Martin Sturm

Geburtsjahr und Geburtsort?

Martin Sturm: 1957, in Gmunden, Germanistikstudium in Innsbruck, dann Arbeit in der Kulturverwaltung im Förderbereich und ab 1992 Aufbau des OK.

Du lebst in Linz, seit wann?

Martin Sturm: Seit 1986, das heißt 25 Jahre.

Neben deiner Direktionstätigkeit im OK, welche kunst- und kulturbezogenen Aktivitäten und Funktionen übst du derzeit aus?

Martin Sturm: Sonst habe ich keine Funktionen.

Jurys, Gremien?

Martin Sturm: In Bundes-Jurys immer wieder in den letzten 20 Jahren, sonst nichts. Beim Bund bin ich jetzt im Fachbeirat für interdisziplinäre Projekte, aber hier hatte ich offiziell sonst keine Funktionen, weil ich ja aufgrund der Rechtskörperschaft des OK als ein Institut des Landes Oberösterreich eigentlich Beamter oder Landesangestellter bin. Deshalb sitze ich hier in keinem Fachbeirat oder Jury.

Wenn irgendwo „Martin Sturm“ steht, was soll danach stehen? Die Direktionstätigkeit im OK klarerweise, aber sonst auch noch etwas? Kurator?

Martin Sturm: Kurator, ja genau.

Zum OK. Welche Zielgruppen werden durch die Arbeit besonders angesprochen?

Martin Sturm: Das Spektrum, das wir versuchen anzusprechen, sind alle im weitesten Sinne kulturinteressierten Menschen. Durch spezielle Programme im Bereich der Gegenwartskunst ist die Zielgruppe enger, dort verengt sie sich auf kunstinteressierte Akademiker und Studenten, sage ich jetzt einmal. Formate wie der Höhenrausch sind breiter, dort spricht man eigentlich alle Leute an, die sich von Eventereignissen im Kulturbereich angezogen fühlen, also die vielleicht auch zur Klangwolke gehen würden. Da ist das Spektrum einfach viel breiter.

Auf welchen geografischen Wirkungsbereich zielt die Arbeit in erster Linie ab?

Martin Sturm: Auf den Großraum Linz. Zeitgenössische Kunst ist vor allem ein urbanes Phänomen. Mit den breiteren Formaten ist das Einzugsgebiet Oberösterreich oder ein 80-Kilometer-Radius gegeben, weil es auch ein touristischer Faktor wird und damit ein größeres Einzugsgebiet gegeben ist.

In welchen künstlerischen Disziplinen bzw. kulturellen Arbeitsfeldern ist das OK hauptsächlich tätig?

Martin Sturm: Um einen etwas zeitgenössischeren Begriff zu verwenden, würde ich sagen, Visual Culture. Es geht um das Sehen und um das Wahrnehmen im weitesten Sinn. Das betrifft Bildende Kunst im klassischen Sinn, Bildende Kunst im zeitgenössischen Sinn aber auch Architektur, Bühnenbildgestaltung, Design. Dieses Spektrum von Visual Culture, das ist mein Hauptinteresse.

Gibt es in Bezug auf die vorhandene räumliche und technische Infrastruktur aktuell einen Handlungsbedarf, d. h. den Wunsch nach quantitativer Erweiterung oder qualitativer Verbesserung?

Martin Sturm: Nein. Einerseits gibt es ohnehin so eine Art Kulturquartier-Projekt, wo quasi die gesamte Infrastruktur, die da zur Verfügung steht – zumindest die Infrastruktur, die vom Land betrieben wird – besser synergetisch genutzt werden kann. Das Einzige, wo noch externer Bedarf besteht bei uns, ist eigentlich im Lagebereich. Aber da haben wir in Enns ein relativ großes Lager, das im Prinzip ausbaufähig ist und da ist jetzt im Augenblick kein großer Bedarf. Was immer interessant ist für uns, das ist so etwas wie das Salzamt, die mögliche Kooperation im Bereich von Residence-Orten mit Künstlern, weil wir die zunehmend nicht mehr nur im eigenen Haus unterbringen können oder wollen, weil die Infrastrukturentwicklung so ist, dass alleine durch die Lokalität eigentlich ein richtiger Wohnungsbetrieb nicht mehr möglich ist. Da haben wir Bedarf, aber da versuchen wir halt durch Kooperationen das irgendwie abzudecken.

Wie viele Personen sind im OK aktuell beschäftigt?

Martin Sturm: Wir haben in etwa 16 Dienstposten. Es sind aber mehr Leute, es sind also um die 25 Personen, weil sehr viele Teilzeitkräfte arbeiten. Und wir haben dann mindestens 60 bis 70 Personen, die als Kassapersonal arbeiten, in einem sogenannten Pool, und etwa 25 bis 30 Personen, die als freie Mitarbeiter im Produktionsteam, im Aufbauteam arbeiten. Das heißt, in Hochzeiten, bei großen Ausstellungsprojekten wie jetzt, arbeiten 100 bis 120 Leute im Betrieb, zeitlich ein bisschen versetzt durch die Ausstellung und die Aufbauzeiten. Wir haben ein relativ großes Umfeld an Aktivisten, die uns da projektbezogen unterstützen.

Gibt es so etwas wie ehrenamtliche Tätigkeit in einem Betrieb wie dem OK?

Martin Sturm: Klassische, ehrenamtliche Tätigkeiten gibt es eigentlich nur beim Freundesverein. Das ist eine Unterstützungsinfrastruktur, wo man sagt, dort bringen kompetente oder prominente Leute so etwas wie ehrenamtliche Tätigkeit ein, indem sie zum Beispiel Aktivitäten im Vorstand planen, irgendwelche Benefiz Aktionen, oder versuchen, zu beraten oder das OK zu begleiten usw. Dort gibt es das klassische Ehrenamt. Ansonsten ist es so, dass wir schon versuchen, als Dienstleister aufzutreten, das heißt, wenn jemand eine Leistung bringt, dann soll er auch bezahlt bekommen dafür. Das ist ein Grundprinzip. Ich meine, bei der Frage, um welche Summe macht jemand etwas, da spiegelt sich dann manchmal auch eine ehrenamtliche Tätigkeit wider, eine Unterstützungsform, indem man jetzt irgendeine Beratungsleistung zum Beispiel von einer Agentur bekommt, die aber nicht den Agenturpreis verrechnet. Das geht dann eher ins Sponsoring, das heißt, wo es eine Art Unterstützung gibt. Aber das Ehrenamt ist eigentlich über den Freundesverein organisiert, indem über 60 Personen aktiv sind und es einen Vorstand von sieben bis acht Leuten gibt. Es gibt dort ein Abo-System und durch ein paar Sonderaktionen versuchen wir … also der Freundesverein hat nicht das Ziel, ein Massenverein zu sein, es geht jetzt nicht darum, 1.000 Leute zu sein, sondern wir wollen eher Multiplikatoren und Leute, die sich wirklich identifizieren, die so etwas wie ganz kleine Außenminister des OK sind, die dann in ihrem Bereich Werbung machen oder halt die Idee von einem Produktionshaus für zeitgenössische Kunst positiv hinaustragen. Das ist eher die Funktion, die der Freundesverein als Art Unterstützungsverein hat. Nicht einmal so sehr finanziell, also die Mitgliedsbeiträge sind jetzt eher moderat. Es kommt zwar durch bestimmte Aktionen Geld herein, aber es geht eher um eine symbolische Unterstützung oder Verfestigung des Hauses, weil das OK als Institution nicht dieses Standing hat wie ein klassisches Museum, weil es halt aufgrund des Gründungsaktes her viel fragiler ist, weil es keine Geschichte hat.

Kurzes Assoziationsspiel: Welche Begriffe fallen dir ein, wenn du an „Kulturstadt Linz“ denkst?

Martin Sturm: Da würde ich assoziieren: Wenig Geschichte, viel Zeitgenössisches, Nationalsozialismus, Industrie, kulturelle Großereignisse wie Klangwolke, Stadtteilkultur, kein Bürgertum, Arbeiterstadt.

Wenn du die letzten zehn Jahre, also die Jahre 2000 bis 2010, betrachtest: Was lief deiner Meinung nach besonders gut in der kulturellen Entwicklung der Stadt Linz?

Martin Sturm: Dass es im Vergleich zu anderen Städten eine relativ gute finanzielle Grundausstattung gibt, auch wenn es natürlich immer zu wenig ist. Aber es ist im Verhältnis zu Städten wie Salzburg oder Innsbruck, die ich relativ gut kenne, auch zu Graz mit Abstrichen – Graz hat jetzt eine andere Geschichte – eine gute finanzielle Grundausstattung und eine Offenheit für so genannte Zeitkultur. Das hat auch mit dieser eher für Österreich untypischen Traditionslosigkeit von Linz zu tun. Mit Traditionslosigkeit meine ich, dass alles, was vor dem 19. Jahrhundert ist, nicht existiert in der Stadt, mit einer bestimmten Infrastruktur sozusagen. Das zweite wäre sicher der Versuch, über die Medien – das hat natürlich sehr viel mit der Ars Electronica zu tun, aber nicht nur mit ihr – so etwas wie eine Art von Modernismus über die Kultur zu etablieren, also in einer Mittelstadt auf einer symbolischen und realen Ebene so etwas wie einen zukunftsorientierten, modernen Ansatz zu postulieren. Da eignet sich im weitesten Sinne ein Medienansatz sehr gut. Also Geldfluss und Medien und damit eine Betonung des Zeitgenössischen, zumindest in der Förderpolitik. Wie weit sich das dann … ich glaube, dass es Verwerfungen gibt, wie die Leute das wahrnehmen oder was Leute dann konsumieren, dass das viel konventioneller ist, aber die Stadt hat versucht, durch Schaffung von Institutionen, durch Geldfluss und auch imagemäßig diesen modern, medialen Ansatz zu betonen.

Mit der Wahrnehmung, meinst du, dass die Inhalte zu weit sind für die …

Martin Sturm: Ich glaube nicht einmal, dass es die Inhalte sind. Ich glaube eher, dass das Verhalten der Leute letztlich viel konventioneller ist, dass es gar nicht diesem Bild von Linz entspricht. Es gehen die meisten Leute ganz normal in das Theater und am liebsten ist es ihnen, wenn sie ein Musical spielen. Das hat jetzt nichts mit Medienhauptstadt Österreichs oder Ars Electronica zu tun, das hat eher etwas auf einer symbolischen Ebene. Das ist eben die Frage, weil das reale Verhalten von den Leuten … ich meine, dort wo es sich schon verändert hat, das ist, wenn der öffentliche Raum inszeniert worden ist, da gibt es eine bestimmte Tradition in Linz, die ich auch sehr positiv finde. Ich meine im Prinzip, strukturell, dass es möglich ist, Massen in der Öffentlichkeit zu mobilisieren für letztlich einen kulturellen Anlass, wie weit oder wie eng der immer ist, aber dass aus einem kulturellen Anlass tausend Leute in den Donaupark gehen, das ist nicht selbstverständlich. Da kenne ich auch kein vergleichbares Beispiel in Österreich, das ist schon eine Leistung, das finde ich auch bemerkenswert.

Und mit welchen kulturellen Entwicklungen der letzten zehn Jahre bist du überhaupt nicht zufrieden? Wo du sagen würdest, da muss man gegensteuern?

Martin Sturm: Ich kann es jetzt nur strukturell oder allgemein sagen. Was mich stört, das ist ein bestimmter Provinzialismus, der ganz stark mit Parteipolitik gekoppelt ist, das heißt, es gibt Wahrnehmungsmuster oder Wahrnehmungsbrillen, die gegen eine dynamische, kulturelle, gelebte Realität gehen. Die Leute nehmen das immer aus ihrer sehr stark parteipolitisch geprägten Rolle wahr und setzten halt diese Brille auf und beurteilen zunächst einmal die Dinge so – und sie beurteilen sehr regionalistisch. Du merkst halt dann immer, wenn du in einer größeren Stadt bist, dass da etwas, was in Linz als etwas Besonderes gefeiert wird, irgendwie etwas ganz Normales ist. Da ist irgendwie so eine Haltung, vor allem wenn du lange mit Leuten arbeitest, wo du merkst, dass es relativ wenig Veränderungspotenzial gibt in biografischen Verläufen, wo es wenige Ereignisse gibt, die zum Beispiel Leute irgendwie umpolen können oder die Haltungen, die einmal erworben sind, erweitern oder verändern. Diese Beharrlichkeit, die das Provinzielle auch hat, das ist irgendwie so, wie soll ich sagen … festmachen kann man es vielleicht am Beispiel – was jetzt eh nicht mehr so stark ist im Augenblick und ein bisschen ruht – der politischen Bewertung der Arbeit des Lentos. Das wäre ein gutes Beispiel, wo man halt dann das Gefühl hat, jeder der sich da berufen fühlt, etwas zu sagen, sagt das zunächst einmal aus einer reinen Unkenntnis der realen kulturellen Situation heraus, aus einer fehlenden Auseinandersetzung mit den Inhalten, die dort vermittelt werden, aus einer ideologisch oder auch parteipolitisch geprägten Vorstellung, was ein Museum leisten soll, und es gelingt nicht, dieses Bild zu korrigieren. Das heißt, ich habe noch nie jemanden gehört, der jetzt irgendwie sagt: Ich habe da jetzt eine super Ausstellung gesehen, der sagt, ich habe mich bewegt, dass die reale Erfahrung nicht dazu führt, Bilder, die man ganz fest in sich verankert hat, aufzubrechen. Wenn man in einem ästhetischen Feld arbeitet, wo es auch um Vermittlung geht, und wenn man daran glaubt, dass Kultur ein Mittel ist, um Prozesse zu verändern, dann sind das natürlich frustrierende Erfahrungen. Das ist halt eher negativ, dass es eine irrsinnige Beharrungskraft des parteipolitisch Provinziellen gibt.

Dass Kulturpolitik immer Ideologie ist?

Martin Sturm: Genau. Und dass irrsinnig schnell Muster daherkommen und Rhetoriken, die aber überhaupt nicht gelebt sind oder wo du das Gefühl hast, es werden dann immer Oberflächenzeichen hergenommen als Beleg, aber in Wirklichkeit gibt es keine Auseinandersetzung mit dem, was reell an Neuheiten passiert. Wenn du dir das ansiehst am Beispiel des architekturforum: Ich weiß nicht, welche Stadtpolitiker für Kinderspielplätze in der Stadt zuständig sind oder die in irgendeiner Weise mit Jugendkultur zu tun haben, aber wer von denen hat sich mit dem Projekt von Peter Arlt auseinandergesetzt? Jetzt setzen sich da 30 Leute damit auseinander, die als homogene Gruppe so etwas machen und die irgendwie finden, dass das wichtig ist, aber wo schlägt das über, dass das irgendein Diskurs wird in der Stadt. Das wäre eine wichtige Impulssetzung oder ein Aufklärungsdiskurs. Wie geht man mit Kinderspielplätzen und Kindern in den Stadtteilen um? Ich meine, ich will jetzt keine Schuldzuweisungen machen, aber dass diese Prozesse zwar da sind, also es da eine unglaubliche Vielfalt von solchen Auseinandersetzungszellen gibt, die aber keine Wellen bilden, das ist alles so … es werden immer die Klientel bedient, aber es entsteht keine Dynamik oder nur in seltenen Fällen, kein politischer Diskurs. Da ist dann alles wieder sehr konventionell, weil jeder in seinem Ding drinnen bleibt und da passiert mir zu wenig.

Du hast vorher bereits von Innsbruck und Salzburg gesprochen, auch Graz hast du genannt. Womit kann Linz deiner Meinung nach im österreichischen Städtewettbewerb punkten, vor allem im Vergleich zu ähnlich großen Städten wie Graz, Salzburg oder Innsbruck? Ist das nur die Ars Electronica oder ist es mehr?

Martin Sturm: Wenn man jetzt die Außenperspektive einnimmt und sagt, aus Sicht von Graz oder aus Sicht von Innsbruck, was die Qualität von Linz sein kann, dann glaube ich, ist es diese typische Erfahrung, die du immer hast: wenn Leute da sind, sagen sie, das ist eigentlich viel interessanter als ich es mir vorgestellt habe. Die Leute haben überhaupt kein Bild, was Linz eigentlich ist. Ich glaube, für viele Leute ist es vom Image her ganz schwierig, nachdem Linz kein spezifisches Profil hat, jetzt historisch gesehen, außer dass es die Stadt der VÖEST ist. Es ist es ganz schwierig, Vorstellungsbilder zu evozieren, was einen da erwartet, wenn man herkommt oder was für Qualitäten die Stadt hat und insofern ist das etwas Negatives, aber auch etwas Positives. Ich würde das jetzt nicht vom Tourismusmarketing her sehen, weil der Tourismus hat natürlich ein Problem damit. Da muss ich die Stadt mit einem USP verkaufen. Aber kulturell glaube ich ist es so, dass die Erfahrung eher die ist, dass du positiv überrascht bist, wenn du herkommst, was es dann doch für Qualitäten gibt. Zum Beispiel glaube ich ist es so, wenn du mit Leuten wie mit Journalisten oder Filmmachenden, die bei Crossing Europe da sind, sprichst, sagen die dir durchgehend, es ist eigentlich eines der nettesten Festivals in Europa. Die fahren am liebsten da her. Weil es familiär ist und den Vorteil des Kleinstädtischen hat, weil die Infrastruktur sehr gut ist. Du findest keine so gute Infrastruktur bei der Viennale oder sonst irgendeinem Filmfestival, und in Graz sowieso nicht bei der Diagonale, weil die Leute verlieren sich dort in der Stadt. Da ist alles beieinander, es gibt ein sehr gut durchdachtes, ambitioniertes Programm, das nicht auf Masse setzt, sondern auf Klasse, das heißt es hat eine ganz hohe Qualität. Die nimmst du aber erst wahr, wenn du beim Festival bist, und die transportiert sich jetzt nicht als Qualität der Stadt, als kulturelle Qualität der Stadt nach außen, Ich glaube aber, wenn du herkommst, erlebst du, dass es sehr viele solcher kultureller Qualitäten gibt. Um noch einmal das Beispiel architekturforum zu nennen: das Projekt ist ein sehr gutes Projekt, das ist nicht ein 08/15-Projekt, das irgendwie drittklassig ist, das ist ein sehr gutes Projekt, nur wird es halt nicht um das architekturforum herum wahrgenommen. Und so geht es der Stadt auch. Wenn du wo hinkommst und siehst, dass es lauter hochwertige Zellen gibt, oder sehr viele hochwertige Zellen, wo du eher positiv überrascht bist, was für Qualitäten da sind, aber die wirken zu wenig in der Stadt und sie wirken zu wenig nach außen. Es gibt kulturell eine relativ vielfältige Szene, die aus lauter kleinen Qualitäten besteht, die jede für sich sehr gut sind, aber die sich nicht imagemäßig als eine 1a-Adresse in Österreich darstellen, sondern es ist eher etwas zu entdecken, wenn man herkommt, eine Überraschung, da ist viel mehr als ich mir erwartet habe. Eine Zuschreibung, die man nicht von vornherein setzt und die andere Städte halt aufgrund ihrer spezifischen Situation vielleicht haben, wo sich das symbolisch festmacht. Innsbruck ist halt jetzt mit der Zaha Hadid stark verknüpft, das ist halt irgendwie für jeden, der kulturell-architektonisch interessiert ist, spannend. Der sagt dann: Ja genau, da hat die Zaha Hadid nicht nur die Sprungschanze, sondern auch das Dings gemacht, das schaue ich mir an. Du hast in Linz so ein Highlight am ehesten noch im Bereich der Festivals, bei der Ars Electronica. Nur auch das darf man nicht überschätzen, weil ich glaube schon, dass in Linz sehr viele Leute nicht wissen, was die Ars Electronica ist. Die meisten glauben, das ist die Klangwolke. Also wenn du dort hinkommst und was da wirklich an Diskurs passiert, wenn du beim Panel dabei bist, wo du denkst, ja bitte, das ist ja total interessant, das checkst du zuerst überhaupt nicht, was das ist. Ich glaube, imagemäßig ist Linz eher mit etwas anderen verbunden: die haben die Krise gut gemeistert und die Stahlindustrie floriert und sie haben sehr viele Dienstleistungsbetriebe und sie sind irgendwie ein Motor und so, also eher solche Imagefaktoren. Aber die führen ja wieder weg von einer kulturellen Identität, die führen eher hin in Richtung eines diffusen Modernismusbegriffs, finde ich.

Glaubst du, dass Linz als Kulturstadt überhaupt wahrgenommen wird, über die Grenzen hinaus, über Passau hinaus, oder ist das auch wieder nur ganz eng begrenzt?

Martin Sturm: Ich glaube, dass es eher begrenzt ist. Ich glaube schon, dass so etwas wie Linz09 … das ist ja auch bezeichnend, dass sie bei der Einfahrt, bei der Autobahn, die Tafeln nicht weggeräumt haben. Das ist sozusagen ein Begriff, was immer sich für ein Inhalt darunter verbirgt oder verborgen hat. Aber da kannst du eine Stadt kulturell imagemäßig prägen. Du kannst sagen, das war die Kulturhauptstadt. Da gibt es dann bestimmte Bedeutungszuschreibungen in Richtung Kultur und eher wahrscheinlich in Richtung einer modernen Kultur würde ich einmal sagen. Es ist ja nicht Museumshauptstadt sondern Kulturhauptstadt. Da glaube ich, dass das hilft, das kulturelle Image einer Stadt zu bilden oder symbolisch nach außen zu tragen. Aber nachdem es sonst kein spektakuläres Highlight gibt … das ist vielleicht etwas, was ich wieder ein bisschen kritisiere an Linz, was doch letztlich das alles betrifft. Ich meine, die größten Zeichensetzungen kommen aus der Architektur und das ist ein bisschen versäumt worden in der Stadt.

Ist nicht viel gebaut worden in der Stadt?

Martin Sturm: Schon, aber du brauchst nur nach Bregenz schauen. Das Kunsthaus Bregenz im Vergleich zum Lentos. Ich meine, es hilft ja nichts, dass du sagst, beides sind Schweizer Architekten. Das ist auch egal, wie man es beurteilt. Tatsache ist, Bregenz hat einen unglaublichen, internationalen Kulturtourismus akquiriert nur durch die Architektur des Kunsthauses. Vor drei Jahren oder vier Jahren mit Eckhard Schneider hat sich das dann ein bisschen geändert. Wenn du dort mit den Kuratoren geredet hast, haben alle gesagt, 65 Prozent der Leute kommen nur wegen der Architektur. Das gibt es in Linz nicht. Es kommen nicht 65 Prozent nur wegen der Architektur des Lentos, es kommen nicht 65 Prozent nur wegen der Architektur des AEC. Und die Tatsache, ein bisschen auf Las Vegas zu machen, indem man es am Abend beleuchtet – man kann es auch unterschiedlich beurteilen – das zählt auf jeden Fall nicht, dass man damit einfach sagt, ich habe jetzt ein Landmark geschaffen, das die Stadt kulturell nach außen verankert.

Linz09 hast du angesprochen. Kannst du ein Resümee von Linz09 anhand von drei Punkten geben?

Martin Sturm: Für uns persönlich war Linz09 sehr gut, sehr wichtig, hat auch historisch gesehen bei der Entwicklung unseres Hauses sehr gut gepasst und wir haben, wenn man so will, unser Labor durch Linz09 viel stärker nach außen tragen können. Das hat uns viele Türen geöffnet und viel ermöglicht. Wir sind durch Linz09 eigentlich erst auf der Landkarte erschienen für viele Leute und das war für uns durchaus eine Art von Geburtssituation in der Stadt. Ich meine jetzt gar nicht so sehr nur vom Geld her, weil wir haben dann eh sehr viel selber aufgestellt, aber wir haben sehr profitiert von diesem kulturell eher zeitgenössisch orientierten Denken, das ist ganz positiv für die Institution gewesen. Ansonsten finde ich, dass es ein gutes Programm gegeben hat, gut meine ich im Sinne von interessanten Programmpunkten, die vorher nicht da waren, die aber nachher auch nicht mehr da sein werden. Das wäre dieser Ausnahmezustand, dass ein Jahr lang kulturell einfach ein anderes Niveau gespielt wird. Da waren Dinge dabei, die man nicht gemacht hat, Dinge die man gemacht hat, Dinge die einem gefallen haben und nicht gefallen haben. Es war einfach bedingt durch den kuratorischen Input von außen, durch das Geld halt die Möglichkeit in der Stadt gegeben, ein anderes kulturelles Angebot zu entwickeln. Was ich jetzt einerseits positiv finde, weil das einmal war, anderseits problematisch finde, dass es als einmaliges Ereignis von vornherein so konstituiert wurde. Du hast halt nicht 30 Millionen im nächsten Jahr und du hast auch möglicherweise die Player nicht mehr. Das ist auch ein Problem, dass du nur eine Zeit lang eine Mannschaft von außen arbeiten lassen kannst, weil irgendwann werden die lokalen Heroes unruhig, wenn sie nicht mehr dürfen. Das halten sie ein Jahr aus. Das Theater Phönix hätte es auch nicht zwei Jahre ausgehalten und das Landestheater hätte es auch nicht zwei Jahre ausgehalten, sondern: Weg, weg, jetzt sind wir wieder da. Da hast du ein Problem, wo du sagst, ich lasse das Ruder von mir aus ein Jahr aus, wenn ich zusammenkomme mit dem, aber nach einem Jahr möchte ich es wieder fest in der Hand haben. Das heißt, es wird ja von allen Seiten alles dazu getan, um den Ausnahmezustand wieder zu beenden und zur Normalität zurückzukehren. Das ist ein bisschen das Problem dieser Organisationsform von Kultur. Man braucht sie einerseits, aber anderseits sind letztlich über die Jahre gesehen so Modelle wie der steirische herbst besser, finde ich, für eine Stadt, weil sie – auch wenn sie sehr wechselweise sind in ihrer Qualität – eine bestimmte Nachhaltigkeit haben. Der steirischer herbst hat sich auch 30 Jahre lang von einem reinen Literaturfestival in ein reines Theaterfestival verwandelt. Das kann man jetzt positiv oder negativ finden, aber er hat trotzdem als steirischer herbst Mobilisierungskraft und man kann damit auch etwas machen, also einen Handlungsspielraum für Akteure öffnen, wie gut oder schlecht er auch immer ist. Aber das Format ist relativ gut aufgesetzt, weil er auch zwingt, immer wieder auf das zu reagieren und das ist bei einer Kulturhauptstadt nicht der Fall. Du kannst das nachher fallen lassen, dir die Hände reiben oder sagen: Ja, es war eh nichts, wie auch immer du das beurteilst, es ist weg, vorbei, finito. Und es gibt in einzelnen Punkten vielleicht dann den Versuch, Dinge weiter zu führen. Da muss man auch sehr genau darauf schauen, dass man da nicht alles fallen lässt, sondern versucht, manche Dinge vielleicht in einer transformierten Form weiter zu machen. Das waren jetzt zwei Dinge. Das dritte, was ich schon interessant finde, was ich auch gemeint habe mit dem Provinziellen, hat viel damit zu tun, dass man unter sich bleibt, dass man homogene Gruppen findet, in denen man sich bewegt, wo es einen hohen Konsens gibt, wo man über die Anderen redet. Und eine Qualität der Arbeit, die wir da haben, ist ja immer wieder das, dass du mit Künstlern konfrontier bist, die einfach herkommen für ein paar Tage, für ein Monat usw. Das war bei der Kulturhauptstadt schon auch der Fall, dass da eine fremde Mannschaft kommt. Ich glaube, dass bei dieser Ablehnung der Mannschaft äußerst unterschiedliche Gefühle im Spiel waren. Also vom xenophoben Ding bis zu vielleicht tatsächlich berechtigter Kritik oder bis zum persönlichen Nichtverstehen. Aber das beruht alles darauf, dass etwas Fremdes in die Stadt kommt. Und wenn etwas Fremdes in die Stadt kommt, dann finde ich es immer eine interessante Situation, weil das diese eingefahrenen Dings irgendwie aufsprengt. Das habe ich gut gefunden an der Kulturhauptstadt, von mir aus auch den Konflikt, weil da Konfliktkultur in einem bestimmten Ding entstanden ist oder zumindest auf einer Diskursebene – in der Ablehnung und in der Zuwendung – die es sonst noch viel marginaler gibt, wenn nämlich immer nur – nur meine ich nicht abwertend – im gelernten System von Interessensgruppen gefordert wird, aber nicht im Sinne eines Diskurses. Das habe ich ganz gut gefunden. Eigentlich müsste man so eine Art Stadtbeobachter, also nicht Stadtschreiber, sondern Stadtbeobachter installieren, die ein bestimmtes Mandat und ein bestimmtes Forum bekommen und wenn es nur das ist, um das Spielverhalten, dass sie dann irgendwie aus ihrer Sicht der Dinge wahrnehmen, diese Sehgewohnheiten ein bisschen aufzusprengen. Weil dieses Immunisieren nach außen ist schrecklich.

Wie schätzt du das Verhältnis von Hochkultur – Subkultur – Volkskultur in Linz ein?

Martin Sturm: Überspitzt formuliert, glaube ich, dass das ein bisschen ein Diskurs ist, der mich immer an die Kriegsgeneration erinnert, die 30 Jahre später noch vom Krieg redet, auch wenn er schon längst vorbei ist. Mir kommt es als ein historischer Diskurs vor. In der Form, wie sie als Begriffe existieren, glaube ich, dass es die nicht mehr gibt. Ich glaube, dass das eine typische, ganz scharfe Begriffsdefinition der 1970er-Jahre war, der Gründungszeit der Stadtwerkstatt, von subkulturellen Bewegungen, der Beginnzeit der KUPF, die ich selber eigentlich nicht mehr miterlebt habe, weil ich 1986 in Innsbruck war. Was sich da zwischen Mitte der 1970er-Jahre Mitte der 1980er-Jahre abgespielt hat, wie ich zurückgekommen bin, das war ganz interessant. Ich war ja der erste Sachbearbeiter für die KUPF. Damals hat Landeshauptmann Ratzenböck aufgrund dieser subkulturellen Bewegung institutionell reagiert, indem man im Förderbereich eine Stelle eingerichtet hat, die sich mit der Förderung der alternativen Kulturszene beschäftigt und ich weiß noch, innerhalb von fünf Jahren ist das Budget von 400.000 Schilling auf vier Millionen Schilling gewachsen, plus meine Kosten. Das war genau der Punkt, wo es bestimmte Reaktionsformen darauf gegeben hat. Die Zeit vorher, ich würde sagen 1970er-Jahre bis frühe 1980er-Jahre, war die Zeit, wo diese Begriffe sehr scharf formuliert worden sind und auch sehr abgrenzend formuliert worden sind. Wo nicht der Begriff Subkultur existiert hat, sondern der Begriff Alternativkultur. Ich kann mich sehr gut erinnern, für alle Beamten war das Stereotyp „alternativ“. Alternativ war Subkultur, das hat sich als Begriff total scharf in den Köpfen kristallisiert, von der Kleiderordnung bis zu dem, was du tust. Damals war Kabarett noch Alternativkultur. Beim Kabarett kann man es auch gut verfolgen. Kabarett Ende der 1970er-Jahre hatte eine vollkommen andere Funktion als das Kabarett heute im Posthof. Ich meine damit, dass man sehr stark mit historischen Begriffen operiert, aber nicht den Fehler machen darf, damit gegenwärtige Strukturen zu beschreiben. Man müsste die gegenwärtigen Strukturen analysieren, wie weit sich nicht Mischformen herausgebildet haben, wie weit es nicht in der sogenannten Hochkultur subkulturelle Formen gibt. Das heißt nicht, dass es nicht etwas Subkulturelles gibt, und etwas Hochkulturelles und etwas Volkskulturelles, als Zugänge und Phänomene, das ist vollkommen klar, aber ich glaube, dass sich die Inhalte und die Mischformen verändert haben.

Wenn du einzelne künstlerische Disziplinen wie Malerei und Grafik, Tanz, Theater, Musik, Literatur, Film, Fotografie usw. betrachtest: Wo würdest du meinen, wäre in der Stadt noch besonderes Entwicklungspotenzial vorhanden? Vielleicht junge Talente, eine disziplinäre Entwicklung, die zur Stadt passt usw.?

Martin Sturm: Ich würde da wieder das architekturforum als positives Beispiel nehmen, weil ich dem jetzt nicht so wahnsinnig nahe stehe, aber auch weil ich es interessant finde, weil ich das Gefühl habe, im Architektur- und Designbereich gibt es eine neue Generation von jungen Architekten, die sich viel stärker im Sinne eines social architecture an sozialen Prozessen interessiert und dass da ein großes Potenzial für die Stadt wäre. Die Stadt hat das Problem, dass das Image als Designstadt auch wieder aus den 1970er-Jahren stammt und dass das eigentlich vorbei ist. Ich meine, Helmuth Gsöllpointer ist eine historische Figur, die wichtig ist, aber die kann man nicht mehr ins gegenwärtige Feld übertragen. Aber da ist schon eine Generation nachgewachsen, die an der Gestaltung der Stadt – und zwar nicht nur im klassisch architektonischen Sinn, Architekturen bauen – mitwirken möchte. Da geht es auch um das Gestalten von weicher Infrastruktur, also zum Beispiel wie in einem Stadtteil eine Infrastruktur für Kinder aussieht. Was heißt Öffentlichkeit? Wie formiert sich das architektonisch? Wie formiert sich Architektur sozial? Solche Prozesse mit viel mehr Offenheit und Interesse. Da habe ich das Gefühl, dass es eine Generation oder ein bestimmtes Potenzial gibt, das sehr gut wäre für die Stadt, weil die da auch sehr stark in klassischen Mustern verharrt. Da sehe ich Potenzial, im Architektur- und Designbereich, weil diese Bereiche am ehesten vom Gesellschaftlichen her in der Lage sind, eine Stadt zu gestalten. Ich meine, ein bildender Künstler zum Beispiel machst einmal ein Kunst-am-Bau-Projekt oder ist halt temporär tätig, das ist eine temporäre Geschichte. Und letztlich finden die meisten entweder eine Heimstätte an der Kunstuniversität oder sie gehen weg. Das heißt, da hast du jetzt nicht so ein Entwicklungspotenzial in der Stadt. Aber ich glaube, einbringen in einen Stadt können sich wirklich solche Leute, die sich mit Sozial-, Design- und Architekturprozessen in einer guten Kombination beschäftigen, weil es um die Stadt, um die Umraumgestaltung geht, um die Community geht, um das Grüne in der Stadt,. Auch jetzt, die ganzen Geschichten mit den Tabakwerken zum Beispiel. Da finde ich, muss man hinhören, weil das ist eine jüngere Generation, da gibt es viel Potenzial.

Welche drei thematischen Schwerpunkte mit Kunst- und Kulturbezug werden zukünftig die größten Herausforderungen für die Stadt darstellen?

Martin Sturm: Ich würde sagen, öffentlicher Raum. Wie wird Kunst oder künstlerische Intervention, Ästhetik, im öffentlichen Raum sichtbar? Den darf man nicht nur den kommerziellen Gestaltungen überlassen und die Möglichkeit, da in so einer kleinen Stadt zu intervenieren, ist relativ groß, weil alle Handelnden bekannt sind. Öffentlicher Raum. Das zweite ist, was gibt es an dynamischen Möglichkeiten, an Ressourcen, die nicht sofort in einer Institution enden? Gibt es so etwas wie eine Produzentengalerie, wo viele Leute ausstellen können, wo es wechselnde Strukturen gibt? Wo nicht über 30 Jahre wieder 20 Künstler irgendwo drinnen sind, solche Heimstätten findet eh jeder. Aber gibt es so etwas wo etwas wie einen Think-Tank, der auch ästhetisch funktionieren kann. Wie könnte das aussehen? Was kann man da reinbuttern, auch mit Risiko? Also der öffentliche Raum und diese Open-Source-Geschichte. Und dann sicher eher auch künstlerisch gesehen ein Ausbildungsforum. Was für Defizite gibt es an der Kunstuniversität? Welche Ressourcen müsste man da noch locker machen, um so etwas wie eine Art Think-Tank zu stärken? Weil das letztlich auch nachhaltig ist. Wenn du das historisch an einem Beispiel siehst wie Laurids Ortner oder an jenen sieben oder acht Personen, die in Linz gelehrt haben und eine ganze Generation von Künstlern geprägt haben bis heute. Das heißt, es ist nachhaltige Struktur. Also Open Source, Think-Tank und öffentlicher Raum, das sind drei Themen, die man künstlerisch bearbeiten oder denken müsste.

Zu den einzelnen Themenbereichen. Zuerst zu Internationalität und Linz09. Inwieweit ist es überhaupt wichtig, dass sich Linz international als Kulturstadt positioniert?

Martin Sturm: Als Wirtschaftsfaktor ist es wichtig, sage ich jetzt einmal, und unter einem touristischen Aspekt ist es wichtig und als solches gehört es diskutiert. Ich würde es aber auch umgekehrt für noch wichtiger halten, dass man ein Anti-Provinzialitätsprogramm durch Internationalisierung fährt, dass man nicht in diese „Großbauernmentalität“ verfällt und sagt: „Wir haben da unseren schönen Bauernhof in Linz und da schauen wir, dass wir den möglichst schön herrichten, dass die Interessensgruppen alle genug haben, dass die soziale Lage verbessert wird und da tun wir halt am besten Wirtschaft in unseren Hof.“ Ich glaube, dass es total wichtig ist, dass es um den Austausch geht, um das Hinausschauen, um das Hereinkommen. Immer nur dann, wenn man sich diesen Fremdheitsprozessen, diesen Überschreitungen, diesen Grenzüberschreitungen stellt, dann ist ein prinzipielles Entwicklungspotenzial vorhanden, im Sinne auch eines geistigen Lebens einer Stadt. Das heißt, diese Internationalität ist auch wichtig für die Selbstidentität, für die Entwicklung von eigenen Vorstellungen.

Inwieweit hat Linz09 dazu beigetragen, dieser internationalen Positionierung Vorschub zu leisten?

Martin Sturm: Das Fenster ist weit aufgemacht worden, das war ein Beitrag von Linz09. Das Fenster ist aber auch wieder geschlossen worden und das ist das Problem dieser sogenannten Nachhaltigkeitsdebatte, dass dann wieder die alten Formate zurückkommen. Das Problem ist ein bisschen, dass diese Internationalität eine Struktur braucht, oder eine Nachhaltigkeit, dass sie sich nicht erschöpft in einem Jahr. Zum Beispiel, ich greife jetzt nur willkürlich ein Beispiel heraus, dieser Auftritt der südafrikanischen Gruppen unter der Eisenbahnbrücke, wo normalerweise im Sommer nur die Asphaltsstockschützen sind, aber die haben jetzt wieder zu 100 Prozent diesen interessanten Raum für sich in Beschlag genommen. Und das ist ja spannend, den zu öffnen und zum Beispiel so ein neues Theaterformat zu entwickeln, ein internationales, das auch so etwas wie Interkulturalität auf einer anderen Ebene ist, und das ist aber wieder vorbei. Das ist irgendwie ein bisschen das Problem. Es ist so, wie wenn du einen Raum einmal lüftest und dann wieder zumachst. Dann musst du das Fenster wieder aufmachen.

Und die Strukturen, die das längerfristig tragen können, die sind nur ansatzweise da?

Martin Sturm: Nicht nur ansatzweise. Eine ganz positive Struktur finde ich das Salzamt, weil das genau strukturell eigentlich so etwas legt, wie dieses Residence-Austauschprogramm. Es geht genau in diese Richtung, ein Fenster zu öffnen und dynamisch zu beleben und zwar nicht nur einmal, sondern in einem permanenten Prozess. Wie stark das dann sichtbar wird in der Stadt, ist eine zweite Frage. Derzeit bleibt es halt noch sehr stark als Insel auf das Salzamt beschränkt, aber wenn es einmal passiert, dann ist das Potenzial da. Die Linz-EXPOrt-Stipendien finde ich sehr gut, also alle Dinge, die dazu dienen, Leute auch wegzuschicken oder hereinzuholen, und die strukturell verankert sind. Das wäre eine Aufgabe für den Kulturentwicklungsplan.

Aber es kann sich nicht erschöpfen mit den Artists-In-Residence-Programmen, dem Linz EXPOrt und Linz IMpORT, oder? Es braucht schon noch weitere Maßnahmen in der Stadt, um den Kunst- und Kulturbereich international zu öffnen. Was würdest du dir da noch vorstellen?

Martin Sturm: Ich glaube, in einer guten Kombination, wo Linz09 ein gutes Beispiel gesetzt hat, das war, diese internationale Produktionen herzubringen, die aber nicht in einem normalen Tourneeprogramm nur funktionieren. Du hast im Posthof bei den TanzTagen sehr gute norwegische oder schwedische oder nordukrainische oder finnische Gruppen da, nur die erscheinen einen Abend und sind dann wieder weg. Wenn dann musst du auch die öffentlichen Räume mit dem irgendwie aufladen, du musst das irgendwie anders organisieren, dass die stärker als Teil der Stadt erscheinen. Ich meine, so komisch das klingt, aber in einem bestimmten Sinn hat sich das LinzFest durch das Abgrenzen vom Kronefest in diese Richtung ein bisschen entwickelt, dass du dann plötzlich Bühnen im öffentlichen Raum hast, wo ganz bewusst auch, was weiß ich, irgendwie Gipsy-Musik oder irgendein Afrika-Thema plötzlich erscheint, das irgendwie sichtbar wird in der Stadt. Das, glaube ich, wären Veranstaltungsformate in einer anderen Weise, die sich anders organisieren als im herkömmlichen Tourneebetrieb. Das wäre zum Beispiel eine Möglichkeit. Und so komisch auch das klingt, aber so Sachen wie bei Crossing Europe oder bei der Ars Electronica, wenn 400 internationale Journalisten und Filmschaffende in Linz sind und dann am Hauptplatz einen Kaffee trinken und man vorbei geht und sagt: „Super, jetzt habe ich irgendwie das Gefühl, ich bin in einer internationalen Stadt.“, das sind Dinge, die sind gut, die bringen ein anderes Bild, einen anderen Geist in die Stadt. Ich kann jetzt nur Anknüpfen an Dinge, wo ich mir denke, dass sind atmosphärische Erfahrungen von Internationalität, die ich für ein Stadtleben insgesamt wichtig finde. Das gehört irgendwie ausgebaut, da muss man darüber nachdenken. Was kann man außer Residence-Programme und Förderprogramme noch machen? Ich weiß nicht. Zum Beispiel haben wir oft irrsinnig viele Künstler da, die total super sind, aber die bekommen keine Öffentlichkeit, weil die sind halt da, machen ihre Arbeit und nach zwei Wochen fahren sie wieder. Ich meine, im besten Fall bekommst du sie zu einem Gastvortrag an die Universität. Aber wie könnten die irgendwie intervenieren in der Stadt, in der Zeit, wo sie da sind? Das habe ich mir schon oft überlegt, dass das irgendwie schade ist. Und das sind ja nicht nur wir, da gibt es ganz viele Einrichtungen, wo das unter der Wahrnehmungsschwelle bleibt.

Das hat bereits zu tun mit dem nächsten Themenbereich. Raus aus den Häusern und aus den Initiativen, Einrichtungen, und rein in den Stadtraum. Das hat etwas mit Kunst im öffentlichen Raum zu tun. Meine Wahrnehmung ist die, wenn in Linz Kunst im öffentlichen Raum passiert, dann im Rahmen von Festen und Festivalformaten, hingegen wenn es um kleine, temporäre, kurzfristige Projekte geht, dann ziemlich selten. Kunst im öffentlichen Raum ist vom Themenbereich auch mit Kunst und Bau verbunden. Wenn man sich etwa die Diskussionen in Wien in den letzten Jahren ansieht, dann ist man von Kunst und Bau schon weg in Richtung Kunst im öffentlichen Raum. Wie beurteilst du die derzeitige Situation von Kunst im öffentlichen Raum in Linz?

Martin Sturm: Diese klassische Form des Kunst am Bau ist halt eine der wenigen ökonomischen Einnahmequellen für Künstler. Insofern ist das total wichtig. Was ich aber für problematisch halte, ist, dass die Organisationsform nicht State of the Art ist. Also es gibt bedeutend effizientere Modelle, Beispiel Niederösterreich. Das betrifft nicht nur die Stadt Linz, sondern auch das Land Oberösterreich. Meiner Meinung nach war da nie wirklich ein Fokus drauf und da hat es auch nicht den politischen Willen oder das politische Bewusstsein gegeben, dass man da etwas strukturell verändern muss, was vielleicht in anderen Bereichen der Fall war. Niederösterreich hat da meiner Meinung nach irrsinnig viel gemacht und ist total, also nicht durchgehend, aber wirklich erfolgreich, durch dieses Sammeln, dass jeder einige Prozent zahlt oder auch nicht, dass das Geld in einen Topf kommt, dass es eine Jury gibt, dass man ansuchen kann, dass das nicht arithmetisch verteilt wird. Manche Bauwerke haben null Kunst am Bau, dafür haben andere etwas total Überproportionales, so dass man ähnlich wie bei einer Raumordnungsdebatte, bei Stadtteilentwicklungen, nicht nur sagt, das Künstlerische ist halt dann das, dass ich irgendwie überall eine Blume draufklebe und das gehört dazu, sondern dass ich mir überlege, was für Strategien gibt es da, wo macht es einen Sinn, wo macht es keinen Sinn? Da finde ich, müsste man eigentlich nur einmal überlegen, was kann man von anderen Modellen lernen, die da funktionieren. Weil es ein wichtiger Teil ist. Ich würde fast sagen, Kunst am Bau, Kunst im öffentlichen Raum müsste man im Kontrast viel stärker prozessual, temporär, interventionistisch sehen. Ich glaube, dass zum Beispiel Führungen durch die Industriebrachen in Linz Kunst im öffentlichen Raum sein könnten, wo es um das Verändern von Wahrnehmunsgewohnheiten geht, wo es um das andere Anschauen von gewohnten Dingen geht, wo es um das schnelle Erscheinen und Verschwinden geht, wo es so ähnlich wie in der Konsumwelt funktioniert, die aber nur darauf ausgerichtet ist, einen Kaufappell zu befriedigen, dass auch eine Stadt sich künstlerisch immer wieder neu generieren kann, dass ich sage, es gibt auch die Möglichkeit, ich stehe in der Früh auf und fahre durch Linz und erlebe einfach etwas Überraschendes und nicht nur eine Skulptur, die für 30 Jahre da steht, sondern irgendeine Intervention, die am nächsten Tag schon wieder weg ist und ich mich frage, war die überhaupt da? Das Temporäre hat ja auch den Vorteil, dass es sich vom Verhalten, von der Wahrnehmung her einschreibt in etwas, das du als gelernt hast, als urbaner Konsument, Blicke, die du trainiert hast. Da kannst du auch gut anknüpfen. Das wären Strategien, die könntest du entwickeln.

Warum passiert das nicht in Linz? Ich meine die Ideen wären ja da? Es gäbe Potenzial, es gibt genügend Verbindungen zu Kunstgruppen, international und lokal, aber meine Wahrnehmung ist, dass wenig in Linz stattfindet.

Martin Sturm: Weil es keine Institution gibt, die sich dem Programm, dem öffentlichen Raum verschrieben hat. Damit ist das institutionell nicht verankert. Und weil dann Linz vielleicht auch zu klein ist für selbstorganisierte Künstlergruppen, die intervenieren. Eine Zeit lang gibt es das und dann ist das aber wieder weg. Wenn ich alleine an Wien denke, welche Kultur Oliver Hangl mit seinen Beschwerdechören dort in der Zwischenzeit aufgebaut hat und wie die aber auch interventionistisch auftauchen und arbeiten und wieder weg sind. Die verlieren sich nicht nach zwei Monaten wieder, weil es halt irgendwie eine Studenteninitiative war und jetzt geht einer von den Studenten weg und dann ist das Projekt vorbei. In einer Großstadt tust du dir auch leichter, immer wieder Energiezuströme für solche Praxen zu finden und institutionell bespielt jeder sein Haus in Wirklichkeit. Natürlich gibt es ein bisschen das Schielen auf den öffentlichen Raum, aber wenn du dir anschaust, wie wenig das Lentos den Vorplatz bespielt … Wir versuchen beim Höhenrausch mit einem bestimmten Format in einen bestimmten öffentlichen Raum zu gehen und auch das tun wir eigentlich erst seit drei Jahren und sonst gibt es so gut wie keine Initiativen. Es gibt es halt bei Festivals, das ist eh gut, aber sonst, von den bestehenden Initiativen gibt es niemanden der sagt: „Das ist mein Ding.“ Also im freien Bereich sehe ich das jetzt nicht als Hauptaufgabe. Es gibt ein bisschen dieses öffentliche Schaufenster in der Altstadt von maiz und Hans Kropshofer hat früher mit seiner Schaufenstergalerie ein bisschen etwas gemacht. Das sind Ansätze, ich will das künstlerisch nicht bewerten, aber die sind gut, finde ich, prinzipiell sind die gut, finde ich, weil die aus den homogenen Gruppen hinausführen und eine Reibungsfläche suchen, aber sonst ist halt Linz trotzdem sehr dominiert von den Weihnachtsmärkten und von der Architektur der Weihnachtsmärkte und von den Produkten. Der City-Ring macht die ganze Zeit etwas, also der öffentliche Raum wird mehr oder weniger konsumistisch bespielt und zwar durchaus nicht unerfolgreich. Was der City-Ring in den letzten zehn Jahren aufgestellt hat an Standkultur oder -unkultur, je nachdem, wie man das sieht, auf der Landstraße, mit den Regionen, die sich einladen – bei der Höhenrausch-Eröffnung ist, glaube ich, wieder das Elsass da – da ist sehr viel passiert, da ist der öffentliche Bereich auch sehr stark wieder benützt worden, und Krippenausstellungen, aber auch untypischer Weise über das Wirtschaftsreferat organisiert und nicht über die Kultur und das sich ein bisschen „parasitär“ festsetzt im öffentlichen Raum und dann wieder verschwindet und wiederkommt.

Nächster Themenbereich. Kunst- und Kulturvermittlung. Inwieweit bist du mit dem derzeitigen Angebot an Kunst- und Kulturvermittlung in Linz zufrieden? Was gefällt dir besonders gut? Und was überhaupt nicht?

Martin Sturm: Ich finde, dass es im konventionellen Sinn ein sehr gut ausgebautes Angebot gibt in der Kunst- und Kulturvermittlung, vor allem in der Kunstvermittlung. Das Lentos hat eine gute Kunstvermittlerin letztes Jahr engagiert, die auch durchaus internationale Erfahrung hat, das Landesmuseum macht das sehr ordentlich, aber das passiert alles innerhalb der Institutionen und es adressiert eigentlich nur die Gruppen, die bereits die Schwelle überschreiten. Das heißt, wenn du irgendwo reinkommst, dann gibt es gute Betreuer, das glaube ich. Das versuchen ja wir auch. Das kann man unterschiedlich sehen, aber ich glaube, da gibt es eine große Ambition, das zu tun. Das hat ja auch Peter Assmann jahrelang mit der Traumwerkstatt und der Möglichkeit, kreativ zu sein, vorgezeigt. Dieser ganze Bereich der Kunstvermittlung ist in der Zwischenzeit gut aufgestellt, da war immer ein Fokus drauf und der ist elaboriert, würde ich einmal sagen. Was komplett fehlt, ist der Vermittlungsansatz einer ästhetischen Erziehung für kunstferne Gruppen. Das ist genau das, was auch wieder eigentlich das Tragische an der Kunst ist, also die tragische Ironie, dass sehr viele Strategien der Kunst adaptiert worden sind von Agenturen, die das verwenden als ästhetische Strategie, um bestimmte kapitale Prozesse in die Wege zu leiten, um Vermarktungsstrategien zu entwickeln etc. Da wird in einem bestimmten Sinn das benützt, aber es gibt keine Möglichkeit einer emanzipatorischen, ästhetischen Erfahrung, es gibt so etwas wie ästhetische Erziehung nicht mehr. Das ist alles kommerzialisiert und dem übergeben worden, die das aber aus anderen Gründen, die sie eh nicht verheimlichen, aus anderen Motiven machen. Das, finde ich, ist ein großes Manko. Es hört die Kulturvermittlung bei der Museumstür auf und damit hast du wieder nur die bereits affinen Gruppen, die du erreichst. Die Leute, die draußen jeden Tag verbildet oder gebildet werden, wenn sie durch die Straßen gehen, die erreicht niemand und die adressiert auch niemand. Da finde ich, um das Beispiel zu erwähnen, einen Stadtspaziergang, Linz aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen, wo die Leute ansprechbar sind, weil die Tage der offenen Tür haben immer gut funktioniert in Linz, interessante Ansätze in dem Bereich, die es aber viel zu wenig gibt. Es macht sich in Wirklichkeit auch niemand Gedanken darüber. Das ist irgendwie kein Thema, wie kann ich eigentlich kunstferne Gruppen gewinnen? Als ästhetische Einrichtung müsste ich mich ja nicht nur um die Freunde kümmern, die zu mir kommen, sondern auch um die, die nicht zu mir kommen und sie nicht nur adressieren als mögliche Kunden, sondern sich überlegen, wie kann ich bestimmte Fragen der ästhetischen Bildung formulieren? Das überlegst du dir dann nur in der Schule und sonst gibt es nichts mehr.

Scheitert es nur an den Ressourcen? Bei Linz09 hat es zum Beispiel den Versuch der Kulturlotsinnen gegeben.

Martin Sturm: Ja genau, Kulturlotsinnen, die durch die Viertel geführt haben. Das sind alles Ansätze, das finde ich alles sehr gute Ansätze, da kann man sicher noch ganz viel machen. Das Projekt „I like to move it move it“ gehört da in einem bestimmten Sinn rein, auch wenn es natürlich ein Schulprojekt war. Aber alle diese Sachen habe ich sehr gut gefunden.

Dann scheitert es nur an den Ressourcen, denkst du?

Martin Sturm: Ich glaube, es scheitert zunächst daran, dass es eigentlich nicht im Fokus des Interesses ist. Die Vermittlung, die es gibt in Linz, die hat die Aufgabe, die Inhalte der Häuser zu vermitteln. Das ist deren Hauptfokus. Das andere interessiert sie vielleicht und sie hätten vielleicht auch etwas zum Sagen dazu, aber das sind Nebenprodukte, die nicht im Interesse der Institutionen sind, weil die müssen sich selber einmal verkaufen. Du siehst es ja an Peter Androsch. In dem Augenblick, wenn wer da ist, auch wenn er dann finanziell fast am Boden liegt, aber nicht ganz, wenn jemand da ist, der das Thema Hören und öffentlicher Raum weiterspielt und fokussiert, „Das ist mein Thema“, dann bleibt es auch ein Thema. Ich meine, dann verschwindet das zwar zwei Monate und auf einmal ist es dann wieder ganz dick da, dann ist es in allen Regionalnachrichten mit Kommentar und auf Seite eins und dann gibt es auch wieder Symposien und da bleibt es ein Thema, weil jemand einen Fokus darauf legt. Natürlich hat der ein finanzielles Problem, aber auf der anderen Seite brauche ich zuerst einmal jemanden, der mit einer Passion sagt: „Das ist mein Thema und auf das gehe ich jetzt los!“ Da hat es von Bosshard auch diese Hörspaziergänge gegeben, dann die Kulturlosinnen. Wenn sich da jemand draufsetzen und sagen würde: „Wir wollen weiterhin ein anderes Linz organisieren und möglichst viele Linzer auch zeigen.“, dann hättest du einmal etwas gemacht und dann muss man schauen, wie man die Mittel organisiert dafür, so wie Peter Androsch das ja auch machen muss. Aber zuerst brauchst du einmal jemanden, der sagt: „Das ist mein Thema, ich will das, ich mache Architekturführungen durch Linz.“

Warum gibt es eigentlich nicht mehr Vernetzung zwischen den Kunst- und KulturvermittlerInnen?

Martin Sturm: Weil das nicht notwendig ist. Warum sollte sich eine Vermittlerin vom Landesmuseum mit uns vernetzen? Warum? Aus einem persönlichen Interesse, das wäre ein Motiv, aber von ihrer Arbeitsstruktur her nicht, weil die hat da oben genug zu tun. Die haben 100.000 Besucher, das Landesmuseum soll möglichst gut betreut werden, das ist eine ausfüllende Aufgabe.

Ich würde entgegnen, weil es nicht nur um Inhalte geht, sondern auch um Prozesse, um Prozesse von Kunst- und Kulturvermittlung und dass ein Austausch zwischen den Kunst- und KulturvermittlerInnen dazu führen kann, dass die Qualität steigt.

Martin Sturm: Ja, das stimmt. Aber das ist wie ein Fortbildungsprogramm. Wenn du wirklich einen Austausch willst, dann müssten sie irgendetwas haben, woran sie gemeinsam arbeiten, dann müsste es ein Projekt geben, wo du sagst, Lentos, OK und Landesgalerie machen ein Community-Projekt im Franckviertel und das müssen die Kulturvermittler gemeinsam organisieren. Dann hättest du einen gelebten Austausch oder einen gelebten Prozess, der über das Vermitteln der jeweiligen abgegrenzten Strukturen hinausgeht. Das heißt, du landest wieder bei dem, was ich vorher gesagt habe, wenn du Schnittflächen schaffst – und die können nur im öffentlichen Raum sein, die können nicht in den Institutionen sein – dann bekommst du natürlich eine Dynamik rein, da kannst du ein vorhandenes Potenzial möglicherweise nutzen. Aber das wäre ein Projekt, das man anleiern müsste.

Quasi die Triennale herauslösen aus den Häusern?

Martin Sturm: Genau. Oder sagen, ein Community-Based Project, ein Kunstprojekt im Franckviertel machen, das vermittlungstechnisch gemeinsam betreut wird. Das ist auch die Falle eines Institutionalisierungsprozesses, dass einem die eigenen Institutionen sehr wichtig werden. Das ist ja irgendwie ein Grundproblem von den Tabakwerken. Die großen Player haben eh alle Hände voll zu tun, damit sie ihre eigenen Infrastrukturen bespielen, also ich übertreibe ein bisschen, aber dann bist du natürlich nicht mehr so offen, dass du sagst, gehen wir ins Franckviertel. Ich müsste einmal schauen, zu welchem Zeitpunkt die Stadtwerkstatt mit ihrem Projekt ins Franckviertel gegangen ist. Da war sie wahrscheinlich auch schon halbwegs draußen aus der eigenen Institution. Das war wahrscheinlich, wo der Institutionalisierungsprozess bei der Generation von Leuten finalisiert war, wo dann die Partie abgetreten ist oder es sich dann komplett gewandelt hat. Das ist sehr interessant, zu schauen, wo die Bruchlinien sind und welche Rolle dann die eigene Institution und der öffentliche Raum spielen. Ist ja auch bei uns so, das ist interessant. Aber bevor ich jetzt zu breit werde. Ich glaube, es ist wirklich ein Problem. Du musst, wenn du prozesshaft arbeiten willst oder über die Institutionen vernetzen möchtest, das Begehren dafür schaffen. Du musst irgendwie eine Schnittfläche schaffen, die wieder attraktiv ist für alle, dass sie sagen: „Ich will eigentlich eh raus.“ Das wäre zum Beispiel ein interessanter Gedanke, so wie beim Gelben Haus oder anders gedacht: Warum kann man nicht sagen, für alle Institutionen, sie sollen sich einmal etwas zum Franckviertel überlegen. Was kann das OK tun? Das ist vielleicht jetzt zu naiv, aber richte einmal den Scheinwerfer dort hin.

Danke für das Interview.

Dieser Beitrag wurde unter Interviews veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.