Vera Lujic-Kresnik

Geburtsjahr und Geburtsort?

Vera Lujic-Kresnik: 1963 Zenica in Bosnien und Herzegowina, eine große Industriestadt.

Du lebst in Linz?

Vera Lujic-Kresnik: Ich lebe eigentlich in Leonding. In Österreich lebe ich seit 1992 und in Leonding seit 1999.

Welche Aktivitäten und Funktionen übst du derzeit aus?

Vera Lujic-Kresnik: Bei migrare bin ich Abteilungsleiterin des Projektzentrums. Wir haben drei Zentren und das Projektzentrum leite ich, mit verschiedenen Aktivitäten, das heißt, ich bin für die Vorbereitung, Konzipierung, Umsetzung, Dokumentation von allen Bildungsangeboten von migrare zuständig, das heißt Workshops und Seminare. Und zum anderen bin ich auch für diverse Projekte im Bereich Integration und Migration zuständig, alles, was mit diesen Themen zu tun hat. Die Zielgruppen sind unterschiedlich, ob Migranten, Migrantinnen selbst, oder auch die österreichische Mehrheitsgesellschaft. Außerhalb von migrare gibt es diverse Netzwerke und Gremien, je nachdem welche Projekte gerade in der Umsetzungsphase oder in der Vorbereitungsphase sich befinden. Das sind ganz unterschiedliche Themen, soziale, arbeitsmarktpolitische, Bildungsthemen sehr stark jetzt in den letzten Jahren, Kulturthemen leider zu selten, hätten wir gerne, aber wie bei allen anderen Sozialeinrichtungen ist es nicht leicht, rein aus finanziellen Gründen. Solche Projektangebote und Ausschreibungen gibt es ganz selten zu unseren Themen Migration und Integration. Vor ein paar Jahren hatten wir ein großes EU-Projekt, das Projekt MIMEX, das war eine wunderbare Geschichte. Leider war das alles, was in diesem Bereich passiert ist. Eine kleinere Geschichte hat es letztes Jahr gegeben aus diesem Bereich, das war die Mitarbeit bei der Ausstellung „Der Rest ist Österreich“ im Museum Nordico, wo wir eine feine Aufgabe bekommen haben. Da haben wir uns schon gefreut, dass es etwas gegeben hat in diesem Bereich, eine kleine Bewegung.

Wie würdest du deine eigene Tätigkeit am ehesten bezeichnen?

Vera Lujic-Kresnik: Ich habe so viele Aufgaben und so viele Berufe, sowohl aus meinem ehemaligen Leben als auch jetzt, dass ich das nicht so leicht definieren kann. In meinem früheren Leben, das heißt alles, was vor der Einreise nach Österreich passiert ist, war ich Radiojournalistin. Bei migrare, bin ich unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit und Projektmanagement zuständig, sowie als Trainerin und zertifizierte Erwachsenenbildnerin für den Bildungsbereich. Das sind so viele verschiedene Bereiche und so viele verschiedene Tätigkeiten, dass ich mich nicht festlegen kann.

Mir geht es vor allem darum, dass ich eine halbwegs passende Bezeichnung finde, die für dich ok ist. Wenn da steht: Projektmanagerin, Erwachsenenbildnerin, Öffentlichkeitsarbeitsverantwortliche und Trainerin bei migrare, Mediendesignerin, Radiojournalistin. Würde das passen?

Vera Lujic-Kresnik: Das ist egal.

Einige Fragen zu migrare und da insbesondere zum Projektbereich. Welche Zielgruppen werden durch die Arbeit besonders angesprochen?

Vera Lujic-Kresnik: Je nachdem, welche Projekte und Angebote wir gerade haben. Wir haben Bildungsangebote, konkret aus dem Projektbereich, das sind Seminare und Workshops im Bereich der Sensibilisierung der österreichischen Bevölkerung, das heißt der österreichischen Mehrheitsgesellschaft, zum Thema Integration, Migration, Anti-Diskriminierung, Antirassismus-Arbeit. Das ist die Hauptzielgruppe. Andererseits haben wir auch Bildungsangebote speziell für Migranten und Migrantinnen in diversen Bereichen, zum Beispiel Kompetenzprofilerstellung oder Berufsorientierung für Jugendliche etc., Da ist auch sehr stark Bildungsarbeit verankert. Andererseits haben wir diverse Projekte zu unterschiedlichen Themen: Bildung, Arbeitsmarkt, Kultur etc. Die Zielgruppen sind auch unterschiedlich: Jugendliche, Arbeitslose/Arbeitssuchende, Frauen etc Ab und zu gibt es auch bei Gesundheitsthemen Angebote, wo wir mit anderen Einrichtungen kooperieren, zum Beispiel Pflege und Betreuung von älteren Personen. Wo wir im Moment nichts im Angebot haben, aber das ist sicher eine wichtige Zielgruppe, wo wir etwas anbieten würden, einfach ältere Migranten, Migrantinnen der ersten Stunde, die so genannten Gastarbeiterinnen, weil das ist eine ziemlich große Gruppe. Aber Jugendliche und Frauen stehen ziemlich im Mittelpunkt, Migranten, Migrantinnen.

Gibt es im Zusammenhang mit dem Bildungsangebot, vor allem mit Jugendlichen, auch Elemente, die mit Kunst und Kultur zu tun haben? Oder eher selten?

Vera Lujic-Kresnik: Eher selten. Hat es schon gegeben. Wir haben kleinere Angebote in Kooperation mit anderen Einrichtungen konzipiert und durchgeführt, da gab es ein Projekt: multiCOOLtour, Jugendliche haben verschiedene Workshops zu diversen Themen besucht, zu den Themen Sucht und Drogen, Berufsorientierung und Arbeitsplatzsuche bis zu Kultur, so richtig Kreatives, etwas entwerfen, konzipieren, sich Freizeit gestalten. Das war ein kleines Projekt, das auch honoriert wurde, hat einen Preis bekommen von der Stadt Linz. Wir haben auch im Rahmen von unseren Bildungsangeboten und Workshops mit Jugendlichen gearbeitet. Das haben wir laufend, diese Workshops und Seminare mit Schülern und Schülerinnen, wir bekommen häufig auch Klassen, in denen es viele migrantische Jugendliche gibt. Und dann, was uns besonders freut, wenn Synergieeffekte entstehen, nach einem Workshop beschäftigen sich die Jugendlichen, die Schülerinnen mit diesem Thema und entwerfen selber konkrete Angebote, zum Beispiel Spiele und Übungen zu diesem Thema. Da gab es auch ein kleines Projekt von einer HAK-Schule in Linz, nach unserem Workshop. Die haben Sachen entworfen für den normalen Unterricht. Das war in einem sehr kreativen Bereich und die haben auch einen Preis von der Stadt Linz bekommen. Ansonsten gibt es kaum Kultur, Kreatives in dieser Arbeit.

Auf welchen geografischen Wirkungsbereich zielt die Arbeit in erster Linie ab? Ist das der Großraum Linz oder Oberösterreichweit oder …?

Vera Lujic-Kresnik: Ganz Oberösterreich, wobei wir hie und da in verschiedenen Bereichen eine Vorreiterrolle haben beim Konzipieren und Entwerfen von diversen Projekten, so dass unsere Ideen dann in anderen Bundesländern übernommen werden, von anderen, ähnlichen Stellen, Schwestereinrichtungen, solchen wie wir.

Jetzt geht es weiter mit der kulturellen Entwicklung, Situation und Zukunft von Linz. Ich würde mit einem Assoziationsspiel anfangen und würde dich bitten, dass du dir vorstellst, irgendwo steht „Kulturstadt Linz“. Was würdest du frei damit assoziieren? Was würdest du dazuschreiben, wenn das wo steht? Egal ob es Einrichtungen, Namen, Begriffe, Themen, Inhalte, was auch immer ist.

Vera Lujic-Kresnik: Das ist schwierig. Natürlich ist die erste Assoziation die Kulturhauptstadt Europas und diese Schilder, die man noch immer sehen kann, an den Einfahrtsstraßen, wo ich mir denke: „Aha, die stehen noch immer da, das ist aber nicht mehr aktuell.“ Und dann gleich die Verbindungen zu der Zeit damals, in der wir gern mehr mitgemacht hätten, aber es war leider nicht möglich. Auf jeden Fall ist bei mir das Gefühl da, dass die ganzen Kulturangebote und diese künstlerischen Aktivitäten irgendwie an mir vorbeiziehen, und an uns als Einrichtung. Dass wir gerne mitmachen würden, mitmischen würden, aber es zieht an uns vorbei. Wir haben kaum Berührungspunkte. Für mich bleibt es eher bei optisch sichtbaren Symbolen, zum Beispiel das neue Theater, das gebaut wird, wunderbar, oder ein paar Begriffen wie zum Beispiel Schlossmuseum, wo aber nicht direkt immer wahrnehmbar ist, was tatsächlich im Museum stattfindet und passiert, oder das Museum Nordico, und immer ständig mit diesem Wunsch: „Wir wären gerne dabei. Wir würden gerne etwas auf die Beine stellen zu diesen Themen.“ Oder diese Erfahrung mit der Ausstellung „Der Rest ist Österreich“, wo es uns gelungen ist, ein paar migrantische Gruppen in die Ausstellung zu bringen als Besucherinnen, wo die Leute so reagiert haben: „Ich lebe seit so vielen Jahren in Linz und habe nicht gewusst, dass es so etwas gibt.“ Aber wenn man überlegt, das sind Menschen, von denen einige nach vielen Jahren immer noch mit existenziellen Problemen kämpfen und dann von denen zu erwarten sich auf der Spitze der Maslowschen Pyramide zu befinden und zu sagen, so jetzt gestalte ich meine Freizeit und gehe zu einer Ausstellung oder zu einer Eröffnung, Vernissage, Konzert oder was auch immer, das wäre unmöglich. Aber sie waren dankbar für diese paar Momente, in denen sie ihre Stadt für sich neu entdeckt haben und für diese Personen ist das die einzige Möglichkeit so was zu erleben. Das heißt, es ist irgendwo oberflächlich, zwar sichtbar durch äußere Merkmale, Transparente und Schilder und schön gestaltete Fassaden vorübergehend, aber das wäre alles, das bleibt leider dabei.

Wenn wir uns die letzten zehn Jahre in etwa vor Augen führen, also ab der Jahrtausendwende. Was ist deiner Meinung nach besonders gut in der kulturellen Entwicklung dieser Stadt gelaufen?

Vera Lujic-Kresnik: Was mich besonders fasziniert, und immer wieder, was wirklich sehr sehr markant ist, ist die Ars Electronica. Das ist ein echtes Wahrzeichen für mich persönlich, sehr subjektiv gesehen. Einiges dreht sich darum, nicht nur das Visuelle, sondern auch das Inhaltliche und das Wahrnehmen, dass wirklich ganz viele Menschen sehr wohl Bescheid wissen, was im Ars Electronica Center passiert, welche Angebote es gibt. Das heißt, die sind für mich sehr stark präsent.

Ich stelle gleich die Gegenfrage, ob es Entwicklungen gibt der letzten Jahre, mit denen du überhaupt nicht zufrieden warst?

Vera Lujic-Kresnik: Ja, das war das Projekt der Kulturhauptstadt Europas. Da waren wir sehr unglücklich, weil wir das Gefühl bekommen haben, dass wir nirgendwo eine Tür geöffnet bekommen haben, wo wir mit unserer Zielgruppe, mit Migranten, Migrantinnen etwas Kreatives anbieten könnten. Ich denke, Linz mit über 50 Nationalitäten hat das wohl verdient, bzw. die Migranten und Migrantinnen, die in Linz leben, hätten das verdient, dass das ein bisschen sichtbarer wird, dass es größere Projekte gibt. Das war eine riesige Geschichte und riesige Chance für uns und mein Gefühl war, dass einiges sehr bürokratisch abgelaufen ist, dass es kaum kreativen Raum gegeben hat für eine Entwicklung. Da sind eben Ansätze, dass man wirklich den Leuten diese Entwicklungsmöglichkeit gibt. Weil wenn man sich überlegt, da sind so wenige Einrichtungen wie migrare, die sich mit der Zielgruppe, mit diesen Themen Migration, Integration beschäftigen, und wir sind nicht in der Lage, aus vielen verschiedenen Gründen, alles anzubieten, das heißt, wir brauchen Unterstützung, plus die andere Schiene, das sind ethnische Vereine, das sind Migranten und Migrantinnen selber, die weder die Erfahrung haben, noch die finanzielle Möglichkeit haben, noch in der Lage sind, durch ihre Lebensgeschichten und Situationen, in denen sie sich immer befinden, immer auf dieser existenziellen Ebene, selber etwas zu schaffen. Wie ich zum Beispiel damals mitbekommen habe: „Ja, ethnische Vereine können auch mitmachen, sie sollen Projekte konzipieren.“ Ich meine, in ethnischen Vereinen arbeiten Menschen in ihrer Freizeit, das sind einfache Menschen, man muss überlegen, ein Konzept entwerfen. Das kann nicht jeder, da brauchen sie Unterstützung, inhaltliche, organisatorische, strukturelle, jegliche. Einfach zu erwarten, dass sie sich selber bewegen, ist ein bisschen zu viel. Diese Gruppe braucht Unterstützung und braucht einen speziellen Rahmen. Da würde ich mir wünschen, dass sich die Stadt Linz diesen Rahmen überlegt, diese Strukturen überlegt, wo der Einstieg in diesen Zug erleichtert wird. Weil wenn wir überlegen, in diesem kulturellen Bereich gibt es viele verschiedene Gremien, viele verschiedene Organisationen, Einrichtungen, und das sind hoch qualifizierte Personen, die eine gewisse Struktur haben, mit denen sie vertraut sind etc. Und wir haben MigrantInnen, die wirklich ihr Leben unter ganz schwierigen Umständen leben. Natürlich gibt es Migranten und Migrantinnen, die sehr wohl interessiert sind, die Gedanken haben, die Ideen haben, es gibt auch qualifizierte MigrantInnen, aber die Strukturen sind nicht vorhanden, also der Einstieg ist ganz schwierig.

Linz09 hast du jetzt erwähnt, die Erfahrung, die ihr bei Linz09 gemacht habt. Linz09 war sicher ein Projekt oder ein Versuch, Linz bekannter zu machen, zumindest auf der europäischen Landkarte als Kulturstadt zu positionieren. Inwieweit denkst du, dass Linz überhaupt als Kulturstadt wahrgenommen wird?

Vera Lujic-Kresnik: Allgemein gesehen, glaube ich schon … also das, was ich jetzt kritisiere, ist speziell dieser Bereich Migranten und Migrantinnen als Zielgruppen bzw. als AkteurInnen und Mitgestalter, Mitkünstler und -künstlerinnen, wenn wir jetzt schon neue Begriffe erfinden. Aber allgemein gesehen, als Kulturstadt sehe ich Linz schon. Und umso größer ist mein Wunsch, mein subjektiver Wunsch, dass Migranten und Migrantinnen partizipieren können in diesem Bereich, weil ja vieles angeboten wird, aber für uns Migrantinnen eben nicht erreichbar. Gar keine Frage, also Linz hat, wieder meine subjektive Meinung, und das was ich aus der Presse, aus der Öffentlichkeit wahrnehmen kann, einen wunderbaren, guten Ruf als Kulturstadt. Gar keine Frage, nur möchten wir mitmachen.

Wenn du das im Vergleich zu anderen Städten siehst, jetzt nicht Wien unbedingt, sondern eher Graz, Innsbruck, Salzburg, andere Städte, die ungefähr eine gleiche Größe haben, sie müssen nicht unbedingt in Österreich liegen. Womit denkst du, kann Linz da in kultureller Hinsicht punkten? Ist es nur die Ars Electronica? Oder gibt es da schon mehr?

Vera Lujic-Kresnik: Rein von der Infrastruktur, rein geografisch gesehen, ist auf jeden Fall dieser Donaubereich etwas Spannendes, was viel anbieten kann, mit dem Schlossmuseum oben, mit dem Ars Electronica Center, mit dem Lentos. Das ist schon für mich das Kultur- und Kunstzentrum. Aber wenn man das auch in Betracht zieht, dass Linz eine große Industriestadt ist, was mich wiederum an meine Heimatstadt erinnert, das ist auch eine große Industriestadt, mit damals, vor dem Krieg über 20.000 Beschäftigten im Stahlwerk, denke ich mir, ganz spannend – auch von der Bevölkerungsstruktur her, besonders wieder in Bezug auf Migranten und Migrantinnen – können auch diese Industriegebiete sein. Sie können etwas Spannendes anbieten, in welche Richtung auch immer.

Mich würde interessieren, wenn du dir drei Begriffe kurz vorstellst: Hochkultur, Sub- oder Alternativkultur und Volkskultur. Welchen Stellenwert haben diese drei Bereiche in der Stadt deiner Meinung nach?

Vera Lujic-Kresnik: Subkultur sehe ich ganz am Rande. Das ist meine subjektive Wahrnehmung, weil ich Subkultur sehr stark mit Jugend verbinde und das ist für mich nicht so wahrnehmbar. Aber ich denke, es sollte eigentlich einen höheren Stellenwert haben, weil Linz eine Stadt der Jugend ist, mit diesen vielen Bildungseinrichtungen, mit der Universität, der Fachhochschule in Linz oder in der Umgebung. Es sollte auch diese Möglichkeit anbieten, speziell zu unserer Zielgruppe, also von migrare, das sind die migrantischen Jugendlichen, Jugendliche, die kaum einen Platz haben. Ich denke, im Bereich der Subkultur hätten sie viel mehr Verbindungen, Verknüpfungen zu den österreichischen Jugendlichen. Weil das ist etwas, was ich nicht mag, immer wieder zu trennen und zu sagen, die österreichischen Jugendlichen und die migrantischen Jugendlichen. Aber offensichtlich ist das die einzige Möglichkeit, über die Gruppen zu reden. Ich denke, man trennt sie immer wieder und sagt „migrantische Jugendliche“, aber in diesem Bereich der Subkultur, das sind die gleichen Wellen, auf denen sie reiten. Da gibt es viel mehr Verknüpfungspunkte, wo sie sich viel leichter finden können und viel leichter etwas gemeinsam gestalten können als eine Generation, mit gleichen Problemen, mit gleichen Wünschen, mit gleichem Drang nach Anerkennung, und Sich-zeigen-wollen, ich kann auch etwas, uns gibt es auch. Das hätte ich gerne, weil das ist etwas, was eine Großstadt auch kennzeichnet und das gibt es für mich nicht. Volkskultur, Hochkultur, das ist schon eine bunte Mischung. Immer mit diesen großartigen Angeboten auf einem sehr hohen Level, wo ich das Gefühl habe, Linz strebt schon danach, so auch gesehen zu werden, anerkannt zu werden, mit wunderschönen Theaterangeboten, Konzerten auf einem Weltniveau …, aber da ist immer diese Verbindung zu Volkskultur für das „kleine Volk“, das ist schon spürbar … aber Subkultur fehlt. Es ist dann immer die Frage: Wie erfährt man von denen? Wo sieht man sie? Wer ist derjenige, der ihnen jetzt die Möglichkeit anbietet und der sie in die offizielle Kultur, in das offizielle Bild, Kulturbild der Stadt reintut und ausmalt und sagt: Die gehören auch dazu. Weil dieses migrantische Herz kann ich aus mir nicht herausreißen, auch wenn ich die Staatsbürgerschaft habe, aber da ist in mir sofort dieser Aufschrei: Wo sind die? Warum kann man ihnen nicht die Möglichkeit geben, sich sichtbar zu machen? Weil was ich immer wieder höre, das sind die meisten Rückmeldungen: „Die sind nicht aktiv, die wollen nicht mitmachen, das ist ihnen egal, die haben kein Interesse.“ Das kann ja nicht sein, die haben nicht die Möglichkeit.

Wenn du dir künstlerische Disziplinen vor Augen führst, von der bildenden Kunst, Grafik, Malerei, Bildhauerei, Literatur, Film, Fotografie, Musik, Videokunst, Tanz, Theater, es gibt ein ganzes Kaleidoskop an künstlerischen Disziplinen. Jetzt könnte man mit Blick auf Linz vielleicht meinen, dass überall mehr oder weniger Entwicklungspotenzial vorhanden wäre. Mich würde interessieren, ob aus einer Reflexion oder Diskussionen, die du vielleicht in den letzten Monaten oder Jahren geführt hast, du dir irgendwo gedacht hast, da gibt es eine künstlerische Disziplin, wo besonderes Entwicklungspotenzial liegen würde, wo du sagen würdest, da ist dir schon einmal aufgefallen, dass es da junge Talente gibt, etwas was zur Stadt passen würde, wo es auf der Hand liegen würde, das zu entwickeln?

Vera Lujic-Kresnik: Jetzt werde ich etwas sagen, was mir überhaupt nicht gefällt. Also der erste Satz wäre jetzt: Ja, da gibt es ein paar Bereiche, wo Migranten und Migrantinnen extrem große Potenziale haben, das ist zum Beispiel im Bereich der Literatur, weil da gibt es sporadisch literarische Abende, Gedichte werden vorgelesen, Kurzgeschichten, da gibt es schon Initiativen. Und der Tanz. Warum mir das nicht gefällt: Weil ich das Gefühl habe, dass wenn Migrantinnen eingeladen werden, um etwas zu gestalten, sind das genau die Bereiche, für die sie eingeladen werden. Schreibt etwas in eurer Muttersprache, das klingt so exotisch. Und die zweite Geschichte: Machen wir ein „Multikulti-Fest“, wo eine kurdische oder türkische oder bosnische Gruppe einen Tanz vorführt, weil die können das so gut und „das liegt ihnen in den Genen“, die können alle gut tanzen. Das ist genau das, was ich nicht mag. Aber das ist sichtbar und es ist nicht so, dass Migranten und Migrantinnen ihr Potenzial nur in diesen Bereichen haben. Es ist in der Öffentlichkeit nicht so bekannt, aber ich weiß es aus meinem privaten Leben, ich weiß es aus meiner Arbeit bei migrare, dass es viele Künstler und Künstlerinnen gibt, dass es Musiker auf höchstem Niveau gibt, dass es Maler und Malerinnen gibt, die schon als Maler und Malerinnen in ihren Heimatländern tätig waren, Bildhauer, Schauspieler, ob als professionelle Schauspieler oder Amateure, Personen, die gerne in diesen Bereichen etwas unternehmen würden, das weiß ich. Die Frage ist wieder nach der Struktur, nach den Möglichkeiten, diesen Plattformen, wo kann man ihnen das anbieten? Außer sie organisieren sich selbst, und das ist dann sehr laienhaft, sehr amateurmäßig, sie machen hier und da ein kleines Theaterspiel und versuchen, für sich eine Bühne zu finden, wo das dann sichtbar wird, wieder in einem kleinen Rahmen. Da kommen wieder Migrantinnen, Freunde, Bekannte und dabei bleibt es. Aber es gibt viel Potenzial, nur leider nicht sichtbar.

Wo es um diese Schienen geht, wie du zuvor bereits gesagt hast, die gelegt werden müssen. Der Zug, wo man einsteigen kann, die Schienen, die gelegt werden müssen, um das auf eine andere Ebene zu bringen.

Vera Lujic-Kresnik: Ja, aber wir haben noch keine Haltestelle, die ist noch nicht gebaut. Der Zug fährt nur vorbei.

Wenn wir uns von den Disziplinen wegbewegen. Wir stellen uns vor, du bist jetzt zuständig für den neuen Kulturentwicklungsplan und wir haben Künstlerinnen und Künstler aus allen Disziplinen eingeladen, unabhängig ob sie Migrationshintergrund haben oder nicht, auch Schnittstellenbereiche, Kreative, GrafikerInnen, DesignerInnen, ModemacherInnen, Bereiche, die mit kultureller Bildung und ähnlichem zu tun haben. Jetzt sind da hunderte Leute versammelt und wir haben nur einen Abend Zeit, um mit denen über kulturelle Themen, Themenschwerpunkte, kulturpolitische Themen zu sprechen. Welche Themen wären es deiner Meinung nach, die du hier besprechen würdest? Was würdest du gerne mit diesen hunderten Leuten diskutieren? Du hast vorher schon sehr stark themenbezogen gedacht und ein Thema, das durchgekommen ist, hat mit Interkulturalität zu tun, wie man diese Schienen, diese Plattformen, diese Verbindungen schafft. Aber welche anderen Themen wären das noch?

Vera Lujic-Kresnik: Weißt du, was ich mir wünschen würde? Wie ich diese Aufteilung erlebe, ob jetzt in Bezug auf die Kulturhauptstadt Linz09 oder in Bezug auf andere Konzepte und Projekte, da gibt es zum Beispiel den Theaterbereich, den künstlerischen Bereich, Malerei und Fotografie, da gibt es den Musikbereich und da gibt es den Integrationsbereich, den multikulturellen Bereich. Das ist genau das, was ich mir nicht wünschen würde. Ich würde mir wünschen, wenn diese Interkulturalität, diese Multikulturalität in allen Bereichen dabei wäre, ohne das gesondert herauszunehmen und zu positionieren: Das ist jetzt ein interkulturelles Projekt. Sondern dass selbstverständlicher Weise Migranten und Migrantinnen in all diesen Bereichen partizipieren als gleichwertige Mitglieder. Das in einem Kunstdesign-Bereich selbstverständlich auch Personen mit Migrationshintergrund sitzen und etwas für die Stadt Linz im Bereich Kunst und Kultur gestalten, ohne dass man immer wieder das extra betont und sagt: „Aha, das ist jetzt Multikulturalität und das ist jetzt ein Integrationsprojekt.“ Das wird immer getrennt, wird immer sonderbar positioniert, und ich fühle mich immer, wenn ich das sehe und höre, wie ein Fremdkörper, das ist immer etwas Künstliches, wie eine zweite Nase oder ein drittes Auge, Also ein Teil drinnen zu sein, von alledem. Das heißt auch im Bereich Mode und Kunstdesign und Fotografie und Schauspielerei oder klassische Musik, dass das selbstverständlich ist, dass der Bedarf nicht mehr besteht, das extra wieder zu erwähnen, sondern wir sind da und wir machen selbstverständlicher Weise mit. Ohne dass das irgendwo extra sichtbar sein muss. Da steht in einem Gremium ein Heinz Mayr und eine Vera Lujic-Kresnik, ohne dass jemand sagt. „Aha, Vera Lujic-Kresnik, in Klammern Vertreterin von Migranten und Migrantinnen.“ Seit 19 Jahren habe ich noch immer eine Vision, schwierig, extrem schwierig. Offensichtlich ist diese Zwischenphase ein Teil dieser Haltestelle, extra Migranten und Migrantinnen, bevor wir dann selbstverständlicher Weise in diversen Gremien sitzen, EntscheidungsträgerInnen werden, ganz normal partizipieren, ohne dass das immer hervorgehoben werden muss. Jetzt haben wir den Bereich.

Zu den einzelnen Themenbereichen. Mich würde interessieren, welche Förder- und Finanzierungsmöglichkeit migrare nutzt, vor allem wenn es um das Projektzentrum geht? Gab es da in den letzten Monaten oder Jahren auch Förderansuchen, die im weitesten Sinne mit Kunst und Kultur zusammenhängen? Egal ob sie auf Stadt-, Land- oder Bundesebene eingebracht wurden, ob es spezielle Programme sind oder auf europäischer Ebene?

Vera Lujic-Kresnik: Da gab es nur diese zwei Geschichten, das große EU-Projekt MIMEX, das war wirklich eine reine Kultur- und Kunstgeschichte, und dieses kleine multiCOOLtour-Projekt für und mit Jugendlichen. Die EU-Ebene bei MIMEX war eh vorgegeben, das Projekt wurde von der EU finanziert, der Rahmen hat gepasst und wir haben die Möglichkeit gehabt, uns da wirklich „auszutoben“ in diesem Bereich. Beim Projekt multiCOOLtour für und mit Jugendlichen war das ein kleines Projekt, das war mit minimalen finanziellen Mitteln aus unserem eigenen Budget, da haben wir keine extra Förderung gehabt, das heißt es ist nebenbei konzipiert, erstellt und durchgeführt worden. Weil wir engagiert sind, weil wir so viele Ideen haben, da haben wir ein kleines Loch gefunden, dieses kleine Projekt konzipiert und es war eine feine, gute Sache, aber hat uns viel Kraft gekostet. Weil wir ja durch unser Engagement das auf die Beine gestellt haben und nicht durch vorhandene Finanzierungen, weil es die nicht gegeben hat. Ansonsten war das alles in den letzten neun Jahren, ich bin seit neun Jahren bei migrare. Das war das Einzige. Und das Museum Nordico mit der Ausstellung „Der Rest ist Österreich.

Welche positiven Punkte fallen dir im Zusammenhang mit Förderung von Kunst und Kultur durch die Stadt Linz ein?

Vera Lujic-Kresnik: Ich kann dazu nichts sagen, weil ich zu wenig über die Arbeit weiß, in meiner Position einfach zu wenig. Das heißt, alles was da abläuft, sich entwickelt, ist mir überhaupt nicht bekannt.

Die nächste Frage ist eine sehr spezifische Detailfrage. Mich interessiert, ob es überhaupt irgendeine Antwort darauf gibt. Inwieweit bist du mit der Vergabe von Kunstwürdigungspreisen oder Kunstförderungsstipendien durch die Stadt Linz zufrieden?

Vera Lujic-Kresnik: Ist mir nicht bekannt, würde mich aber sehr interessieren.

Über die eigene Einrichtung hinaus denkend: Welche besonderen strukturellen Fördermaßnahmen wären deiner Meinung nach sinnvoll, welche die Stadt Linz noch setzen könnte im Kunst- und Kulturbereich?

Vera Lujic-Kresnik: Na ja, das ist ungefähr in diese Richtung, wie wir vorher gesagt haben: leider können wir dieses Thema Migration, Integration nur präsent machen, wenn es ein gesonderter Teil ist, dass wir speziell für diesen Bereich etwas konzipieren, dass wir speziell für diese Zielgruppe etwas anbieten, aber zumindest nicht nur als einmalige Geschichten, sondern dass zukünftige Projekte so konzipiert und angesetzt werden, dass sie eine Nachhaltigkeit haben, dass Migranten und Migrantinnen dann selbstverständlich partizipieren und teilhaben in der Zukunft an allem, was in diesem Kunst- und Kulturbereich in der Stadt Linz passiert

Trotzdem, auch wenn es an dieser Stelle etwas paradox ist, gibt es das Thema Interkulturalität, Migration, Integration. Mich würde interessieren, wie du die Entwicklung der migrantischen Kulturarbeit in Linz in den letzten Jahren einschätzt. Hat sich da für dich etwas getan?

Vera Lujic-Kresnik: Das ist ein ständiger, ewiger Kampf in diversen multiethnischen und migrantischen Vereinen, aus nichts etwas zu schaffen, aus diesen jämmerlichen Mitteln, die denen zur Verfügung stehen, und aus dieser wenigen Zeit, die sie zur Verfügung haben als hauptsächlich arbeitende Menschen, die sich in ihrer Freizeit und mit ihren begrenzten Erfahrungen aus diesem Bereich zusammen treffen und versuchen, etwas auf die Beine zu stellen. Ich denke, das muss man hoch schätzen und hoch anerkennen. Da geht aber bei jedem einzelnen diese Kraft verloren. Wenn zum Beispiel die Stadt Linz dieser Faden wäre, der die ganzen Kräfte vereint und zusammenbindet, da hätten wir viel mehr Möglichkeiten. Wenn wir wirklich von der Kultur reden, von Kunst und Kultur für die Zukunft, sollten wir das jetzt so planen, dass das in der Zukunft ein Bestandteil wird, dass nicht jeder für sich kämpft, sondern alle zusammen.

Die Vision ist sehr schön, die du zeichnest. Was wären erste Schritte, erste Maßnahmen, die du vorschlagen würdest, um das anzugehen? Welche Maßnahmen könnte die Stadt Linz setzen, um diese interkulturelle Vision zu forcieren, zu fördern?

Vera Lujic-Kresnik: Wenn wir ein bisschen zurück in die Vergangenheit gehen und das Integrationsleitbild des Landes Oberösterreich erwähnen, muss ich sagen, da habe ich mir sehr viel erhofft. Weil man hat in diversen Arbeitsgruppen zu diversen Themen sich einiges überlegt. Da gab es Reflexionen aus den jeweiligen Arbeitsbereichen, da gab es ein Zusammenkommen, da gab es Austausch und da gab es Lösungsansätze. Wie lange ist das her? Was haben wir bis jetzt? in der Broschüre, die in mehreren Sprachen herausgebracht wurde … jetzt bin ich auf der Landesebene, aber ich denke, diese Synergie-Effekte sollen wir nützen. Warum das Rad neu erfinden? Die Stadt Linz könnte sich auch Gedanken machen, könnten wir diese vorhandene Ressourcen irgendwie nützen, die AkteurInnen von damals mit einbeziehen, schauen, was da ausgearbeitet wurde und und und? Weil die Zeit läuft und vom Geld ist ja nicht so viel vorhanden. Das heißt, wir könnten das nutzen und wenn ich einen Blick in die Broschüre werfe, steht da „Kultur und Religion“. Warum müssen Kultur und Religion zusammenstehen? Aber wenn wir jetzt zum Beispiel Kultur gesondert betrachten, gab es da eine Liste an Maßnahmen, ein Maßnahmenpaket. Bis heute habe ich nichts von dem gehört. Aber ich denke, das wäre ein wunderbarer Ansatz, dass die Stadt Linz sagt: Ok, schauen wir einmal gemeinsam, wer waren die AkteurInnen von damals, was stand in diesem Maßnahmenpaket? Stellen wir eine eigene Struktur auf die Beine, einen Plan, einen roten Faden, holen wir uns die Menschen, die Interesse haben oder wenn wir den Zugang zu den Menschen nicht haben, schauen wir, welche Einrichtungen diesen Zugang haben, sprich migrare mit dem Zugang zu den Migranten, Migrantinnen, die in Linz leben, zu verschiedenen Einrichtungen, über diese Plattformen und Netzwerke, die wir kennen, in denen wir uns bewegen. Diese Strukturen und diese Rahmen zu nutzen, wäre sicher eine Möglichkeit, um einen Aktionsplan zu erstellen. Konkret beginnen: Wer braucht was? Welche Möglichkeiten haben wir? Wo können wir uns bewegen? Und Prioritäten setzen. Ob das jetzt zuerst im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit ist oder wo auch immer, bis es dann langsam in alle Disziplinen reinkommt und das irgendwie beginnt zu leben, weil das ist noch immer, glaube ich, alles in der Retorte, in der Anfangsphase.

Eine weitere Frage noch zu diesem Bereich Migration, Integration, Interkulturalität. Mich würde eine Einschätzung aus deiner Perspektive interessieren, wie du die Verbindungen zwischen den verschiedenen Kultureinrichtungen in Linz beschreiben würdest, die sich um das Thema Interkulturalität annehmen?

Vera Lujic-Kresnik: Die Zusammenarbeit besteht vereinzelt, immer wieder im Rahmen von diversen Aktionen und Projekten und Initiativen. Das heißt, die Plattformen, die Netzwerke gibt es, wir wissen Bescheid voneinander, es gibt hie und da Berührungspunkte, aber zu wenig. Weil jede Einrichtung für sich eben zu schwach ist in dieser Struktur, in diesem Rahmen, zu diesen Themen.

Und wie sieht es mit der Verbindung zwischen den migrantischen Initiativen und Vereinen und den nicht-migrantischen Kunst- und Kultureinrichtungen in Linz aus? Ist da irgendetwas für dich wahrnehmbar, wo du sagen würdest, da sind schon zarte Pflänzchen einer strukturelleren Verbindung irgendwo zu sehen oder ist das alles nur temporär?

Vera Lujic-Kresnik: Diese zarten Pflänzchen gibt es schon. Das ist genau das, wo man das dann irgendwie festhalten muss, dass das nicht verschwindet und dass das weiter wächst. Aber eben sporadisch, ist meine Wahrnehmung. Ich würde mir mehr in diesem Bereich wünschen, dass eine Verbindung zwischen diesen einzelnen, kleineren Vereinen und den größeren Kulturhäusern wie zum Beispiel die Museen, Nordico, Schlossmuseum, Ars Electronica entsteht weil die sind die Magnete. Da würde ich mir wünschen, dass wir dort auch auf die eine oder andere Art präsent sind, dass die Verbindungen und Zusammenarbeit stärker wird. Was ich wahrnehmen kann, ist auf jeden Fall, dass es großes Interesse von diesen Kultureinrichtungen gibt. Das habe ich auf jeden Fall in den letzten Monaten und Jahren wahrgenommen vom Nordico, Schlossmuseum, Ars Electronica Center, dass es sehr großes Interesse gibt, mit und für MigrantInnen etwas anzubieten. Das Interesse ist da, das heißt, sie nehmen uns, unsere Einrichtung und unsere Zielgruppen wahr und sie haben den Wunsch, da etwas anzubieten, aber offensichtlich haben wir alle miteinander keine passende Struktur dafür.

Zum nächsten Themenbereich. Kulturentwicklung, Kulturplanung, Evaluierung. Es gibt ja verschiedene Entwicklungspläne und Leitbilder. Das Integrationsleitbild des Landes Oberösterreich liegt vor uns am Tisch, es gibt das Kulturleitbild des Landes Oberösterreich, es gibt im Integrationsbereich der Stadt das Integrationspaket. Das hat alles mit Planungen zu tun. Auch wenn diese Planungen unterschiedlich aussehen, handelt es sich immer um Versuche, Leitlinien festzuschreiben, die für die kulturpolitische oder integrationspolitische Entwicklung dann mehr oder weniger maßgeblich sein sollen. Mich würde zuerst interessieren, inwieweit du über die Inhalte des Kulturentwicklungsplans der Stadt Linz aus dem Jahr 2000 informiert bist? Hast du überhaupt gewusst, dass es einen Kulturentwicklungsplan der Stadt gibt?

Vera Lujic-Kresnik: Ich bin da in Linz seit 2002. Irgendwann einmal, das liegt einige Jahre zurück, haben wir eine Einladung bekommen, im Rahmen der Entwicklung des Kulturleitbildes an einer Sitzung teilzunehmen. Da wurden diverse ethnische Vereine eingeladen und diverse Sozialeinrichtungen so wie wir, migrare, maiz war dabei, Vertreter von diversen ethnischen Vereinen,. Da gab es diesen einen einzigen Abend, nie wieder nachher haben wir Rückmeldungen bekommen von diesem Abend, nie Informationen bekommen von irgendwelchen Entwicklungen. Auf der städtischen Ebene kann ich mich an gar nichts erinnern.

Was bringt Kulturentwicklung oder Kulturplanung für eine Stadt wie Linz überhaupt deiner Meinung nach? Es gibt ja auch Gegenargumente, die meinen, es hat überhaupt keinen Sinn, eine kulturelle Planung durchzuführen. Das sei sowieso nicht planbar, es ändert sich alles viel zu schnell, da irgendetwas festschreiben zu wollen, sei nur vertane Zeit. Dasselbe würde auch für Planungen auf anderen Ebenen gelten. Dem Integrationsleitbild auf Landesebene könnte man ähnliche Vorwürfe machen.

Vera Lujic-Kresnik: Na ja, Vorwürfe dieser Art würde ich weder dem Integrationsleitbild des Landes Oberösterreich machen noch so einer städtischen Kulturplanung. Das ist wohl wichtig, so etwas festzulegen und schwarz auf weiß zu haben. Es mag sein, dass manche AkteurInnen so etwas nicht brauchen, aber es ist ein Faktum dass Migranten, Migrantinnen offensichtlich, leider, zumindest diese Form brauchen, dass man sagt: „Wir haben es schwarz auf weiß, wir haben es festgelegt.“ Das sind auch Mit-AkteurInnen in diesem Bereich. Und es ist für uns von enormer Wichtigkeit, genau wie das Integrationsleitbild des Landes Oberösterreich. Zumindest können wir uns in unseren Versuchen auf etwas berufen und sagen: „Das ist festgelegt worden, da waren wir uns, alle AkteurInnen, einig, und das ist das Land, das waren die und die Einrichtungen und Behörden und Ämter, die beteiligt waren, und wir wollen alle dieses Bild haben.“ Es ist eine andere Sache, was passiert in der Phase danach, ob das umgesetzt wird oder nicht. Genauso bei einer Kulturplanung. Offensichtlich brauchen wir das. Das heißt, wir brauchen einen Leitfaden, wir brauchen eine Planung, wo wirklich schwarz auf weiß festgelegt wird: Auch der Migrations-, Integrations-, Interkulturalitätsbereich ist Bestandteil und AkteurInnen müssen/sollen/werden partizipieren. Offensichtlich geht es nicht anders.

Jetzt ist die Frage, inwieweit die Maßnahmen auch umgesetzt werden. Wie soll deiner Meinung nach sichergestellt werden, dass Maßnahmen die in einem KEP festgeschrieben sind, tatsächlich auch umgesetzt werden?

Vera Lujic-Kresnik: Durch fix gebundene Akteure und Akteurinnen, die auch unterstützt werden, auch gefördert werden, in jeder Hinsicht. Dann kann man Pläne ausarbeiten, von mir aus fünfjährige Pläne oder wie auch immer, und Prioritäten setzen und sagen: „In diesem Zeitraum soll dies und jenes entstehen und das sind die fixen AkteurInnen.“ Wo jeder Akteur und jede Akteurin eine Verantwortung trägt und sagt: „Das habe ich übernommen, das muss ich auch umsetzen.“

Also nicht nur Ziele formulieren und Maßnahmen priorisieren, da geht es dann schon fast in Projektmanagement hinein: Welche Ressourcen, welche AkteurInnen?

Vera Lujic-Kresnik: Genau. Also vom „Hurra!“ schreien haben wir nichts. Wir werden alle euphorisch: „Jetzt haben wir einen Plan, das ist so schön, und eines Tages werden wir dies und jenes tun.“ Im Projektmanagement gibt es den Begriff „eines Tages“ nicht, sondern konkrete, festgelegte Zeitpunkte, bis wann soll was erfolgen?

Sehr gut. Danke. Wir sind am Ende angelangt, es war sehr aufschlussreich. Willst du noch irgendetwas Wichtiges mitteilen?

Vera Lujic-Kresnik: Ich habe immer etwas zu sagen, aber ich denke, ich habe so viel gesagt

Hast du noch irgendwelche Tipps für den partizipatorischen Prozess?

Vera Lujic-Kresnik: Ich denke, du wirst das schon zusammenfassen, was ich bis alles vorgetragen habe, aber auf jeden Fall bitte nicht vergessen: Wir möchten informiert werden. Information schafft Integration, da gibt es diesen Spruch. Auf jeden Fall, dass wir Bescheid wissen, was es gibt, damit die Möglichkeit besteht, dass wir überhaupt reagieren können. Das wäre ganz wichtig. Das haben wir bis jetzt kaum bis überhaupt nicht erlebt, dass wir als TeilnehmerInnen, als AkteurInnen von dieser Gesellschaft rechtzeitig und ausführlich über Aktionen, Vorhaben, Pläne, Absichten etc informiert werden. Wir sind genauso an dieser Gesellschaft beteiligt wie alle anderen und dafür brauchen wir Informationen. Das wäre ganz wichtig.

Danke.

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