Ergebnisprotokoll zum ExpertInnen-Arbeitskreis „Interkulturalität“

  1. Begrüßung durch Kulturdirektor Julius Stieber & kurze Vorstellrunde der anwesenden Personen
  2. Kurze Präsentation der Ergebnisse aus dem Visions- und Zielfindungsworkshop zum Thema „Interkulturalität / Migration“ (vom 17.11.2011) und aus dem Grundlagenpapier zum KEP neu (Kapitel 31.4.) durch Kathrin Paulischin
  3. Arbeitsauftrag an den ExpertInnen-Arbeitskreis:

Weiterbearbeitung der bereits vorliegenden Ergebnisse und Definition von Zielen einer Linzer Kulturentwicklungsplanung für die nächsten zehn Jahre im Bezug auf Interkulturalität

 

Ziel „Diversität der Stadt ist gelebte Normalität“

Das Ziel ist eine Selbstverständlichkeit, die Stadt in seiner Vielfalt (der Gesamtbevölkerung) wahrzunehmen und zu leben. Das bedingt einen erweiterten Begriff von Vielfalt und das Anerkennen von Diversität und der Heterogenität der Bevölkerung.

Die Vielfalt als Normalität in der Gesamtbevölkerung muss sich zukünftig auch im Kulturangebot widerspiegeln (z.B.: Eine Reihe mit türkischen Lesungen ist kein viel beachtetes „Sonderprogramm“, sondern selbstverständlicher Bestandteil eines Linzer Kulturangebotes. Türkische Übersetzungen sind „normal“)

Bei der Besetzung von Jurien und Gremien im Kulturbereich (im Sinne der Geschlechterparität bereits verwirklicht) soll ebenfalls die Vielfalt der Stadt abgebildet werden.

“Positive“ Medienarbeit soll “andere“ Bilder vermitteln.

Lernen aus den Erfahrungen von Linz 2009: Es geht um “Kultur für alle“, nicht um das „Spezielle“ – es braucht keine Unterscheidung und Separation (d.h. die Zuteilung in eine Kategorie „MigrantInnen-Projekte“ war nicht positiv)

Das Linz09-Projekt „Kulturlotsinnen“ war sehr erfolgreich im Sinne einer großen öffentlichen Wahrnehmung, weil „nahe am Leben“ und weil es Interesse an anderen Lebenswelten gibt. Darüber hinaus gibt es den Fortbestand des Projekts in Form des Vereins ibuk. Zurzeit laufen Kooperationsprojekte mit Linzer Museen.

Wichtig ist, sich vom Begriff der „migrantischen Kulturarbeit“ und von der zu starken Orientierung an „MigrantInnen-Vereinen“ zu lösen.

Im Sinne von „Kultur für alle“ geht es um das Ansprechen von sozialen Schichten und von Generationen:

  • MigrantInnen verteilen sich auf verschiedene soziale Schichten
  • “Kultur für Alle“ – „Alles ist nicht für alle“
  • In der Diskussion (auch in der ExpertInnengruppe) fehlen immer die Jugendlichen. Wo sind die Kunststudierenden?

 

Ziel „Öffnung der Häuser“

Interkulturelle Öffnung verlangt einen Umbau von Institutionen, um „Barrierefreiheit“ herzustellen und echte gesellschaftliche Teilhabe für alle zu schaffen.

Die Vielfalt in der Bevölkerung muss sich somit auch in der Personal- und Organisationsstruktur und im Programm der Kultureinrichtungen wieder finden.

(MigrantInnen nicht nur als potentielle neue Publikumsschicht, sondern auch als MitarbeiterInnen und KünstlerInnen wahrnehmen – pos. Beispiel: Kutlug Ataman-Ausstellung im Lentos Kunstmuseum 2009).

 

Ziel „Interkulturelle Relevanz bei Förderungen“

Die Linzer Kunst- und Kulturförderung soll den Schwerpunktsetzungen im KEP neu entsprechen (d.h. barrierefrei im weitesten Sinne: gendergerecht, antidiskriminierend, interkulturell, vermittelnd).

Interkulturelle Relevanz soll im Sinne von „Mainstreaming“ durchgehend gefordert sein. Kein Reduzieren auf „MigrantInnen-Fördertöpfe“ und „MigrantInnen-Projekte“.

Die ExpertInnen-Runde verweist auf einige Best-Practice-Bespiele:

  • Förderrichtlinien der Stadt München
  • Wiener Charta des Zusammenlebens
  • CHARTA DES ZUSAMMENLEBENS IN VIELFALT IN DER STEIERMARK (Anerkennung der Heterogenität als Grundansatz und als Selbstverständlichkeit)

Die Infostruktur und Infokanäle über Fördermaßnahmen sind im Sinne einer umfassenden Zugänglichkeit neu zu denken. Mehrsprachige Ausschreibungen „genügen nicht“ (Erfahrung von Linz09 und Linz Kultur).

Ziel „Entwicklungspartnerschaften“

„Es braucht Zeit!“ – Eine interkulturelle Öffnung und ein kulturelles Handeln entsprechend der Stadtdiversität ist ein langsamer Prozess, benötigt kontinuierliches Arbeiten und viel Geduld beim Experimentieren.

Viele Vereine sind in der Projektkonzeption und -abwicklung (und damit auch im Lukrieren von Fördermitteln) schnell überfordert.

Statt dem herkömmlichen „Projektgeschäft“ sollen „Entwicklungspartnerschaften“ initiiert werden, wo Vereine, Einrichtungen, EinzelkünstlerInnen, Kollektive langfristig, partizipativ und auf gleicher Augenhöhe gemeinsam arbeiten.

Die Stadt Linz soll solche Entwicklungspartnerschaften in Auftrag geben.

Best-Practice-Beispiel: WienWoche (http://www.wienwoche.org/de/wienwoche/)

 

Ziel „Multifunktionale Häuser / Stadtteilkulturarbeit“

Die Begriffe „Begegnungsstätten“ oder „Haus der Kulturen“ sind schlechte Bezeichnungen, weil sie Minderheiten auf diese Orte reduzieren und eine gleichberechtigte Teilhabe und Nutzung bestehender Einrichtungen entgegenwirken.

Es braucht multifunktionale Häuser in allen Stadtteilen, die Veranstaltungsräume, Kinderbetreuungseinrichtungen, Cafés, Aufenthaltsräumen etc. bieten.

Linz verfügt über die einmalige Infrastruktur der Volkshäuser – diese sollen in diesem Sinne umdefiniert werden.

Kulturzentren und Kultureinrichtungen sind sowieso Begegnungsstätten.

Stadtteile sollen thematisch „bearbeitet“ werden und nicht im Bezug auf einen hohen MigrantInnen-Anteil in einem Stadtteil. Stichwort „Gentrifizierung“

 

Ziel „Mehrsprachigkeit“

Mehrsprachigkeit soll kein Dogma sein – sondern ein „sowohl aus auch“ – ausgewählt und zielorientiert eingesetzt. Wichtig ist die Signalwirkung. Gleichzeitig können muttersprachliche Veranstaltungen gerade für Jugendliche der 2. und 3. Generation interessant sein.

Code switching – diesem Phänomen mehrsprachiger Gesellschaften und Gruppen soll im Kunst- und Kulturschaffen Rechnung getragen werden, weil so der Inhalt gleichzeitig zwei(mehr)sprachig vermittelt werden kann. Radio-Sendungen sind damit sehr erfolgreich. Weitere Beispiele: ein Theaterstück und das Stadtmagazin „biber“ in Wien.

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