verhältnisse Neues anzureißen. Bei Graz wird’s schon schwieriger, das empfinde ich so, wie Linz gerne wäre. Die Ars Electronica sollte man ja noch erwähnen, das ist wohl eine USP. Und die Donau! Mit der könnte man noch so viel machen!

Inwieweit denkst du eigentlich, dass Linz international als Kulturstadt wahrgenommen wird? Und welche geografische Reichweite hat die internationale Wahrnehmung deiner Meinung nach?

Dominika Meindl: Da habe ich eher bescheidene Ansichten und Ansprüche. Ärgerlich ist, dass die „Hitlerstadt“-Punze nicht loszukriegen ist – damit ist Linz weitum bekannt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass 2009 Durchschnittskulturkonsumenten in Berlin und anderswo lange nicht mitbekommen haben, dass „wir“ gerade Kulturhauptstadt sind. Die Wiener ätzen naturgemäß, sind dann – so wie alle – immer sehr positiv überrascht, wenn sie wirklich herkommen. Kulturstadtwahrnehmung und Internationalität haben also noch viel „Entwicklungspotenzial“.

Gib bitte ein kurzes Resümee von Linz09 anhand von drei Punkten.

Dominika Meindl: Die Phase vor Beginn habe ich als recht inspirierend in Erinnerung. Wer da nicht aller mit welchen schönen Projektideen dahergekommen ist! Wäre ich während des Jahres selbst nur als Privatperson unterwegs gewesen, hätte mir vieles ganz gut gefallen. Mit Hinblick auf die Hintergründe – Absagen, unausgeschöpftes Potenzial, mediale Hintergrundstörungen – gab es natürlich immer einen bitteren Beigeschmack. Rückblickend ist, wie bereits erwähnt, viel zu wenig übrig geblieben. Wenn ich recht gehe, gibt es an „Aktivposten“ eigentlich nur den Kepler Salon und bald das Bellevue. Das ist zu wenig. Literarisch war ich auch eher enttäuscht.

Wie schätzt du den Stellenwert von Hochkultur – Subkultur – Volkskultur in Linz ein?

Dominika Meindl: Volkskultur hat definitiv ein Primat. Ich mag keine billigen Polemiken, aber das steht in keinem Verhältnis zu dem, welche Strukturen die Subkultur vorfindet. Gut, die lebt selbstredend auch vom Unterwandern der Strukturen, aber das sollte bei Förderungen keine Rolle spielen. Bei der Hochkultur fällt mir spontan nicht viel mehr als das Musiktheater ein. Wieder so ein teurer Prestigebau, der Linz in eine andere Liga bringen soll. Möge es gelingen, aber ich bin skeptisch. Der jeweilige Stellenwert spiegelt sich klar in den paar Medien wider, die sich mit Linz beschäftigen. Da gibt es die Hoffnung auf eine Mitgliedschaft in der Elite, ab und zu ein bisschen was über Subkultur, und im Alltag Volkskultur galore.

Wenn du einzelne künstlerische Disziplinen wie Malerei und Grafik, Tanz, Theater, Musik, Literatur, Film, Fotografie usw. betrachtest: Wo würdest du meinen, wäre in der Stadt noch besonderes Entwicklungspotenzial vorhanden?

Dominika Meindl: Ohne selbst Expertin zu sein: Film. Vieles, wie auch der Tanz, erschöpft sich in einem Festival pro Jahr (die an sich gut sind). Selbstredend auch bei der Literatur, das drängt sich mir ja auf. Das habe ich auch gerade gesagt: Was total fehlt, ist eine kritische, diskursfördernde Medienlandschaft. Die täte allen Sparten gut.

Welche drei thematischen Schwerpunkte mit Kunst- und Kulturbezug werden zukünftig die größten Herausforderungen für die Stadt darstellen? Begründe deine Einschätzung bitte kurz.

Dominika Meindl: Ich glaube zunächst, dass man einen fundierten Diskurs über eine sinnvolle Verteilung der Mittel führen müsste. Nicht nur über Geld, sondern über die Nutzung und Bespielung von Leerständen. Ich bin immer noch „prä-thematisch“: Was machen mit dem Vorhandenen? Was kann man ohne viel Geld auf die Beine bringen? Wie Öffentlichkeit einbeziehen, öffentlichen Raum schaffen? Konkret: Was wollen wir mit Linz anfangen? Wo könnte es Orte geben, an denen es produktiv zum Brodeln kommt?

Zu den einzelnen Themenbereichen. Zu Arbeitsbedingungen, Arbeitsverhältnissen und Sozialer Lage. Wenn du dein näheres kulturelles bzw. künstlerisches Umfeld betrachtest: Welche Arbeitsverhältnisse (Vollzeit, Teilzeit, Freie Dienstverträge, …) dominieren hier?

Dominika Meindl: Da dominiert die prekäre Selbstständigkeit am Rande oder unterhalb des Existenzminimums.

Und wie würdest du die Arbeitsbedingungen beschreiben, unter denen du arbeitest?

Dominika Meindl: Bei mir hat sich das jetzt gebessert, die ärgsten Existenzsorgen sind weg. Kaum zu erwarten, wenn man sich mehr auf das freie Schreiben konzentriert! Aber viel funktioniert immer noch dank minimaler Fixkosten.

Inwieweit sind die von dir soeben beschriebenen Arbeitsverhältnisse und Arbeitsbedingungen deiner Meinung nach typisch für den Kunst- und Kulturbereich in Linz?

Dominika Meindl: Das prekäre „Dahinwurschteln“ erscheint mir subjektiv als äußerst typisch. Sehr viele haben dann noch einen Brotjob, der sie in der Regel an der künstlerischen Arbeit hindert.

Welche Maßnahmen könnte die Stadt Linz setzen, um die Arbeitsbedingungen und die soziale Lage für Kunst- und Kulturschaffende zu verbessern?

Dominika Meindl: Am leichtesten würden sich wohl freie Arbeits- und Veranstaltungsmöglichkeiten realisieren lassen. Dazu muss sich die Stadt selbst laufend an die eigene Nase fassen und jene MitarbeiterInnen anstellen, die in entsprechenden Dienstverhältnissen stehen. Ich sage nur „AEC“.

Der zweite gewählte Themenbereich war „Neue Medien/Freie Medien/Open Source/Open Commons“. Im alten Kulturentwicklungsplan sind „Neue Medien und Technologien“ als einer der Hauptschwerpunkte der kulturellen Entwicklung festgeschrieben. Inwieweit ist deiner Meinung nach die Stadt Linz diesem Schwerpunkt gerecht geworden?

Dominika Meindl: Strukturell vielleicht. Oder wenn man darunter versteht, das AEC-Festival zu pushen (bei aller Zustimmung dazu). In Bezug auf eine medial geförderte kritische Öffentlichkeit muss man aber sagen, greif mal einem nackten Mann in die Tasche.

Wo liegen deiner Meinung nach die Stärken im Bereich „Neue Medien“ in Linz? Und wo die Schwächen?

Dominika Meindl: Wenn es, wie gesagt, um das Image als AEC-Stadt geht, steht Linz gut da. Mir geht es aber quasi um die vierte Säule auf Stadtebene. Das Beispiel „spotsZ“ passt da gut. Neue Medien in dieser Form werden sogar noch weniger. Dass Pühringer, Watzl und Heller den Oberösterreich-Einstieg des „Falter“ verhindert haben, ist das nächste Beispiel. Es gibt in Linz einen Haufen guter Leute, die journalistisch etwas zur Stadt zu sagen hätten und so die kulturelle Entwicklung fördern könnten. Nur wo?

Welches Entwicklungspotenzial siehst du im Bereich der Freien Medien (Print-, Radio-, Fernseh- oder Internet-Bereich) in Linz?

Dominika Meindl: Ein riesiges Potenzial. Print hatte ich schon erwähnt. Warum nicht ein kleines, feines Stadtmagazin? dorf.tv und FRO schätze ich auch – hier wie bei Internet-Plattformen wären ein paar Euro mehr wunderbar angelegt.

Inwieweit ist dir die „Open Commons“-Initiative der Stadt Linz bekannt?

Dominika Meindl: In groben Grundzügen nur.

Wie schätzt du die Beteiligungsmöglichkeiten für Kunst- und Kultureinrichtungen an dieser Initiative ein?

Dominika Meindl: Da kann schon viel drinnen stecken, wenn man das richtig anpackt. Ich denke viel über die Möglichkeit nach, wie man durch Netz-Kunst zu Geld kommen könnte. Nicht nur jetzt wegen der eigenen Blog-Sache, aber auch. Ich bin mir noch nicht sicher, ob man das irgendwie zusammenführen könnte. Willemer-Preis ist eh nett, aber ob’s da nicht noch was geben könnte? Es hat ja lange das Amt des Stadtschreibers, der Stadtschreiberin gegeben. Man könnt ja wen Gescheiten herholen und bloggen lassen. Und das dann ordentlich promoten – wie das Open-Commons-Projekt an sich. Die sind eh so genügsam, die Schreiberlinge – die jungen halt [ironisch gemeint].

Ok, wir sind am Ende des Interviews angelangt. Eine Zusatzfrage noch: Auf was sollte bei der Erstellung des neuen Kulturentwicklungsplans deiner Meinung nach besonders geachtet werden?

Dominika Meindl: Selbstredend auf eine repräsentative Einbindung, was Alter, Herkunft, Geschlecht, „Schicht“ betrifft. Aber da sehe ich keine Gefahren. Wenn ich pragmatisch bleibe: Dass trotz knapper Mittel viele Ressourcen genutzt werden können. Da geht noch ganz viel in Linz. Ich denke, dass sich daraus ein niederschwelliger Zugang von alleine ergibt.

Das war’s dann. Danke für die Antworten.

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