Günther Ziehlinger

Geburtsjahr und Geburtsort?

Günther Ziehlinger: 1975, Linz.

Du lebst in Linz seit wann?

Günther Ziehlinger: Seit 1975.

Welche kunst- und kulturbezogenen Aktivitäten und Funktionen übst du derzeit aus?

Günther Ziehlinger: Ich bin stellvertretender Geschäftsführer der KAPU, ich bin Mitglied bei der KUPF-Akademie und habe selber eine Band.

Irgendwelche Jurys oder Gremien?

Günther Ziehlinger: Nicht großartig, aber zum Beispiel am Samstag bei diesem Kartoninstrumente-Bastel-Contest in der Stadtwerkstatt bin ich in der Jury.

Wie würdest du die eigene Tätigkeit am ehesten bezeichnen?

Günther Ziehlinger: Keine Ahnung, wie nennt man das? Kulturarbeiter am ehesten.

Zur KAPU. Welche Zielgruppen werden durch die Arbeit besonders angesprochen?

Günther Ziehlinger: Alternative Leute, Menschen, die abseits des Mainstreams leben und durchaus ein ziemlich breites Altersspektrum, von jung bis alt.

Auf welchen geografischen Wirkungsbereich zielt die Arbeit in erster Linie ab?

Günther Ziehlinger: Das ist schwer zu sagen, weil die KAPU eigentlich sehr bekannt ist. Sie ist über Linz hinweg und auch über Österreichs Grenzen hinweg bekannt. Somit ist das Einzugsgebiet bei Veranstaltungen sicher auch über Linz hinausgehend.

In welchen künstlerischen Disziplinen bzw. kulturellen Arbeitsfeldern ist die KAPU hauptsächlich tätig? Musik in erster Linie, oder? Aber da hat sich einiges getan in den letzten Jahren, disziplinäre Verschränkungen wenn man will. Welche würdest du da am ehesten nennen?

Günther Ziehlinger: Das sind das Kino und der Ausstellungsraum. Das Kino passiert beim KAPU Filmfestival zum Beispiel oder bei Crossing Europe. Auch sonst gibt es Veranstaltungen im Kinosaal, er wird auch anders genützt, für Lesungen zum Beispiel oder für Filmvertonungen. Der Ausstellungsraum wird für Ausstellungen genützt, die hin und wieder da sind. Letztens beim nextComic-Festival hat es beispielsweise eine Comicausstellung gegeben, davor war eine Ausstellung beim KAPU-Festival, eine Ausstellung mit zig Utensilien. Das gibt es mittlerweile seit ungefähr zehn Jahren, das Programm, und es ist dabei, sich zu etablieren.

Gibt es in Bezug auf die vorhandene räumliche und technische Infrastruktur aktuell einen Handlungsbedarf, d. h. den Wunsch nach quantitativer Erweiterung oder qualitativer Verbesserung?

Günther Ziehlinger: Na ja, die ganze Technik im Saal ist nicht am neuesten Stand. Da sind aktuell eher große Investitionen nötig. Ein neues Mischpult hat es letztens gegeben und immer wieder Kleinigkeiten. Es gäbe im Grunde eine Liste, mit der um Förderungen angesucht wird, aber es ist halt schwer. Eben qualitative Verbesserungen, einfach Sachen, die nicht mehr so gut funktionieren oder nicht mehr funktionieren, um die wieder funktionstüchtig zu bringen, das ist das Wesentliche.

Vom Haus selber her? Würdest du sagen, das ist passend von der Fläche?

Günther Ziehlinger: Im Grunde schon. Ich meine, was man immer wieder merkt, Leute deponieren etwas und es sammelt sich etwas an, aber das ist jetzt wahrscheinlich nicht ein Problem des Raums. So ist der Raum schon ausreichend, würde ich sagen.

Vom Personal her, ihr habt eine Geschäftsführerin und du bist stellvertretender Geschäftsführer. Wie viele Personen werden insgesamt bezahlt?

Günther Ziehlinger: Wir sind beide teilzeitbeschäftigt. Vereinsobmann und Techniker bekommen auch noch etwas bezahlt.

Aber die KAPU funktioniert ja nicht nur mit vier Leuten. Wenn ein durchschnittliches Arbeitsmonat oder ein typisches Projekt betrachtet wird: Wie viele Personen sind schätzungsweise für die Einrichtung auf freiwilliger Basis tätig?

Günther Ziehlinger: Das ist schwer zu sagen. Es gibt Betriebsgruppensitzungen, wo viele Leute involviert, aber immer unterschiedlich viele Leute kommen. Und dann die Veranstaltungen, wo unterschiedlich viele Leute mitarbeiten. Ein Konzert kann im Grunde auch mit zwei oder drei Leuten durchgeführt werden, aber das ist heftig. Es braucht schon sechs bis sieben Leute. Jemanden, der kocht, Leute, die bei der Kassa sitzen, Techniker natürlich und auch die Hauptverantwortung. Und es kommt dann noch das Putzen dazu, Bettwäsche reinigen usw., das wird auch von ehrenamtlichen Leuten erledigt. Im Grunde ist es so, dass wir einen höheren Bedarf hätten. Es sind zwar viele Leute, aber die können nicht immer und das ist schwer, das immer zu organisieren. Es sind viele Leute in der KAPU ehrenamtlich tätig, auch für die KAPUzine, die Zeitung, die ehrenamtlich layoutiert wird oder wo Leute ehrenamtlich dafür schreiben. Alles, was nicht ehrenamtlich passiert, bleibt an der Geschäftsführung hängen und das ist oft ein bisschen arg.

Kurzes Assoziationsspiel: Welche Begriffe fallen dir ein, wenn du an „Kulturstadt Linz“ denkst?

Günther Ziehlinger: Provinzstadt. Vielleicht würde ich das Kultur durchstreichen und Provinz dazu schreiben.

Wenn du die letzten zehn Jahre, also die Jahre 2000 bis 2010, betrachtest: Was lief deiner Meinung nach besonders gut in der kulturellen Entwicklung der Stadt Linz?

Günther Ziehlinger: Das ist schwer. Dass sich jetzt etwas besonders gut entwickelt hätte … da fällt mir auf die Schnelle nichts ein.

Und mit welchen kulturellen Entwicklungen der letzten zehn Jahre bist du überhaupt nicht zufrieden?

Günther Ziehlinger: Mit der allgemeinen Entwicklung, das Bestreben eine Schicki-Micki-Stadt zu werden, wo es in erster Linie um Konsumierbarkeit geht, mehr um Fassade und Oberfläche. In diese Richtung hat sich das vor allem die letzten zehn Jahre, eigentlich auch vorher schon beginnend, entwickelt. Dass aus etwas Spannendem etwas Sauberes geworden ist, sauber im Sinne von unspannend, geschliffen.

Sonst noch irgendwelche Entwicklungen, wo du dich vielleicht geärgert hast?

Günther Ziehlinger: Prinzipiell ist es eben, dass es nicht primär um Kunst und Kultur geht, sondern um Tourismus, Repräsentativität und Einkaufsambiente. Viel was unter dem Deckmantel Kunst und Kultur gemacht wird, ist es gar nicht, sondern eigentlich nur ein Behübschungsmechanismus. Nicht unbedingt nur in dem Zusammenhang, aber das LinzFest als solches hat mir in den 1990er-Jahren besser gefallen als heute. Da hat es früher das Linz-Rockzelt gegeben. Der Beitrag der Freien Szene ist immer verschwindender geworden und in den 1990er-Jahren war das Rockzelt größer wie die FM4-Bühne. Jetzt ist die FM4-Bühne die Hauptbühne und es gibt eigentlich nicht mehr diesen Floor, wo die Freie Szene, wo Linzer Bands ihre Musik präsentieren. Das hat am LinzFest vorher die KAPU gemacht hat, das hat sich inzwischen ganz aufgelöst. Das war noch am Urfahrmarktgelände, da war das Linz-Rockzelt, das ist mir sehr gut in Erinnerung geblieben. Aber dieses Hergerichtete und „Schöne“ ist in Wirklichkeit langweilig in Linz. Mir liegt da ein Zitat von Rainer Zendron im Ohr: Linz war irgendwie eine spannende Stadt und dann hat man sich bemüht, um so zu werden wie alle anderen Provinzstädte und man hat es auch geschafft. Ich meine, das ist schon problematisch, weil große Häuser gebaut werden, wo nicht nur der Bau extrem viel kostet, sondern auch nachher die Erhaltung. Da werden Kulturbudgets aufgefressen und gehen nicht dorthin, wo wirklich etwas damit gemacht wird. Das Musiktheater zum Beispiel, das ist so ein riesiger Brocken, da wird so viel Geld verbrennt, Geld, wo man mit einem minimalen Bruchteil davon die KAPU rundherum technisch erneuern oder absichern könnte. Und es geht in kultureller Hinsicht vor allem um traditionelle Kunst und Kultur, für experimentelle Sachen ist weniger da, scheint es.

Wie schätzt du das Verhältnis von Hochkultur – Subkultur – Volkskultur in Linz ein?

Günther Ziehlinger: Ich glaube, dass die Volkskultur der wichtigste Bereich ist, sogar noch vor der Hochkultur, obwohl man das jetzt finanziell mit dem Musiktheater dann nicht mehr so sagen kann wahrscheinlich. Die Frage ist, wie hochkulturell das Musiktheater wird. Da wird davon gesprochen, dass es eine Musicalbühne gibt und das ist dann vielleicht wieder mehr Volkskultur, ich weiß nicht. Das ist ein Problem, die Menschen in der Stadt sind anscheinend großteils für mehr Volkskultur zu haben als für Hochkultur bzw. auch für Alternativkultur. Volkskultur fängt bei mir mit Blasmusik an und hört beim Pflasterspektakel oder beim Kronefest auf. Der Stellenwert von Sub- und Alternativkultur in Linz ist eher gering. Ich meine, es gibt schon viele Leute, die sich zum alternativen Spektrum zugehörig fühlen, aber das sind halt nicht die, die etwas zu sagen haben. Es ist interessant, weil die alternative Geschichte von Linz durchaus vermarktet wird, wobei vermarktet vielleicht übertrieben ist, aber es wird vor allem von den Stadtvätern oder von Etablierten mehr gesehen. Das ist etwas, das war und das war eh nett und es wird darauf verwiesen, um sich selbst als modern, innovativ, offen, weltoffen darzustellen. Dafür gibt es das. Die alternative Sparte ist nicht wichtig für die Regierenden, aber es ist total nett, darauf zu verweisen, das haben wir eh. Auch in Zusammenhang mit der Kulturhauptstadt zum Beispiel. Es wurde bei der Bewerbung auf die Leistungen verwiesen, die jetzt nicht von den städtischen Einrichtungen gekommen sind, sondern eher von Einzelpersonen oder privaten und Do-it-yourself-Kollektiven, Sachen, die nie groß gefördert worden sind oder vielleicht sogar sanktioniert worden sind. Und im Nachhinein wird sich darauf berufen: Wir sind so weltoffen, weil damals war das so und so. Auch in anderen Bereichen, zum Beispiel mit Helmut Gsöllpointner. Jetzt ist auf einmal Linz die Stadt des Designs. Da ist in Wirklichkeit der Zug auch abgefahren und jetzt wird da quasi Asche zum Anbieten hervorgezaubert.

Kannst du ein kurzes Resümee von Linz09 anhand von maximal drei Punkten geben?

Günther Ziehlinger: Linz09 war, ganz böse gesagt, ein Riesenrad auf einem Dach, ein Werkzeug der Festivalisierung der Stadtpolitik und jede Menge Essen. Ich weiß nicht, wie viel des Budgets für Buffets und Catering draufgegangen ist.

Womit kann deiner Meinung nach im österreichischen Städtewettbewerb kulturell punkten, vor allem im Vergleich zu ähnlich großen Städten wie Graz, Salzburg oder Innsbruck? Ist es nur die Ars Electronica oder glaubst du, es ist mehr?

Günther Ziehlinger: Das hätte ich früher mehr gesehen, da hat Linz noch das Besondere gehabt, wo so etwas wie die Ars Electronica, die schon vom Establishment getragen wird und eine riesengroße Geschichte ist, voll in Verbindung steht mit der Freien Szene oder Leuten, die alternativ tätig sind, wo noch Synergien da waren, dass man einfach über das zu coolen Locations gekommen ist. Das war sicher so, aber ich weiß nicht, ob ich das jetzt auch noch so einschätzen soll. Prinzipiell wird es so betrieben, dass dann Besucher der Ars Electronica am Abend in der Stadtwerkstatt fortgehen. Ich habe es immer sehr genossen, wenn die Ars Electronica war. Da war ein anderes Flair in der Stadt, aber das war früher, das war das Besondere daran. Das war auf der einen Seite Establishment, aber auf der anderen Seite war es auch Volkskultur, weil viele Leute bei Sachen mitgetan haben, interaktive Computersachen am Hauptplatz, und das war voll verbindend. Da war eine Verbindung von Subkultur, Hochkultur und Volkskultur, da hat es eine Verbindung gegeben und das habe ich eigentlich sehr cool gefunden, Das finde ich jetzt nicht mehr so, weil die Hochkultur oder die Festivalkultur wird immer abgehobener, immer mehr Schicki-Micki, bei der Volkskultur da interessiert man sich nur mehr für die Massen und der alternative Sektor wird immer mehr außen vor gehalten, habe ich das Gefühl. Oder es wird nur auf die Arbeitskraft, auf die billige Arbeitskraft der Leute gezählt und ihre Mitsprache oder Präsenz ist einfach geringer worden. Die Stadtwerkstatt bei der Ars Electronica, Stadtwerkstatt TV und so, das ist damals viel größer in Erscheinung getreten.

Inwieweit denkst du, dass Linz international als Kulturstadt wahrgenommen wird? Und welche geografische Reichweite hat die internationale Wahrnehmung deiner Meinung nach?

Günther Ziehlinger: Zum einen ist es sicher einmal in spezialisierten Sektoren wie eben durch die Ars Electronica. Die hat einfach international massiv eingeschlagen und das Image von Linz fixiert. Also das Image der Ars Electronica ist ziemlich fix, da kann sie jetzt ein paar Jahre lang schlecht sein, aber das Image wird sich wahrscheinlich nicht so schnell ändern. Vor allem durch die Kulturhauptstadt ist dieser Aspekt einer Kulturstadt schon noch einmal extra betont worden. Man hat es gemerkt, es ist allerlei berichtet worden über Linz in ausländischen Medien, da waren immer wieder Artikel, in denen darauf hingewiesen wurde, dass sich Linz von einer Industriestadt zu einer Kulturstadt gewandelt hat und ein „Bravo“ geschaffen hat und in die Richtung, Linz ist voll unterschätzt, das bräuchte es eigentlich gar nicht. Ich habe mir dazu ein paar ausländische Reiseführer angesehen und da ist dieser Kulturaspekt schon drinnen gestanden, das hat viel mit dem Kulturhauptstadtjahr, aber eben auch mit der Ars Electronica oder dem Brucknerhaus zu tun, das wird auch immer wieder erwähnt, sogar das Neue Rathaus wird erwähnt. Aber dann gibt es natürlich auch die Einkaufsstraße, die ist auch sehr wichtig.

Wenn du einzelne künstlerische Disziplinen wie Malerei und Grafik, Tanz, Theater, Musik, Literatur, Film, Fotografie usw. betrachtest: Wo würdest du meinen, wäre in der Stadt noch besonderes Entwicklungspotenzial vorhanden?

Günther Ziehlinger: Ich habe immer das musikalische Potenzial gesehen, wobei ich bei der großen Zeit noch nicht dabei war, Aber ich finde, es werden auch jetzt in Linz trotzdem noch viele musikalische Sachen produziert. Das ist jetzt nichts Spezielles für Linz, das ist wahrscheinlich in jeder Stadt so. Die jungen Leute, die mit Musik anfangen, wissen oft nicht die große Geschichte von Linz, das weiß ich von mir selber auch noch, wie ich angefangen habe. Da habe ich keine Ahnung davon gehabt und habe mir nur gedacht, das wäre cool, wenn da etwas gehen würde. Wobei das eher ein Zeitphänomen war und kein geografisches Phänomen, da war damals wahrscheinlich in vielen Städten alternativ mehr los. Aber junge Bands gibt es trotzdem und viele nehmen Platten auf zum Beispiel, da tut sich immer etwas. Man muss sagen, was sich jetzt an Programm tut und was Leute machen, das wäre früher wahrscheinlich eh der Wahnsinn gewesen. Jetzt ist es halt so, es gibt so viel, da geht es wahrscheinlich auch unter. Es gibt in Wirklichkeit extrem viele Konzerte in Linz, immer, und die werden dann gar nicht so gut besucht. Irgendetwas, was sich gerade neu entwickelt, wo großes Potenzial ist, wo es im alternativen Musiksektor früher in Linz geheißen hat, es ist kein kulturelles Erbe da, man hat einfach darauf los werken können, das ist jetzt nicht mehr so. Jetzt hat man das kulturelle Erbe sogar im alternativen Bereich, das über einem thront. Das bringt den Anspruch mit sich, dass man das irgendwie weiter macht. Aber das wirkliche Entwicklungspotenzial habe ich bis jetzt noch nicht gefunden. Was mir am meisten gerade auffällt, ist eine Bike Kitchen, die jetzt nicht zwingend das künstlerische Spektrum abdeckt, aber ein bisschen schon. Man schweißt eigene Räder zusammen, Tall Bikes oder Lastenräder, aber es hat mehr einen gesellschaftspolitischen Aspekt eigentlich, also eben das Radfahren propagieren und dann das selber Radherrichten. Aber im alternativen Bereich sehe ich jetzt nicht Potenziale, aus denen etwas werden kann, sondern eigentlich eher ein Zusammenschrumpfen in den letzten zehn Jahren, voll in der Defensive.

Welche drei thematischen Schwerpunkte mit Kunst- und Kulturbezug werden zukünftig die größten Herausforderungen für die Stadt darstellen?

Günther Ziehlinger: Finanzen wäre da ein Thema, weil die politische und ökonomische Situation in Linz, Österreich, Europa und weltweit fraglich ist, finde ich. Wie viel an Geld wird für den Kultursektor noch bereitgestellt? Ich denke mir, dass es da irgendwann größere Probleme geben könnte. Infrastruktur wäre auch Thema. Es gibt viel Infrastruktur in Wirklichkeit, aber ich habe das Gefühl, das wird nicht ausreichend genützt. Das neue Musiktheater zum Beispiel. Ich meine, das ist nicht Ziel der Sache, dass es Geld abwirft, aber es geht darum, dass das Gelder verschlingen wird, jedes Jahr Defizite, die woanders fehlen werden. Also es betrifft das Andere auch und ich meine, eigentlich wäre ein Kulturentwicklungsplan dazu da, um sich über die kulturelle Entwicklung der gesamten Stadt Gedanken zu machen und nicht nur über einen Kultursektor. Es ist zwar wunderschön, es gibt Kultureinrichtungen und auch ein paar Leute, die das nutzen, aber die große Masse in Linz ist Urfahranermarkt-Proletenklientel. Kann mit dem Kulturentwicklungsplan das Ziel verfolgt werden, so etwas zu verbessern? Es ist auch die Frage, wie schwer das ist. Es ist zum Beispiel total schwierig, wenn man in Linz jung und motiviert und engagiert ist. Dann ist man oft auch eingeschüchtert von dem, irgendwo etwas zu nutzen oder nachzufragen und lästig zu sein, oder lässt sich schnell abwimmeln. Das ist dann schwer, dieses Potenzial aufzufangen, aufzugreifen, das immer noch „geschult“ gehört dann oder verbessert gehört, dass sie die Möglichkeit haben, sich zu entwickeln in ihrem Bereich. Aber eben diese Frage: Kann man das auf die ganze Stadt ansetzen, kann das ein Ziel eines Kulturentwicklungsplans sein, dass mehr Kultur stattfindet oder eine angenehmere Kultur das Zusammenleben aller Menschen verbessert? Weil zumeist betrifft es alle Menschen. Das wäre interessant, das muss man durchaus auch in Zusammenhang mit Stadtentwicklung sehen. Man baut lauter Legebatterien für Funktionshüllen, wo dann die Leute ein bisschen wohnen dürfen und das ist halt sehr „unkulturell“ oder basiert auf einer Massenkultur, auf einer Billigkultur, auf einer Funktionskultur. Da fehlt es an Ästhetik, an Emanzipationswillen, und ich glaube, wenn sich so etwas gar nicht erst entwickeln kann, dass die Leute in Schachteln wohnen, dann ist das gut. Dann würde sich auch die Frage stellen, ob wir überhaupt noch einen Kulturentwicklungsplan brauchen?

Zu den einzelnen Themenbereichen. Zuerst zu Finanzierung und Förderung. Welche Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten nutzt du für dich selbst bzw. für die KAPU?

Günther Ziehlinger: Wir haben es heuer noch nicht versucht, aber es ist noch eine Woche Zeit. Es gibt den LinzImPuls und diese Töpfe, die in der KAPU schon einmal angezapft worden sind oder wo schon gesprochen wurde, aber wo konkret nichts läuft. Das sind gerade solche Projekttöpfe. Sonst noch nicht wirklich.

Welche positiven Punkte fallen dir in Zusammenhang mit der Förderung von Kunst und Kultur durch die Stadt Linz ein?

Günther Ziehlinger: Mir sind diese Töpfe wie LinzImPuls und LinzEXPOrt oder LinzIMpORT schon positiv aufgefallen, wie ich einzelne Projekte mitbekommen habe. Da waren Sachen dabei, die ich schon cool gefunden habe.

Wo würdest du sonst noch ein Plus vergeben?

Günther Ziehlinger: Es ist natürlich toll, dass man überhaupt Geld hergeben will, wobei natürlich die Frage ist, wie sehr ist das jetzt da, um die Leute, die aktiv sind, auch ruhig zu stellen. Aber weil wir da nicht einen Konzertbetrieb machen, den wir betriebswirtschaftlich durchrechnen und uns über den erhalten müssen, ist das schon prinzipiell ein Freiraum, der da ermöglicht wird. Prinzipiell stellt sich die Frage, inwieweit Förderungen etwas einschläfern.

Welche besonderen, strukturellen Fördermaßnahmen wären deiner Meinung nach in Linz sinnvoll, die nicht nur eine einzelne Einrichtung betreffen?

Günther Ziehlinger: Was mir jetzt einfällt, das passt vielleicht nicht 100%ig, aber es ist schon ein Problem, dass man immer überlegt, wo man plakatieren kann und beim Flyer verteilen oft Einschränkungen findet, also zum Beispiel an der Universität, dass man zahlen muss, wenn man flyert. Es ist schwer, Leerräume oder Plätze, die nicht vordefiniert sind, gibt es immer weniger.

Plakate aufhängen kann man sich nicht leisten, oder?

Günther Ziehlinger: Ja, auch das Plakate aufhängen in der Innenstadt geht immer mehr zurück. Man würde es lieber so machen, dass man mehr Werbung hat und mehr Leute, und so hat man vielleicht immer weniger die Möglichkeit, Leute zu erreichen. Natürlich gibt es andere Wege auch, aber man darf nicht präsent sein in der Innenstadt. Es wären halt Strukturen cool, die nicht von vornherein schon vordeterminiert sind, sondern die undefiniert sind und Leute, die drauf losgehen und selber eine Definition erfinden. Aber das ist vielleicht ein allgemeines Problem der Raumknappheit, sei es am Land oder in der Stadt und es ist fraglich, ob man so etwas strukturell fördern kann.

Nächster Themenbereich. Migration, Integration, Interkulturalität. Wie schätzt du die Entwicklung der migrantischen Kulturarbeit in Linz in den letzten zehn Jahren ein?

Günther Ziehlinger: Mir ist irgendwann aufgefallen, dass es eine Black Community gibt, die durchaus aktiv ist und sich zu Wort meldet. Dann stoppt es schon wieder. Es gibt, glaube ich, immer wieder kleine Ansätze, Projekte, aber dass sich wirklich etwas entwickelt im Zusammenleben der internationalen Menschen in Linz, das finde ich jetzt nicht so großartig.

Wie schätzt du die Vernetzungen zwischen den selbstorganisierten migrantischen Kunst- und Kultureinrichtungen ein? Nimmst du da irgendetwas wahr?

Günther Ziehlinger: Die gibt es schon, aber ob da jetzt eine Vernetzung, ein Austausch da ist? Das liegt vielleicht an mir, ich bekomme das vielleicht nicht so mit. Auf politischer Ebene gibt es da durchaus mehr, also beim 1. Mai war die internationale Solidarität im Jahr 2009 gegeben, kann man so sagen.

Und wie würdest du die Verbindungen zwischen diesen migrantischen und den nicht-migrantischen Einrichtungen aus dem Kunst- und Kulturbereich in Linz beschreiben?

Günther Ziehlinger: Da bekomme ich am meisten von maiz mit. Da war auch ein Austausch in der Freien Szene, wo man dazu gehört. Mit anderen Leuten, weiß ich nicht, da bekomme ich nichts mit, da fällt mir jetzt nichts ein.

Welche Maßnahmen sollte die Stadt Linz setzen, um Interkulturalität zu fördern?

Günther Ziehlinger: Eher etwas Politisches, weil die Lage von vielen Migranten nicht so gut ist, weil sie ständig als minderwertig betrachtet werden. Da wäre es heuchlerisch, zu sagen, bei diesem Kulturprojekt machen wir jetzt „Urlaub davon“. Das wäre auch nur eine Behübschung.

Also viel stärker strukturell angehen?

Günther Ziehlinger: Ja, es würde kulturell insofern geändert gehören, dass sich die Kultur ändert in der Stadt, dass die Kontinuitäten endlich überdacht werden. Im Grunde sind alle immer noch genauso drauf wie die letzten 50 Jahre oder noch darüber hinaus. Die Kultur als Ganzes wird niveauloser, es gibt riesige Discos und in der Innenstadt immer mehr Schicki-Micki-Leute oder total pöbelhafte Großraumdiscos. Da sehe ich schon ein Problem in der Kultur in der Stadt. Der Mainstream beschäftigt sich mit einer Kultur, die in Wirklichkeit Unterhaltung oder Ablenkung ist, um sich wieder fit für die Arbeit zu machen. Aber mir fällt jetzt keine geniale Maßnahme ein, die da etwas machen würde, weil ich da vorher noch viele Probleme sehe, wenn die sich nicht ändern, dann ist das vergebens.

Letzter Themenbereich. Internationalität, Linz09. Inwieweit ist es deiner Meinung nach wichtig, dass sich Linz als internationale Kulturstadt positioniert?

Günther Ziehlinger: Das hat in erster Linie einen wirtschaftlichen Faktor. Da geht es um weiche Standortfaktoren, dass eine Firma ihren Sitz gerne in Linz hat, weil da ihre höheren Angestellten und Arbeiter sich wohl fühlen, damit sie eine gute Lebensqualität inklusive einem kulturellen Imageprogramm und Angebot haben. Das ist, glaube ich, stadtpolitisch der primäre Motivationsgrund. Da geht es um weiche Standortfaktoren. Natürlich ist für mich Lebensqualität super, wenn es einen internationaleren, weltoffeneren Flair gibt, weil da fühle ich mich selber wohler und da fühle ich mich nicht von einer Enge bedrückt, die wir trotz Linz09 oder vielleicht sogar wegen Linz09 total haben.

Inwieweit hat Linz09 dazu beigetragen, dass sich Linz international stärker positioniert?

Günther Ziehlinger: Ich meine, Linz09 hat sicher dazu beigetragen, das Image von Linz aufzuwerten. Das war wahrscheinlich auch das Hauptziel und das ist durchaus errungen worden. Was ich mir vorgestellt habe, Kulturhauptstadt, da geht es vor allem Kultur, da werden jetzt alle Leute kulturell interessierter, das schlägt voll ein, das hinterlässt in der Stadt Spuren, dass man danach etwas merkt von der Stimmung, das hat es nicht gebracht. Es ist schon sehr oft auch das Volkstümliche, Kleingeistige zelebriert worden und zur Förderung von Weltoffenheit und Internationalität hat Linz09, glaube ich, nicht wirklich etwas beigetragen.

Welche Maßnahmen sollte die Stadt setzen, um sich im Kunst- und Kulturbereich weiter international zu öffnen?

Günther Ziehlinger: Ich stelle mir vor, dass das auf mehreren Ebenen funktionieren muss, auch mit großen Formaten durchaus. Da ist die Ars Electronica natürlich immer die super Marke. Früher ist mir die Zeit der Ars Electronica in Linz immer als eine besondere vorgekommen. Da war die Stadt einfach viel weltoffener, weil viele internationale Leute da waren und ich habe mir vor 2009 gedacht, Kulturhauptstadt, da wird das dann ein ganzes Jahr so sein, und das war es nicht. Die Frage ist natürlich auch, wie sehr ist die Ars Electronica noch immer dieses wirklich große Format oder wie weit geht das schon, dass nicht der Inhalt im Vordergrund steht, sondern die Form. Wir zelebrieren das Ars Electronica Festival und das wird jetzt aufgepeppt bis dass es aussieht wie die Oscar-Verleihung. Das trägt für mich nicht unbedingt dazu bei, das ist sogar eher Kleingeist fördernd. Aber prinzipiell, große Formate braucht es schon, wo dann Linz auch international einmal in den Medien ist, und das schafft es mit der Ars Electronica schon noch. Aber was anderes wäre auch interessant, dann in weiterer Folge. Das sage ich jetzt durchaus aus der Sicht der KAPU. Ich finde es total wichtig, dass im kleinen Bereich viel Austausch passiert, wie es jetzt zum Beispiel in der KAPU passiert. Da kommen internationale Bands her, das sind Leute, die Linz kennenlernen und den Kontakt hier her haben und diesen Eindruck wieder mit nach Hause nehmen und dann größer werden oder in einem anderen Bereich etwas machen, aber wissen, in Linz da war etwas und da tut sich etwas. Ich glaube, dass das einen ziemlichen Effekt hat, der überhaupt nicht messbar ist, aber einen ziemlich breiten Effekt. Es kommen jedes Jahr extrem viele internationale Bands aus vielen alternativen Bereichen da her und die machen in ihren Heimatstädten und -ländern auch irgendetwas und erzählen dann vielleicht, wie cool es in Linz war. Dass dieses Namedropping etwas bringt, davon bin ich fest überzeugt. Die Leute kommen aus der ganzen Welt da her und bringen ihre ganzen Ansichten und Eigenheiten mit und die Leute da sehen das und nehmen sich etwas mit davon oder erfahren etwas davon. Dass das auch gesehen wird, das ist wichtig.

Herzlichen Dank für das Interview.

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