Gerhard Haderer

Zu deiner Person, Geburtsjahr und Geburtsort?

Gerhard Haderer: Geburtsjahr ist 1951 und Geburtsort ist Leonding.

Und du lebst seit wann in Linz?

Gerhard Haderer: Ich bin seit 1985 wieder in Linz.

Welche kunst- und kulturbezogenen Aktivitäten und Funktionen übst du derzeit aus? Bitte auch an Gremien, Jurys, Aufsichtsräte und ähnliches zu denken.

Gerhard Haderer: Meine Position ist sehr einfach zu beschreiben. Ich bin freischaffender Künstler, Karikaturist und Buchautor. Die einzige öffentliche Funktion, die ich bisher in meinem Leben hatte, habe ich jetzt im Aufsichtsrat für die Tabakfabrik Linz Entwicklungs- und Betriebsgesellschaft mbH.

Wie würdest du eine Tätigkeit am ehesten bezeichnen? Wäre das dann freischaffender Künstler, Karikaturist und Buchautor?

Gerhard Haderer: Bildender Künstler ist ok, Zeichner ist auch ok, Zeichner, ja! Zeichner!

Ich würde mit einem kurzen Assoziationsspiel beginnen. Wenn du dir vorstellst, irgendwo steht „Kulturstadt Linz“ und du kannst irgendetwas dazuschreiben. Was würde dir frei assoziativ dazu einfallen?

Gerhard Haderer: Wortmarke. „Kulturstadt Linz“ ist eine schöne Absicht, es ist eine PR-, eine Marketingveranstaltung, die auch über die Grenzen hinaus funktioniert. Also es ist eine PR-Aktion. Das hat für mich jedenfalls den Inhalt, den es vorgibt, bisher noch nicht eingelöst.

Wenn du sagst, über die Grenzen hinaus funktioniert hat, diese PR-Aktion, wie weit über die Grenzen hinaus?

Gerhard Haderer: Diese PR-Aktion „Kulturstadt Linz“ würde ich sagen, hat sich im deutschsprachigen Raum bereits festgesetzt. Man bringt mit Linz diesen Begriff durchaus in Verbindung.

Wenn wir uns die letzten zehn Jahre in dieser Stadt ansehen, würde mich interessieren, mit welchen kulturellen Entwicklungen du nicht zufrieden bist?

Gerhard Haderer: Es hat seit der Zeit als ich wieder nach Linz zurückgekehrt bin, das sind 25 Jahre, viele Aktivitäten gegeben in Richtung „Kulturstadt Linz“. in meinem Verständnis zweigeteilt. Zum einen einmal sehr kreative Muskel, die ich mit Stadtwerkstatt und mit dieser Stahlstadt-Musik in Verbindung bringe, in den späten 1980er-Jahren noch, und dann ist ein Durchhänger anzumerken. Das heißt, diese ursprüngliche Kraft, die in Linz immer da war und die man forcieren sollte, nämlich diese Basis-Kultur, war einige Zeit deutlich spürbar, hat mich auch wieder hierher gelockt, ist aber zumindest in den letzten zehn Jahren nicht zu merken. Ich komme zur zweiten Ebene. Die Entscheidungsträger der Stadt Linz haben das seinerzeit mitbekommen, haben aber auf ihre Art und Weise dann Kulturpolitik gemacht, die sich im Errichten von Kulturinstitutionen und Gebäuden niedergeschlagen hat. Also es ist keine Kritik anzumerken an den Gebäuden, die in Linz für Kultur errichtet wurden. Ich nehme einmal ganz vorneweg das Lentos, ein meiner Meinung nach wirklich maßgeblich europäischer Museumsbau. Es gibt auch andere Tendenzen, das Ars-Electronica-Gebäude zum Beispiel. Ich meine, ich nenne jetzt wirklich nur die Bauwerke, die sind da, aber meiner Meinung nach zu wenig gefüllt mit Inhalten, die dem heutigen Geist entsprechen. Das ist meine Kritik. Also ich werfe den Politikern nicht vor, dass sie zu wenig Häuser gebaut haben, ich werfe ihnen vor, dass sie zu wenig die Kulturströmungen beachtet und ausgebaut oder die Möglichkeiten dafür geschaffen haben, dass sich die Kulturträger, die Linzer Szene eigentlich, niederlassen konnte. Das ist nicht passiert, das ist ein Fehler der Politik.

Gibt es auf der anderen Seite Entwicklungen der letzten zehn Jahre, kulturelle Entwicklungen, die einer Meinung nach besonders gut gewesen sind?

Gerhard Haderer: In den letzen zehn Jahren ist mir nichts in diese Richtung aufgefallen. Ich sage einmal, dass ich von meiner Zeit ausgehe, als das Theater Phönix sich gegründet hat, wo die Linzer Stadtwerkstatt am Höhepunkt war und als gleichzeitig auch noch in der bildenden Kunst sehr interessante Impulse in Linz zu sehen waren. Das würde ich mit den späten 1990er-Jahren abschließen wollen, diese Phase. Und wenn man über die letzten zehn Jahre spricht, dann ist nichts Vergleichbares mehr aus dem Boden gekommen und die Frage ist zu stellen, warum das so ist. Was an der Oberfläche deutlich sichtbar war, dieses widerwärtige Hick-Hack um das neue Musiktheater und ähnliche Veranstaltungen, die zwar am Rande auch Kulturdiskussionen waren, aber leider in einer sehr schändlichen Art und Weise für die Politiker ausgegangen sind. Das heißt, ich vermisse das Augenmerk auf die Linzer Szene, auf diese ganz bestimmte Eigenart der Linzer Szene, die man forcieren und die man pflegen und ausbauen sollte.

Würdest du sagen, dass sich der Fokus zu stark dann auf die Bauten und auf die Institutionen gelegt hat?

Gerhard Haderer: Genau das ist meine prinzipielle Kritik. Da gibt es ein Übermaß und die Linzer Politiker haben natürlich zu Recht auch eine Liste von Bauten, die sie aufführen können. Das ist aber nicht das, was ich mir unter Kulturpolitik vorstelle, weil der Inhalt ist immer noch das, was die Bauten begründen oder tragen sollte und nicht umgekehrt. Aber der umgekehrte Weg ist in den letzten 20 Jahren gegangen worden. Ich sage noch einmal, es gibt wirklich schöne Beispiele für Kulturbauten in dieser Stadt, das ist auch schön herzeigbar, sozusagen funktioniert diese Marketing-Schiene wieder, aber jemand wie ich sucht nach dem Inhalt und nach dem Geist und da ist mir wesentlich weniger in den letzten zehn Jahren aufgefallen als in den zwei Jahrzehnten davor.

Womit kann Linz deiner Meinung nach in kultureller Hinsicht noch punkten, vor allem wenn man es mit anderen Städten vergleicht? Jetzt nicht unbedingt mit Wien, aber Salzburg, Innsbruck, Graz oder deutschen Städte mit ähnlicher Größe?

Gerhard Haderer: Wenn man Städte vergleichen will – und bleiben wir einmal bei Österreich – da ist es ganz klar, dass Linz einen unglaublichen Vorteil gegenüber Salzburg beispielsweise hat, weil man sich ja in Linz nicht gegen eine verfestigte Hochkultur durchzusetzen hat, sondern weil es eine bestimmte Unmittelbarkeit der Kulturträger hier gibt in dieser Stadt. Das ist eine hohe Qualität. Diese Qualität hat man aber auch zu pflegen, also es ist keine Selbstverständlichkeit. Und ich bin der Meinung, wenn man es mit anderen Städten vergleicht … Wien ist natürlich eine völlig unzulässige Dimension, weil da gibt es einfach sehr viele kleine Linz‘ innerhalb dieser Stadt, oder kleine Salzburg‘ gibt es natürlich auch in Wien, das ist nicht zu vergleichen. Zu vergleichen ist es eher mit ähnlich dimensionierten Städten im deutschen Raum oder in Österreich mit Graz, wenn ich das einmal so sagen darf. Was mir in Linz dringend fehlt, das ist eine geisteswissenschaftliche Fakultät. Dadurch könnte sich auch studentisches Leben entwickeln in diese Richtung. Das ist nicht der Fall in Linz, es gibt auch keine Bestrebung in diese Richtung, zumindest keine auffällige. Das wäre meiner Meinung nach eine wichtige Aufgabe der Politik, auch darüber nachzudenken. Und wenn man Vergleiche mit Deutschland strapazieren möchte, dann ist es so, dass spätestens seit den letzten 15 Jahren eine bestimmte Unmittelbarkeit der Politik immer wieder in Industriegebieten Raum gegriffen hat. Wenn ich da an das Ruhrgebiet denke, an Offenhausen beispielsweise oder wenn es um die neuen Bundesländer geht, Leipzig. Da gibt es sehr schnelle, basisdemokratische Umsetzungen von kulturellen Impulsen. Und das ist mir das Allerwichtigste. Ich habe den Eindruck, Linz erstarrt in dieser oberflächlichen Gebäude-Inszenierung, aber was nicht gepflegt wird, dass ist einfach, dass man offene Ohren und offene Augen für die jungen Pflanzen hat, die gerade aufkommen, die einfach wirklich Unterstützung brauchen würden. Und woher sollen sie bitte diese Unterstützung bekommen, wenn nicht von Seiten der öffentlichen Hand?

Wie würdest du meinen, ist der Stellenwert von Hochkultur in Linz?

Gerhard Haderer: Erstens einmal habe ich mit dem Begriff Hochkultur nur negative Assoziationen und bemühe sie nur dann, wenn ich über Salzburg spreche als abschreckendes Beispiel. Das ist klar, dass man sich einnistet in diesen Begriff und alles was dann revoltiert dagegen zuerst einmal gegen Barrieren laufen muss. Das meine ich mit Hochkultur. Wenn ich über Linz spreche und mir diesen Begriff überlege, denke ich, kann man natürlich sagen, dass das Lentos in Linz beispielsweise ein etablierter Kulturplatz ist, auch in der Darstellung der Ars Electronica zum Beispiel ist es so, das ist eine höchstetablierte Einrichtung mittlerweile, zu einer Art Fremdenverkehrsattraktion verkommen. Ich vermisse auch in dem Zusammenhang das Leben, ich weiß nicht genau, warum das so ist, aber alleine der Begriff „Museum of the Future“ ist ein Anachronismus. Den muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Man kann Zukunft nicht in ein Museum stecken und entsprechend sieht das Ding aus. Es lässt sich schön herzeigen, von der Oberfläche, aber mein Appell lautet: Belebung, mit Impulsen, die heute stattfinden und nicht, die konservieren, die vor 30 Jahren entstanden ist. Der neue Versuch, Hochkultur an der Linzer Blumau anzusiedeln mit dem Musiktheater, das ist für jeden Linzer natürlich Schwindel erregend, das wird man begleiten als Satiriker, würde ich mal sage. Ich schaue mir da einmal an, was da eingelöst wird davon. Es ist völlig lächerlich, zu glauben, dass man da jetzt auf dem internationalen Bankett der Hochkultur, der musikalischen Elite mitspielen kann und die ersten Töne, die aus dieser Richtung kommen, bringen mich wirklich zum Schaudern. Ich würde sagen, die Qualität der Linzer ist eine ganz andere, das ist eine bestimmte Unmittelbarkeit, die sich aus der Struktur dieser Stadt ergibt. Das war immer eine Arbeiterstadt in ihrer Struktur, mit einem ganz zarten bürgerlichen Guss darüber. Aber die Kraft ist immer aus dieser Ursprünglichkeit der Arbeiterschaft und der Werktätigen in dieser Stadt gekommen. Das unterscheidet sie wesentlich von Salzburg und wesentlich von Graz, das eine studentische Struktur hat. Diese Qualität ist eine hohe Qualität, wenn man sie positiv besetzt. Sie ist dann keine hohe Qualität, wenn man meint, man muss da jetzt etwas drauf setzen, was irgendwelchen Superlativen entspricht, die man in Linz nicht wirklich einlösen kann. Also ich bin der Meinung, etwas mehr Selbstbewusstsein wäre dringend angesagt.

Wenn wir den Begriff der Hochkultur schon bemühen, dann gibt es zumeist etwas, was dagegen strebt, Subkultur, Alternativkultur. Du hast es skizziert, dass da viel verloren gegangen ist, dass der Stellenwert in der Stadt nicht mehr der ist, wie er einmal war. Welchen Stellenwert hat die Subkultur deiner Meinung nach in Linz?

Gerhard Haderer: Da sollte man jetzt auf keinen Fall nostalgisch werden, sondern die Aufforderung richten, dass der Fokus, der Blick der Verantwortlichen in eine andere Richtung zu gehen hat. Es ist nicht notwendig, immer wieder tolle Gebäude für etwas zu errichten, was nicht da ist, sondern es sollten den Kräften, die entstehen – und das ist logischerweise jetzt eine Generation der 30- bis 40-Jährigen würde ich einmal sagen – je nach ihren spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten auch die Formen dafür gegeben werden. Ganz einfache Geschichten. Nicht alles muss dann in großen Gebäuden enden, sondern man sollte andere Möglichkeiten, frischere Möglichkeiten dafür finden. Es hat sich auch politisch und gesellschaftlich und sozial sehr viel verändert in den letzten zehn Jahren. Wenn man nur die letzten drei Jahre hernimmt, weiß man ja, was für internationale Crashes vor sich gegangen sind, und daraus entsteht ein völlig neuer Geist. Und diesen neuen Geist jetzt genau zu beobachten und dem adäquate Möglichkeiten, adäquate Spielwiesen anzubieten, wäre meiner Meinung nach die Aufgabe der Politik.

Mich würde noch interessieren, welchen Stellenwert die Volkskultur in Linz hat?

Gerhard Haderer: Der Begriff ist mir nicht geläufig, ich umgebe mich nicht mit dem Begriff Volkskultur. Das sind ähnliche Schwierigkeiten, wie ich mit dem Begriff Heimat habe, einfach deshalb, weil er schon so viel „vergewaltigt“ worden ist. Nun, Volkskultur ist immer etwas positiv Besetztes, weil es etwas Ursprüngliches ist und auch die vielen Schritte, die dann einmal zur Hochkultur führen haben irgendwann einmal einen Ursprung gehabt und das war immer Volkskultur. Alles, was aus der Basis der Menschen kommt, die in einem bestimmten Raum leben, ist eine Ausdrucksform ihrer Lebensweise und daher kann das nur gut sein, also Volkskultur. Also Volkskultur in dem Sinn hat natürlich immer etwas Positives. Das Schwierige ist nur, wenn diese Punzierungen stattfinden für diese Begrifflichkeiten, zwischen Volkskultur und zwischen volkstümlicher Kultur und so weiter, also da wird es für mich dann sehr unangenehm und unappetitlich. Aber selbstverständlich ist meine eigentliche Intention jene, dass man die Menschen sehr ernst nimmt in all ihren sozialen Formen, die eine Stadt beleben, wenn man über Linz sprechen will, und dass sie sich im weitesten Sinne auch kulturell äußern können oder dass ihnen zumindest einmal die Idee nahe gebracht wird, dass man sich kulturell umsetzen kann in all seinen Lebensbereichen.

Wenn wir uns einzelne künstlerische Disziplinen vor Augen führen, Malerei, Grafik, die bildende Kunst, Film, Fotografie, Literatur, Musik, Tanz, Theater, Medienkunst, das ganze Kaleidoskop an. Jetzt könnte man mit Blick auf Linz vielleicht sagen, da ist überall Entwicklungspotenzial vorhanden. Gibt es deiner Meinung nach Disziplinen, wo du sagen würdest, da wäre besonderes Entwicklungspotenzial vorhanden?

Gerhard Haderer: Ich kann jetzt keine Beispiele auflisten, von denen ich sagen würde, da gibt es einzelne Gruppen, die völlig Lebendiges, Kraftvolles zu sagen haben. Das möchte ich auch nicht so auflisten. Natürlich bin ich auch befangen, wenn ich gefragt werde. Klarerweise ist zum Beispiel Comics, diese spezielle Ecke, eine sehr, sehr interessante Ecke, die auch international jetzt wirkliche Power kriegt. Wenn ich mir überlege, was die Neuen Medien, speziell die Gaming-Szene für eine große, internationale Kraft hat und mittlerweile auch von der Wirtschaftsseite her forciert wird, wie viel kreatives Potenzial da drinnen steckt … dann merke ich persönlich die Reaktion zu meiner eigenen Arbeit, wie viel völlig generationsübergreifende Beteiligung da stattfindet – wenn man klarstellt, dass die Linzer so etwas haben wie einen eigenen Schmäh zum Beispiel. Viele Künstler, die aus völlig verschiedenen Ecken kommen, haben dieses Element drinnen. Wenn man an die Musik denkt, die gemacht wurde, das ist ja alles nicht ohne Augenzwinkern konsumierbar. Und alle intelligenten Menschen, die sich mit Architektur beschäftigen, haben auch so etwas wie ein Augenzwinkern in bestimmten Bereichen, weil es doch eine sehr schöne menschliche Zugangsweise zueinander ist, dass man ein bisschen mit dieser Art von Schmäh aufeinander zugeht. Das darf nicht missverstanden werden, indem ich da einer Art von Unterhaltungsoberfläche das Wort predige, weil ich finde, das ist genau das Gegenteil davon. Ich glaube nur, dass es eine mögliche Sprache ist, welche die Linzer definieren könnte. Weil der Linzer Schmäh ist nicht übertragbar auf Hamburg, das ist etwas ganz anderes. Und auch der Wiener Schmäh hat eine eigene Ecke und so weiter. Wenn man einmal sagen würde, dass man sich vielleicht um diese Spezies ein bisschen annimmt und schaut, was aus diesem kleinen Impuls nextComic in Linz wird beispielsweise, was ein sehr engagierter Typ seit drei Jahren durchzieht, mit einigen Freunden zusammen, und es gibt große Publikumsbegeisterung da rundherum, dann kann ich mir vorstellen, dass das etwas wäre, was man ausbauen könnte. Wobei ich mir überhaupt kein Blatt vor den Mund nehme. Selbstverständlich kann man sagen, da ist er jetzt befangen und redet nur über sein eigenes Ding. Aber auf diese Frage würde mir so etwas einfallen, weil es wirklich noch eine kleine Pflanze ist, die neu ist, ausbaufähig erscheint. In der Musik und im Theater kann ich nicht sehr viele Neuentwicklungen feststellen im Augenblick. Ich weiß nur, dass es eine sehr umfassende Szene immer gegeben hat in der Schnittstelle zwischen Architektur und bildender Kunst, das war in Linz immer so, das ist auch jetzt so, aber dazu kann ich nicht wirklich im Detail was sagen. Auch hier aber wieder die Aufforderung, die Eigenheiten zu betonen. Das ist ein sehr mühsames Gebiet, das ist ganz klar, aber es kommt nicht in Frage, dass man sich jetzt nach irgendwelchen internationalen Trends Strategien verordnet, nach denen dann womöglich die Linzer kreativen Muskeln durchgesiebt werden. Das Gegenteil sollte sein, man sollte so viel Selbstvertrauen entwickeln, dass man die Eigenheiten herauskehrt und daraus etwas Kraftvolles macht. Ich erinnere an die ersten Versuche der Ars Electronica. Das war auch eine ganz kleine, ursprünglich Linzer Gruppierung. Und daher hat es dann begonnen zu greifen. Also es gibt sehr viele Beispiele in diese Richtung. Ich komme eigentlich immer auf die gleiche Grundaussage zurück. Ich gehe weg von der institutionalisierten Kunst und ich gehe weg von dem Bespielen von Hallen, die dafür aufgebaut werden und wo man dann sagt: Bitte macht irgendetwas. Und übrigens: Kunst am Bau ist für mich eine der schlimmsten Reizfloskeln, die ich kenne. Da darf man dann in irgendeinem Eck, wo dann eine Steckdose versteckt werden muss, möglicherweise noch eine Skulptur hinstellen. Dieses Grundmissverständnis, über das stolpere ich jeden Tag, immer wieder. Das Gegenteil muss der Fall sein, man muss die Leute vorher einladen und sagen, welche Bedürfnisse habt ihr für bestimmte Manifestationen, die sich dann im Baulichen niederschlagen. Eine Revolution ist angesagt.

Spannender als in Disziplinen ist in Themen zu denken. Welche kulturellen Themen wären es deiner Meinung nach sein, welche die Stadt in den nächsten Monaten und Jahren vor die größten Herausforderungen stellen werden?

Gerhard Haderer: Das erste Thema, das mir sofort einfällt, ist die Neustrukturierung der Gesellschaft. Die Künstler sind eingeladen, würde ich einmal sagen, Visionen zu entwickeln, was sich denn nach dem Zusammenbruch des Kapitalismus in den letzten drei Jahren jetzt als neue Felder, als neue Lebensbereiche darstellen. Da müssen die Künstler deswegen her, weil die Pragmatiker, die den Kapitalismus zu Schanden geritten haben, ihren Bankrott erklärt haben. Und jetzt brauchen wir Visionäre. Wir brauchen jetzt die Ideen, die gar nicht spinnend genug sein können, die zumindest einmal völlig neue Wege erschließen. Und wenn wir dann fragen: Das soziale Leben, das sich jetzt nicht mehr am Materiellen definiert und nicht mehr am Kapitalismus definiert, woran hat es sich jetzt zu definieren? Dafür müssen die Denker her, dafür müssen die Künstler und die Spinner einfach aufs Tableau, weil die Pragmatiker rund um den Planeten versagt haben. Heraus mit den schrägen Vögeln, heraus mit den Denkern, die völlig neue Gedanken begründen, die denken können. Also das jetzt ganz einfach gesagt, auf den politischen und wirtschaftlichen Crash der letzten drei Jahre hinauf, da müssen neue Visionen entstehen. Das würde eine Aufgabe der Künstler sein, das ist Punkt eins würde ich sagen. Punkt zwei ist das Hinterfragen der Institutionen in Linz. Das ist sehr konkret jetzt. Man sollte einmal wirklich die bestehenden Möglichkeiten den Künstlern vor die Füße legen und sie fragen, wie sie sich die Bespielung vorstellen können. Das ist ein kleiner experimenteller Versuch. Der könnte praktisch so aussehen, dass es aus den Bereichen der bildenden Kunst, aus Bereichen der Musik und aus den Bereichen der Architektur meinetwegen, Literatur natürlich auch, für die Einrichtungen der Stadt Linz sehr schnell – und die Leute dürfen nicht sehr viel Zeit haben dafür, die müssen das aus dem Bauch heraus machen, – Bespielungsvorschläge gemacht werden. Sind alle glücklich mit der Art und Weise, wie das Lentos bespielt wird? Sind alle glücklich mit der Vision, dass im Musiktheater große Oper gemacht wird? Sind alle glücklich mit dem Ars Electronica Center, das sich als Museum darstellt? Was könnte man sich denn da darunter vorstellen? Und schon ist es wieder ein Aufruf zu einer kreativen Revolution. Das ist Punkt zwei. Ein dritter Punkt könnte sein, diese Ursprünglichkeit, die mir so am Herzen liegt, zu definieren, so dass die Menschen Anteil daran nehmen können. Das heißt eine Art von Kommunikationsoffensive zu starten, zu sagen, es ist sehr vieles in Bewegung, was nicht an der Oberfläche sichtbar ist, was man kommunizieren könnte, wozu man Leute einladen könnte, sich einmal zu beteiligen und dafür ein Forum zu schaffen. Dafür gibt es jetzt Plätze wie zum Beispiel die neue Tabakfabrik in Linz, die eine leerstehende Fabrik zwar ist, aber immerhin ein neues städtisches Areal. Und dorthin jetzt nicht die etablierte Riege einladen – das halte ich für langweilig und für gefährlich – sondern das Gegenteil. Ein Forum zu schaffen für die kleinen Versuche in die richtige Richtung. Und die sollten sich daran messen lassen, eine Art von Kommunikation herzustellen, die mit den Menschen kompatibel ist. Und bevor ich mich zurückziehe aus der ganzen Geschichte, will ich haben, dass diese Gedanken zumindest einmal in den Protokollen all dieser Sitzungen drin stehen, dass die Manager das einmal in den Köpfen haben. Die sind ja dann eh ganz begeistert, sie wissen ja, dass sie mit ihren eigenen Lösungsstrategien völlig anstehen. Sie freuen sich total, wenn dann einer kommt, der sagt, na gut, dann versucht doch einen ganz anderen Weg, schaut mal den Leuten zu, wie sie leben wollen und wie sie gerne leben würden, wenn sie es könnten und vielleicht gibt es Möglichkeiten, das zu forcieren.

Kannst du ein kurzes Resümee zu Linz09 anhand von höchstens drei Punkten geben? Was war Linz09 für dich?

Gerhard Haderer: Erstens einmal: ich war ein ganzes Jahr lang über in geistigem Urlaub in dieser Stadt, das war das Jahr 2009. Ich habe einige gute Theateraufführungen gesehen, im Container im Hafen, zum anderen waren es einige plakative Marketingveranstaltungen der Stadt Linz, aber es hat nichts von dem eingelöst, was ich mir eigentlich sehr gewünscht hätte, nämlich eine Darstellung dieser selbstbewussten Stadt Linz, die ich ja sehr liebe, deswegen lebe ich ja auch da. Diese Ursprünglichkeit eben auch darstellt. Was ist passiert? Das Gegenteil ist passiert. Es war dann einer der Höhepunkte wieder einmal diese Klangwolke, zu der jedes Jahr 200.000 Leute strömen ohne dass sie wissen, warum sie das genau machen. Also das Jahr 2009 hatte für mich keinerlei maßgebliche kulturelle Dimension, außer eben die Marketingfunktion für die Stadt Linz, würde ich einmal sagen. Das ist ein Resümee. Ich kann überhaupt kein positives Resümee legen, das geht nicht, weil ich weiß, dass die Linzer Szene außen vor war und dass man viele Chancen vertan hat, im Vorfeld schon, indem man eine Intendanz installiert hat, die mächtig war, über ein großes Budget zu verfügen, das dann der Bürokratismus aufgefressen hat.

Zu einzelnen Themenbereichen. Zuerst zu jungen Potenzialen und Nachwuchsförderung. Da würde mich interessieren, inwieweit du denkst, dass Linz für junge Kunst- und Kulturschaffende überhaupt ausreichende Möglichkeiten zur Betätigung bietet?

Gerhard Haderer: Zu wenig. Es gibt zu wenige Möglichkeiten, aber über den Tellerrand geblickt könnte es Linz schaffen, für junge und neue Strömungen sehr attraktiv zu werden. Aber dazu ist einfach notwendig, dass man diese Geistigkeit einmal inszeniert, die man im Augenblick noch nicht vorfindet. Man sollte die Jungen einladen hierher. Linz könnte nur profitieren davon. Aufgrund dieser Struktur, die eben nicht durch Hochkultur definiert ist in dieser Stadt, sondern die sehr viel Unmittelbares zulassen könnte. Ich bin da jetzt wirklich sehr in dieser Ausdrucksweise betont, weil ich meine, das ist noch nicht der Fall, es gibt noch nicht sehr viele Initiativen in diese Richtung, aber das sollte passieren. Linz hat diese Chance, dass es sehr viele Stadtteile gibt, die kulturell brachliegen, wenn ich jetzt einmal nur denke an den Hafenbereich beispielsweise oder an diese ganze Struktur, die sich an der Donau jetzt entwickelt, mit diesem neuen Gelände der Tabakfabrik sowieso – ich komme immer wieder auf das gleich zurück – dann ist das natürlich ganz wichtig, dass man zuerst einmal sagt. „Bitte, wer soll sich jetzt damit beschäftigen?“ Es ist jetzt nicht notwendig, an die etablierten Machthaber Signale auszusenden, sondern das Gegenteil ist der Fall. Man wird dann gleich zum Thema Bildung kommen. Aber wenn es darum geht, städtisches Leben zu verbessern oder anzureichern, dann kann es nur dadurch passieren, dass man zuerst einmal den Strömungen der Jungen Rechnung trägt und sie einlädt, sich darzustellen und ihre Bedürfnisse offen zu legen. Also was wollen die denn eigentlich? Wie können sie sich denn ein städtisches Leben vorstellen? Ich bin ja der Meinung, dass das sehr schnell wechselt, diese Paradigmenveränderung findet immer schneller statt, das hat auch etwas zu tun mit der Vernetzung der neuen Medien. Daher haben junge Menschen, die jetzt bereit sind, in einer Stadt wie Linz zum Beispiel sich ausbilden zu lassen, ganz andere Anforderungen als das Menschen gehabt haben vor noch 30 Jahren, wovon ich reden kann. Da hat man gewusst, diese vier Jahre an der Universität beispielsweise bringt man an irgendeinem Ort zu, der nur dafür da ist, zu studieren. Mittlerweile denke ich, haben sich diese Sichtweisen deutlich geändert, indem man auch so etwas wie Lebensqualität einfordert, abgesehen jetzt von dem eigentlichen Inhalt des Studiums. Daher, wenn es eine Vision wieder zu verwirklichen gäbe, die ich entwerfen kann, dann ist es die, dass man junge Menschen in diese Stadt deswegen einlädt, weil man sagt: „Ihr könnt hier gleichzeitig leben und euch ausbilden lassen.“ Das wäre eine schöne Position in weiterer Folge.

Mich würde interessieren, was würdest du dir im Zusammenhang dessen, was du gerade gesagt hast, von den Bildungseinrichtungen, insbesondere den Universitäten, wünschen?

Gerhard Haderer: Von den Universitäten, die in Linz bestehen im Augenblick? Da muss man zuerst einmal analysieren, was ist denn da und was ist nicht da. Was nicht da ist, habe ich schon erwähnt, aber die bestehenden Einrichtungen haben natürlich alle miteinander eine bestimmte Ghettoisierung als Grundverhalten. Wir habe die Universität im Auhof, die aus der Stadt ausgelagert ist, und wir haben einige Zellen in der Stadt herinnen wie die Kunstuniversität zum Beispiel, die jetzt gerade wieder ins Zentrum drängt, nicht zu unrecht, weil eben genau diese Anforderung, die ich sehr gut verstehe, nämlich am städtischen Leben teilzunehmen, eine ganz wichtige ist. Das ist jetzt nur tendenziell gedacht. Ich meine, wenn man diesen Bereich der Bildung nur andenken will, und wenn es jetzt darum geht … das Stichwort heißt ja Kulturentwicklungsplan, wir sprechen ja nicht über die Gegebenheiten, wir besprechen eine Tendenz, die sich daraus ergeben sollte, dann müsste eigentlich die Stoßrichtung die sein, dass man neue Formen auch der örtlichen Unterbringung von Bildungseinrichtungen andenkt. Man muss natürlich über neue Bildungsformen sowieso noch reden oder auch über neue Schulformen selbstverständlich, aber ganz unmittelbar könnte man sich vorstellen, dass man mehrere dieser Einrichtungen in der Stadt platziert, um da wieder neues Leben in die Stadt zu bekommen. Das ist auch eine Intention der Tabakfabrik.

Das ist ein nahtloser Übergang zum nächsten Themenbereich. Schule und Bildung und Wissenschaft. Wenn man von Schule und Bildung spricht, dann denkt man immer zu allererst an Schülerinnen und Schüler.

Gerhard Haderer: So ganz klar ist das nicht. Da kommen wir schon an den Kern der Diskussion.

Ich weiß, das hört nie auf, lebenslanges Lernen, das ist klar. Mich würde trotzdem der tendenziell erste Zugang interessieren. Wenn man sich das bestehende Kunst- und Kulturangebot in Linz ansieht, würde mich eine Wahrnehmung deinerseits interessieren, wie du das Interesse von Schülerinnen und Schülern an diesem Angebot siehst?

Gerhard Haderer: Also wie weit sich Schüler aus den Schulen an diesem Angebot beteiligen und wie weit sie da eingeladen werden dazu. Da kann ich eigentlich sehr wenig sagen dazu, weil an der Oberfläche stellt es sich mir so dar, wie ich es tradiert ja kenne, dass es natürlich die Aufgabe der Lehrkräfte jeweils ist, die Schüler entweder mit aktueller Kunst zu konfrontieren oder nicht. Das ist jeweils so eine Entscheidungsfreiheit, die diese Lehrer eben da haben. Es gibt noch nicht diese wirklich generelle Aussage des Lehrplanes zum Beispiel, dass es eine höhere Gewichtung dieser Art von Konfrontation geben sollte. Da wäre natürlich sehr viel zu tun. Aber worauf ich jetzt hinauswollte ist eigentlich ganz etwas anderes, nämlich dass, wenn eingangs gesagt wurde, dass man zuerst einmal an die Schüler denkt, dann halte ich das für sehr gut. Ich habe den Eindruck, dass unser Bildungssystem erstens einmal völlig unreformierbar ist. Ich bin jemand, der nicht glaubt, dass es darum geht, da jetzt mit einigen Behübschungen noch etwas Gutes daraus zu machen, sondern dass es einfach unreformierbar ist. Man kann sich alle diese Versuche irgendwohin schieben, man sollte etwas ganz anderes machen, man sollte auch hier völlig neue Formen andenken. Und ich glaube, dass man auch in Linz die Chance hätte, so etwas Ähnliches wie eine Denkfabrik für dieses Thema zu initiieren, dass man also vielleicht ein Modell schafft. Die Plätze dafür sind ja da. Ich mag den Begriff nicht schon wieder aussprechen, aber neue Formen von Bildung, auch neue Formen von kultureller Einbindung in die jeweiligen Lehrprogramme und so weiter könnten ja in Linz einmal angedacht werden. Ich glaube, das ist jetzt genau die richtige Zeit, das in ein Entwicklungsprogramm aufzunehmen, dass man nicht nur die Schulen wieder einlädt, da die Klassen durch das Ars Electronica Museum zu treiben, sondern dass man auf etwas sensiblerer und anderer Ebene versucht, eine Beteiligung herzustellen, weil ich glaube, dass die Impulse, die von Kindern kommen, können ganz wichtig sein für die gesamte soziale Struktur der Stadt oder auch der Menschen insgesamt natürlich.

Welche Rolle spielt deiner Meinung nach der außerschulische Bereich in dem Zusammenhang? Wenn man von Schule spricht, dann denkt man ja immer an Schülerinnen und Schüler und an die Schule, an die klassische Schule, aber einen Teil ihrer Zeit verbringen sie ja auch in Jugendzentren, Musikschulen usw.

Gerhard Haderer: Ja, ich habe zuvor über die Institution Schule als solche gesprochen und da ist es ganz klar. Das hat sich natürlich – und deswegen sage ich, das ist unreformierbar – im Laufe der Entwicklung der letzten zwei Jahrhunderte in eine Art von staatlicher Rasterung da begeben, die eigentlich völlig schüler- und wissensfeindlich ist. Es ist etwas anderes notwendig. Man muss speziell diesen Bereich der lustvollen Wissensaufnahme stärker wieder forcieren und das ist wieder ein Angebot, das sehr stark mit kulturellen Trägern natürlich zu tun hat. Man muss wieder klarstellen, dass man eine Art von Lustprinzip entwickelt, das Kinder, die zur Welt kommen nichts anderes wirklich wollen als sich zu bilden, dass die mit einem großen Lustgewinn auch herangeführt werden an diese Bildungseinrichtungen und da sollte man natürlich solche speziellen Bereiche wie Kultur oder Kunst in vielen Bereichen ganz, ganz, ganz ernst nehmen. Das ist eine ganz wichtige Forderung der nächsten Zeit und der Zukunft, weil sie werden ja mit diesem System irgendwann genauso wie mit dem Pensionssystem an die Grenzen der Machbarkeit stoßen und dann muss man sich fragen, was passiert dann nachher? Und darum geht es, also vielfältige Formen der sozialen Strukturen neu zu definieren, die sich alleine durch die Migrationsproblematik auftun oder die sich auch durch den Crash des Kapitalismus auftun, sage ich noch einmal dazu. Das ist ja nicht nur ein Desaster, sondern eine riesige Chance und da sind die kulturellen Impulse gefragt und nicht nur die pragmatischen Verwalter und nicht nur der pragmatische Apparat, der in den letzten zwei Jahrhunderten festgefahren ist. Das müssten ganz andere Impulse sein, die aus einer anderen Richtung kommen.

Eine Frage hätte ich noch. Eine weitere Frage hast du schon vorher beantwortet, die nach der Verbindung des Kunst- und Kulturbereichs und des Wissenschaftsbereichs in Linz. Da hast du mit der Verstärkung der geisteswissenschaftlichen Ausrichtung reagiert. Aber wenn man von Bildung spricht, kann man meiner Meinung nach nicht nur bei den Kindern und Jugendlichen verharren, sondern es gibt auch eine große Tradition im Erwachsenenbildungsbereich, und ohne jetzt das zweischneidige Wort des lebenslangen Lernens auf den Tisch zu bringen, aber dieser Bereich ist ein großer und wichtiger Bereich, gerade auch, wenn es um den Anschluss an Kunst und Kultur geht. Also von der Volkshochschule angefangen über die Arbeiterkammer, bfi, WIFI, die Bildungszentren und so weiter gibt es sehr viele Angebote. Mich würde interessieren, ob du dir da irgendwie in der letzten Zeit gedacht hast, dass dort neue Impulse, neue Maßnahmen gesetzt werden könnten, um genau diesen Bereich verstärkt mit Kunst und Kultur zu konfrontieren?

Gerhard Haderer: Ich kann nur sagen, es ist mir nicht aufgefallen, dass es eine Dynamisierung geben würde. Das ist mir nicht aufgefallen, sonst würde ich das jetzt auch sagen können, da kenne ich nichts. Ich bin ein unglaublicher Verfechter des Workshop-Charakters, das heißt, wenn Erwachsenenbildung, dann ist da dasselbe dazu zu sagen, was man zum Prinzip des Schulsystems auch zu sagen hat, nämlich vielfältige, attraktive Einladungen, die nichts zu tun haben mit akademischer Wissensvermehrung, sondern mit dem Lustprinzip. Und mit dem Lustprinzip sind selbstverständlich wieder sämtliche Kunstformen oder kulturelle Formen angesprochen. Ich glaube, dass Menschen, die miteinander Feste feiern, sich weit über diese Aktualität hinaus austauschen. Man spricht ja dann nicht nur über das Hühnchen, das man isst oder über das Bier, das man trinkt, sondern man hat ja andere Themen auch noch. Das heißt, soziale Formen zu finden, die nicht niederträchtig ausschließlich die oberflächliche Unterhaltungsindustrie vorgibt zu finden, sondern Formen zu finden des Miteinanders, dass das zuerst einmal sozial definiert ist und das dann automatisch übergeht in einen höheren Anspruch, indem man es mit kulturellen oder mit, wenn man so will, soziographischen Inhalten besetzt.

Ok, danke, das war die letzte Frage. Ist dir noch irgendetwas abgegangen, willst du noch irgendetwas Wichtiges mitteilen?

Gerhard Haderer: Nein, eigentlich nichts, weil alles was mitzuteilen war, hast du aus mir heraus gekitzelt und alle anderen Detailfragen, die im Raum stehen, werden noch geklärt.

Herzlichen Dank für das Interview.

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