Walter Schuster

Geburtsjahr und Geburtsort?

Walter Schuster: 1959, Wien.

Du lebst in Linz seit wann?

Walter Schuster: Seit 1990.

Neben deiner Tätigkeit als Direktor des Archivs der Stadt Linz, welche kunst- und kulturbezogenen Aktivitäten bzw. Funktionen übst du sonst noch aus, irgendwo in Gremien, Jurys oder ähnliches?

Walter Schuster: Ich bin Vorsitzender des österreichischen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung, das ist ein Verein, der sich, wie es der Name schon sagt, Österreichweit um die Stadtgeschichtsforschung bemüht und dann bin ich auch im Vorstand des Arbeitskreises der kommunalen Archivarinnen und kommunalen Archivare im Rahmen des österreichischen Städtebundes.

Wenn in einem Bericht dein Name steht, soll neben Direktor des Archivs der Stadt Linz noch etwas dabei stehen?

Walter Schuster: Nein, das reicht absolut.

Welche Zielgruppen werden durch die Arbeit des Archivs besonders angesprochen?

Walter Schuster: Wenn man das so formulieren kann, gibt es zwei Haupttätigkeitsbereiche, die natürlich miteinander zusammenhängen aber durchaus zu unterscheiden sind. Einerseits hat das Archiv die Aufgabe der Archivierung aller für die Stadt Linz wichtigen Unterlagen. Da geht es einerseits um die Servicierung der Verwaltung, laufend kommen Gemeinderatsprotokolle, Ausschussprotokolle usw. in das Archiv und werden hier archiviert. Das ist diese Rechtssicherheit oder Nachverfolgung von Kulturgut, alle die Stadtverwaltung im engeren Sinne betreffenden Unterlagen. Dazu sammeln wir aktiv alles Linz betreffende Material, das von historischer Bedeutung ist, über Firmen, Vereine, natürlich im Kulturbereich sehr viel und das stellen wir der wissenschaftlichen Forschung, historisch Interessierten, Schülerinnen, Schülern kommen immer wieder, Studierenden, zur Verfügung. Das ist ein Aufgabenbereich, dass wir also die Forschung und die Information über Linz für intern, für die Politik und Verwaltung, aber auch für Externe möglich machen. Das zweite ist, dass wir für Stadtgeschichte zuständig sind, das sind Forschungsprojekte, Publikationen, Ausstellungen, Internetauftritte, Vorträge. Wir haben jetzt eine Reihe im Deep Space im AEC. Das ist ein sehr vielfältiges Programm, wo wir eher offensiv an die Öffentlichkeit gehen und uns um alle Bereich der Stadtgeschichte von der Antike, vom Mittelalter an bis zur jüngsten Vergangenheit kümmern und dafür gibt es auch relativ viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Eine neue Aufgabe des Archivs soll ein Haus der Stadtgeschichte sein, eine Dauerausstellung zur Stadtgeschichte, die im Haus Pfarrplatz 8 stattfinden soll, wo bei Linz09 das Haus der Geschichten war, unter Einbeziehung der jetzigen, kleinen Dauerausstellung Linz Genesis, die ja unmittelbar benachbart ist. Es geht dabei sehr in Richtung Vermittlung, also nicht nur Forschung um der Forschung Willen, sondern auch um Vermittlung und da glaube ich, dass für dieses Segment von historisch Interessierten im weitesten Sinne, ob das Kulturtourismus ist, ob es Einheimische sind, ob es SchülerInnen, Studierende sind, so ein permanentes Haus, das sich wirklich nur mit der Stadtgeschichte beschäftigt, ein ganz wichtiges Projekt für die Zukunft ist.

Auf welchen geografischen Wirkungsbereich zielt die Arbeit in erster Linie ab? Ist das die Stadtgrenze von Linz oder geht es darüber hinaus?

Walter Schuster: Es geht sicherlich über die Stadtgrenze von Linz hinaus, weil wir Anfragen zu Linz betreffend, zu Linzer Persönlichkeiten, von ganz Österreich haben bzw. auch aus dem Ausland. Was bei unserer Arbeit allerdings schon drinnen ist, ist immer ein Linz-Bezug, ein Linz-Schwerpunkt. Wir machen nicht eine Geschichte Oberösterreichs ohne Linz oder wir machen nicht eine Geschichte Österreichs, sondern es steht schon der Linz-Bezug im Vordergrund, aber natürlich eingebettet in ein geografisches Umfeld.

Von der Tätigkeit steht natürlich im Zentrum die Geschichtswissenschaft, wenn man so will, Forschung, Archivierung, Präsentation, Vermittlung. Jetzt hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan, wenn ich mir das Archiv der Stadt Linz anschaue. Mich würde interessieren, wie du das siehst, wo die Hauptverbindungslinien zu künstlerischen Disziplinen oder kulturellen Arbeitsfeldern liegen. Mit welchen künstlerischen Disziplinen würdest du sagen, ist die Arbeit des Archivs verbunden?

Walter Schuster: Es gibt sehr viele Verbindungen. Eine Kollegin referiert heute im Deep Space über Denkmäler, wo man mit den technischen Möglichkeiten des AEC Einzelheiten in Denkmälern, Fresken, Dreifaltigkeitssäule usw. erkennen kann, die du auf einem normalen Foto und mit einem normalen Vortrag nicht erkennen kannst. Das ist für beide Seiten eine interessante Kooperation. Oder es geht um Frauen als Täterinnen im Nationalsozialismus am Freitag im Moviemento, da referiert auch eine Kollegin. Sie macht eine Einführung zu diesem Filmabend. Da sehe ich sehr, sehr viele Verbindungen und das ist nur das Programm dieser Woche. Unser Teil ist aber schon, das klingt jetzt nicht sehr innovativ, aber unser Teil ist schon der traditionelle, historische, wissenschaftliche. Das heißt, wir haben im Archiv die Akademikerinnen und Akademiker, das sind alles HistorikerInnen, die diese historische Expertise einbringen und die ist natürlich für ein künstlerisches Umfeld oder für Kulturschaffende als Basis für ihre Projekte oder als Teil ihrer Projekte interessant und das stellen wir zur Verfügung. Wir bleiben sozusagen in diesen „traditionellen“ Bereichen, versuchen aber natürlich in der Vermittlung, in der Präsentation, in der Kooperation neue Wege zu gehen und sehr offen zu sein.

Du hast bereits angesprochen, das Haus der Geschichte am Pfarrplatz 8, wo es eine räumliche Erweiterung des Archivs dann geben soll. Gibt es sonst in Bezug auf die vorhandene räumliche und technische Infrastruktur aktuell einen Handlungsbedarf, d. h. den Wunsch nach quantitativer Erweiterung oder qualitativer Verbesserung?

Walter Schuster: Das Haus der Stadtgeschichte ist etwas, wofür das Archiv zwar verantwortlich ist, das aber eine eigene Einrichtung ist, die vom Archiv geführt wird, aber jetzt die Aufgaben des Archivs erweitert. Aber ich würde es jetzt nicht unter Raumerweiterung sehen. Das Archiv hat 2,5 Millionen digitale Dokumente unter seiner Verantwortung, aber die analogen Daten überwiegen trotzdem noch und auch der Zuwachs an analogem Material kommt laufend hinzu. Also es ist ein großer Zuwachs. Ungefähr 15 Kilometer Regalfläche haben wir, analoges Material, und da sind wir wirklich an den Grenzen unserer räumlichen Ressourcen angelangt und wir sehen uns gerade um Außendepots um, was natürlich kein riesiger Vorteil ist, weil das dann personalintensiver ist, wenn man diese Außendepots betreiben muss. Im Neuen Rathaus ist aber leider kein Platz mehr, da stoßen wir wirklich an unsere Grenzen und das ist derzeit und sicherlich noch in den nächsten Jahren ein sehr großes Problem, eines der ganz großen. Das Schwierige ist natürlich, man muss überhaupt die Infrastruktur für ein Archiv schaffen. Das sind Rollregale, also da muss eine Infrastruktur sein, die ganzen klimatischen Probleme, dann muss diese räumliche Infrastruktur optimale Bedingungen bieten, das ist nicht leicht. Theoretisch kommt natürlich ein „neues Haus“ in Frage, aber das muss man sicherlich von der Stadt generell klären. Was macht man dann mit den Räumen hier? Das Archiv besitzt ja im ersten und zweiten Untergeschoß sehr viele Räume, das sind große Flächen. Was macht man nachher damit usw.?

Wie viele Personen sind im Archiv der Stadt Linz beschäftigt?

Walter Schuster: Es sind von den Posten und Stellen her, die fix im Archiv sind, 17 MitarbeiterInnen.

Gibt es so etwas wie ehrenamtliche Leistungen. Ich denke, wenn Projekte durchgeführt werden, dass dann vielleicht irgendwelche älteren Semester recherchieren und Ergebnisse zutragen. Gibt es so etwas in diese Richtung?

Walter Schuster: Ja, wir haben das gerade bei Pensionisten bei uns. Mein Vorgänger, Dr. Mayrhofer, arbeitet noch ehrenamtlich hier, noch ein älterer Kollege, der über 80 ist, Professor Puffer, arbeitet auch noch hier. Also es gibt schon einige Leute, die mit dem Archiv sehr verbunden sind und wirklich ehrenamtlich arbeiten. Was man halt bedenken muss, ist, dass wir schon einen sehr spezifischen Bereich haben, also wir sind in einem Bereich, der spezifische, ich möchte jetzt nicht sagen nur historische Ausbildung, aber vor allem eine archivwissenschaftliche Ausbildung braucht. Du musst ein Bild oder einen Akt beschreiben können, identifizieren können und dann in einer zeitgemäßen EDV-Infrastruktur erfassen können, zum Beispiel. Das ist schon eine Herausforderung, die nicht jeder erfüllen kann. Jemand, der nicht ein Insider ist, wird sich da schwer tun.

Zum Hauptblock im Interview. Ein kurzes Assoziationsspiel: Welche Begriffe fallen dir ein, wenn du an „Kulturstadt Linz“ denkst?

Walter Schuster: Das sind natürlich die Highlights der Kultur, wofür Linz heute steht. Das sind einerseits Einrichtungen, die wenn man so will, alt eingesessen sind und ständig weiterentwickelt wurden, wie das Brucknerhaus oder das Brucknerfest. Es sind genauso jüngere Einrichtungen, die ebenso weiterentwickelt wurden wie das AEC oder das Lentos. Das Schlossmuseum würde auch noch in diese Kategorie gehören. Es sind natürlich wirkliche Großprojekte wie das Landestheater, das sehr viel zu diesem Image beiträgt und auch klarerweise die Aktivitäten, die rund um das Kulturhauptstadtjahr waren. Also die dieses Profil gebracht haben. Es sind die Aktivitäten von Linz Kultur, ob das jetzt LinzFest oder Pflasterspektakel ist, die wirklich schon Trade Marks sind, die aus dem Kulturleben praktisch nicht mehr wegzudenken sind. Und gerade dieses vielfältige, eher innovativere Angebot von Linz, dazu gehört das Kinofestival und Moviemento. Dieser Mix ist natürlich schon sehr interessant und eigentlich sehr vielfältig.

Womit kann Linz deiner Meinung nach im österreichischen Städtewettbewerb punkten, vor allem im Vergleich zu ähnlich großen Städten wie Graz, Salzburg oder Innsbruck? Wird da Linz reduziert, wenn es um Städtewettbewerb geht, auf die Ars Electronica?

Walter Schuster: Na ja, die Ars Electronica und das Ars Electronica Center sind, glaube ich, schon einige der wenigen Dinge, wo Linz international bekannt ist. Das ist etwas, wo Linz in einem überregionalen Vergleich punktet. Das heißt nicht, dass für das heimische oder regionale Bewusstsein das andere unwichtig ist, aber wenn man sagt international und verglichen mit anderen Städten, was ist da an Linz besonders bemerkenswert, dann ist es wahrscheinlich schon das AEC und das Ars Electronica Festival.

Wie weit wird Linz überhaupt als Kulturstadt wahrgenommen? Du hast ja genügend internationale Kontakte. Denkst du, dass das dort ankommt, dass Linz Kulturstadt ist?

Walter Schuster: Was wir wissen, aus der objektiven, also durch Umfragen gestützten Wahrnehmung und aus subjektiven Wahrnehmungen, ist, dass es einen Imagewandel in den letzten Jahrzehnten gegeben hat. Sowohl was das Selbstverständnis der LinzerInnen über die Bedeutung ihrer Stadt betrifft als auch die Wahrnehmung von außen. Diese Veränderungen gehen in eine positive Richtung, dass Linz jetzt positiver wahrgenommen wird als noch vor Jahrzehnten. Es ist nicht mehr nur die Stahlstadt oder die Industriestadt schlechthin. Das wären sicherlich Assoziationen, die man früher mit Linz gehabt hat, das ist nicht mehr der Fall. Aber eine Mehrheit der Bevölkerung in Österreich oder von auswärts, dass man Linz als die Kulturstadt sieht, wird es jetzt nicht geben. Ich habe immer wieder erlebt eher diese Überraschung, wie vielfältig, wie toll das Kulturleben in Linz ist, wie toll die Einrichtungen sind. Viele kennen es auch gar nicht so und sind dann eigentlich positiv überrascht, wenn sie da sind. Ich glaube, dass dieses Image als Kulturstadt noch nicht so angekommen ist, aber ich habe es ja eher als Überschrift gesehen und nicht wirklich, dass man meint, dass Linz in erster Linie Kulturstadt ist. Das hat eigentlich Linz09 richtig gebracht, dass Linz nach wie vor auch Industriestadt ist. Linz hat eine vielfältige Funktion, sieht sich auch als soziale Musterstadt usw., aber der kulturelle Aspekt ist zweifellos in der jüngsten Vergangenheit deutlich stärker geworden und unterstrichen worden.

Kannst du ein Resümee von Linz09 anhand von drei Punkten geben?

Walter Schuster: Linz09 hat in einem Jahr oder wenn man den Zeitraum davor mitnimmt … die Entwicklung zum Kulturhauptstadtjahr war auch geprägt durch mehr Kulturleben, wenn man das hernimmt. Es hat noch nie punktuell so viel Geld gegeben für Kultur, was sich natürlich ausgewirkt hat in einer Menge hochinteressanter Veranstaltungen, in einer ganz hohen Öffentlichkeitswirkung. Es hat auf einmal für eine normale Ausstellung im Nordico ein schönes Budget gegeben, wo man gut arbeiten konnte und das ist zweifellos mehr als überdurchschnittlich gewesen, gemessen, was an Geld vorher oder auch nachher zur Verfügung steht. Das war sehr positiv. Und das hat für die Öffentlichkeit und sicherlich auch für einzelne Kulturschaffende und Kultureinrichtungen etwas gebracht. Wie weit es diese berühmte Nachhaltigkeit gibt, wie weit eine Nachhaltigkeit da ist, das ist schwieriger zu beurteilen. Ich wäre da sehr skeptisch, ob da so viel geblieben ist, nämlich für die einzelnen Kulturschaffenden und für die einzelnen Kultureinrichtungen. Vielleicht eine größere Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Kultur, das glaube ich schon, dass das geblieben ist, aber ob das insgesamt für die aktiv Beteiligten so groß war, ist die Frage. Da kommen wir zum nächsten Punkt: Hätte man mehr herausholen können? Und ich glaube, dass das schon, wenn man so will, ein Fehler von Linz09 war, von der Führung, dass man sich zu wenig bemüht hat, die Kultureinrichtungen oder die in Linz ansässigen Kulturschaffenden einzubinden und nicht versucht hat, mehr Projekte zu finden, die sich über Linz09 hinaus verlängern lassen, also dass es nicht nur einmalige Investitionen sind, sondern sich daraus etwas entwickeln kann, was tatsächlich die Linzer Kulturszene dauerhaft weiterbringt. Ich habe selbst solche Beispiele erlebt, wie „In Situ“, wo ich mit den Betreiberinnen oder den Initiatorinnen, weil ich das Potenzial gesehen habe, gleich am Anfang gesprochen habe, ob man das nicht gemeinsam machen könnte oder in Verbindung mit dem Archiv. Weil ich das Potenzial gesehen habe, das wäre nach Linz09 auch noch wichtig. Und da hat es eigentlich seitens Linz09 kein Interesse gegeben. Und jetzt sagt man: „Ja, eigentlich ist das schade, dass das weg ist.“ Das hätte man eben vor 2009 schon initiieren müssen und da kann man nicht einfach dann sagen, dann führen wir es weiter, schnell, schnell. Das muss schon vorher organisiert sein. Und das dürfte bei zahlreichen Projekten so gelaufen sein. Das ist schade, weil da wirklich mehr Nachhaltigkeit möglich gewesen wäre, und vor allem eine dauerhafte Einbindung der Einrichtungen und der Kulturschaffenden in Linz.

Wie schätzt du das Verhältnis von Hochkultur – Subkultur – Volkskultur in Linz ein?

Walter Schuster: Es ist wahrscheinlich nicht leicht, diese Begriffe scharf zu trennen und man kann lange über Definitionen diskutieren, aber das werden wir jetzt nicht tun. Ich werde versuchen, wirklich schnell zu antworten. Im Vergleich mit anderen Städten hat vielleicht die Hochkultur weniger Bedeutung. Die Salzburger Festspiele haben wir nicht, in Wien gibt es sicherlich auch mehr Hochkultur. Wir haben sicher eigene Dinge, die wir eingeführt haben. Klarerweise steht auch das Brucknerfest eher für Hochkultur, aber mir kommt das nicht so dominierend vor. Was die Alternativkultur betrifft, gibt es eine Reihe von Initiativen, wobei sich zum Beispiel die Frage stellt, wo etwa der Posthof zuzuordnen ist. Ist das wirklich jetzt noch Alternativkultur? Da kann man auch diskutieren. Aber es hat sicherlich sehr viele Initiativen gegeben und die haben überhaupt nichts mit Linz09 zu tun, die hat es vorher gegeben und die hat es nachher gegeben. Das traue ich mir jetzt gar nicht weiter einschätzen, das wäre unseriös, wenn ich mehr sagen würde, aber es ist auf jeden Fall deutlich wahrnehmbar, dass es das in Linz gibt. Was die Volkskultur ist, da tue ich mir jetzt wirklich mit der Definition am schwersten. Ist Geschichte, Stadtgeschichte Volkskultur? Ich bin mit diesem Begriff nicht wahnsinnig glücklich, es ist auch ein sehr alter Begriff, glaube ich, den man assoziiert mit Brauchtum usw. Für ein urbanes Umfeld wie Linz tue ich mir mit dem Begriff schwer. Wenn man meint, das sind traditionelle Kulturformen, die geisteswissenschaftliche, kulturhistorische Gebiete umfassen, versuchen wir es mit so einer Definition, ich weiß nicht ob du d’accord gehen würdest, dann denke ich, dass es da einen breiten Raum gibt. Da stehen natürlich das Landesmuseum, das Schlossmuseum dafür, das ist ausgebaut worden, wenn ich also an diese Techniksammlung oder die naturgeschichtliche Präsentation im Schlossmuseum denke. Es geht auch, würde ich sagen, in der jetzt von mir gewählten Definition – aber ich würde es grundsätzlich nicht unter den Begriff Volkskultur nehmen – die neue Ausrichtung vom Nordico in diese Richtung, kulturwissenschaftlich, kulturhistorisch. Für mich ist das Nordico bei Linz09 auch in diese Richtung gegangen, sozialwissenschaftlich, sozialhistorisch, da ist schon einiges drinnen, auch, wenn man so will, dieses Haus der Stadtgeschichte steht in der Schiene, wo mit modernen Präsentationsformen, modernen Vermittlungskonzepten, traditionelle Inhalte transportiert werden.

Wenn du einzelne künstlerische Disziplinen wie Malerei und Grafik, Tanz, Theater, Musik, Literatur, Film, Fotografie usw. betrachtest: Wo würdest du meinen, wäre in der Stadt noch Entwicklungspotenzial vorhanden? Wo junge Talente sind? Oder kannst du das nicht auf einige wenige Disziplinen festmachen?

Walter Schuster: Also du beziehst das nicht auf den Bereich der Kulturwissenschaften, über den ich lieber reden würde, sondern wirklich speziell auf Kunst?

Eigentlich eher künstlerische Disziplinen, aber der Begriff ist dehnbar?

Walter Schuster: Sagen wir so, da kenne ich mich besser aus, da habe ich mehr Bezug. Ich denke, dass von einer künstlerischen Perspektive zu beurteilen, da können wirklich KünstlerInnen mehr sagen. Von einer Außensicht her glaube ich, dass in der Stadt einiges geschehen ist, mit dem Salzamt, das wir vorher nicht erwähnt haben, Artists of Residence, dass da etwas passiert, um Künstler mehr in die Stadt zu holen bzw. hier zu halten, dieses Bestreben sehe ich. Ich sehe es auch im Lentos, wo ja immer wieder Kunst der allerjüngsten Vergangenheit bzw. Gegenwartskunst im Vordergrund steht oder mit dem OK. Zum Teil sind das Vermittlungsschienen wie Höhenrausch, die offenbar sehr viele Menschen in der Bevölkerung ansprechen. Das Lentos steht vielleicht nicht so für diese Schiene, aber das OK mit diesen Großevents schon. Das ist aber jetzt eigentlich keine Beantwortung, ob es von den KünstlerInnen ein Potenzial gibt, aber das wäre, glaube ich, unseriös wenn ich das beantworten würde.

Welche drei thematischen Schwerpunkte mit Kunst- und Kulturbezug werden zukünftig die größten Herausforderungen für die Stadt darstellen? Wenn du dir vorstellst, du wärst für die Erstellung des neuen Kulturentwicklungsplans zuständig: Was würdest du gerne mit den hunderten Künstlerinnen und Künstlern, den Kreativen dieser Stadt diskutieren?

Walter Schuster: Ich weiß nicht, ob es das richtige Thema ist, um in einem riesigen Kreis zu diskutieren, weil natürlich auch bei Kulturschaffenden Einzelinteressen stark gegeben sind, aber ich denke, dass es eine Komplementärseite braucht zu dieser starken Spezialisierung auf Technik, wo ja auch letztlich das Ars Electronica Center oder das Ars Electronica Festival sehr für Technik steht. Bei allen Inhalten, die sie transportieren, aber es ist sehr viel Technik. Wir haben auch die naturwissenschaftliche, technische Ausrichtung der Johannes Kepler Universität. Ich glaube, dass es mehr braucht im geisteswissenschaftlichen Bereich. Ich halte diese Diskussion um eine geisteswissenschaftliche Fakultät in Linz, die Johannes Kepler Universität zur Volluniversität zu machen, für sehr wesentlich, weil Linz die einzige Stadt in Österreich ist, die über eine Universität verfügt und keine geisteswissenschaftliche Fakultät hat, und das ist eigentlich nicht gut. Ich sehe auch die Katholisch-Theologische Privatuniversität nicht als Ersatz dafür, auch die Kunstuniversität natürlich nicht als vollständigen Ersatz dafür. Das hielte ich für sehr wichtig, dass diese Spezialisierung auf Industrie, Technik, Naturwissenschaften … dass die Geisteswissenschaften mehr Platz haben in Linz und das würde, glaube ich, auch dem Kulturleben und der Kulturentwicklung sehr zu Gute kommen. Wenn Linz jetzt eine Medizinuniversität bekommt, das mag sicher sehr berechtigt sein, aber das würde diese Situation nicht verbessern. Das wäre, glaube ich, ein wesentlicher Punkt. Das ist natürlich jetzt kein kommunales Thema, das die Stadt erledigen kann, aber ich halte das für etwas sehr wichtiges, dass wir ein geistig-kritisches Potenzial haben. Das hat man natürlich nicht nur durch eine geisteswissenschaftliche Fakultät, das ist klar, aber es würde das schon sehr unterstützen.

Welche zwei weiteren Themen würdest du gerne noch mit den Kunst- und Kulturschaffenden, KünstlerInnen, mit den Schnittstellenbereichen diskutieren wollen, wo du sagen würdest, das sind auch Megathemen?

Walter Schuster: Ein Megathema ist sicher die Finanzierung – ob man es in einer allgemeinen Diskussion sehr sinnvoll und vor allem ergebnisorientiert diskutieren kann ist die Frage. Da geht es um bestehende Kultureinrichtungen, zukünftige Kultureinrichtungen, um Kulturprojekte der Freien Szene, die Unterstützung für Kulturschaffende. Das ist das Megathema der Gegenwart, aber wird es noch mehr in der Zukunft sein. Und da muss man sich etwas überlegen. Wir haben in Oberösterreich sehr viele Gelder gebunden für das Musikschulwerk. Da werden viele sagen, dass das sehr richtig und sehr gut ist, nur ich glaube, man muss grundsätzlich schauen, dass man mehr Geld für die Kultur bekommen kann. Und wie verteilt man es? Das ist etwas, was man in einer großen Runde, mit allen Kulturschaffenden schwer diskutieren kann, weil die Eigeninteressen da sind, die sind auch nach Disziplin unterschiedlich. Aber das ist auf jeden Fall ein Megathema und wenn ich das verfolge, und ich verfolge es natürlich, diverse Kommentare in Medien, in der KUPF-Zeitung oder wo auch immer, dann ist dieses Thema zweifellos ein brennendes. Das ist auch sehr schwierig zu lösen, weil die Analyse des Ist-Zustandes ist ja so, dass die Kultureinrichtungen über Budgetkürzungen klagen und die Freie Szene ebenfalls. Also es ist sehr schwierig. Soll man sich damit abfinden oder kann man da wirklich keine Verbesserungen erzielen? Das ist die große Frage, die Verteilung der Gelder. Denn eines ist klar, die Kulturbereiche sowohl von den großen Playern wie dem AEC angefangen bis zu kleinen Kulturprojekten, die sind nicht selbsttragend. Da wird die öffentliche Hand als Financier weiterhin zur Verfügung stehen müssen.

Zu den einzelnen Themenbereichen. Zuerst zu Kulturentwicklung, Kulturplanung und Evaluierung. Inwieweit bist du über die Inhalte des Kulturentwicklungsplans aus dem Jahr 2000 informiert?

Walter Schuster: Die kenne ich.

Was bringt Kulturentwicklung und Kulturplanung für eine Stadt wie Linz eigentlich?

Walter Schuster: Ich sehe eigentlich keine Argumente dagegen. Ich denke, um das kulturelle und künstlerische Potenzial in einer Stadt zu fördern, ist es gut wenn man sich sehr viel mit Kultur beschäftigt und das stadtintern und in der Öffentlichkeit zum Thema macht. Das ist mit diesem ersten Kulturentwicklungsplan geschehen, es ist über Kultur diskutiert worden über einen größeren Kreis hinaus als es vielleicht einzelne Kultureinrichtungen oder Kulturmanager tun und das ist gut und das ist sehr positiv. Ich sehe überhaupt keinen Grund, der dagegen sprechen würde, warum man das nicht tun sollte. Ich glaube, es ist für alle Beteiligten, auch für die Politik, wichtig, dass das ein Thema ist, weil es gibt Grundsatzbeschlüsse über Wirtschaft, Soziales, Verkehr oder was immer und da ist es wichtig, dass die Kultur nicht fehlt.

Detailfrage. Wie bewertest du die Möglichkeit der Kulturverträglichkeitsprüfung, die im alten Kulturentwicklungsplan festgeschrieben ist?

Walter Schuster: Das habe ich jetzt weniger im Kopf. Es ist schon länger her, dass ich ihn mir angesehen habe. Was ich damals festgestellt habe, ist, dass er eigentlich sehr wenig konkret ist, also dass er sehr wenig konkrete Forderungen und Anliegen vertritt, die wirklich operationalisierbar sind. Ich habe ein anderes Detail im Kopf, korrigiere mich bitte, wenn es falsch ist. Damals war noch von der Neuen Galerie die Rede, das Lentos hat es noch nicht gegeben. Dass die Neue Galerie künftig Schwerpunkt Neue Medien haben sollte, das ist meiner Meinung nach nicht unbedingt erfüllt worden. Das war eine der für mich ganz wenigen sehr konkreten Forderungen. Deshalb habe ich das nicht … wüsste ich sonst nichts Spezifisches. Diese Kulturverträglichkeit habe ich jetzt nicht im Kopf.

Sie ist auch nicht wirklich umgesetzt worden. Grundsätzlich geht es darum, dass bei möglichst allen Entscheidungen immer geprüft wird, inwieweit die für die Kultur als solches verträglich sind.

Walter Schuster: Ich glaube, dass du Recht hast, dass das nicht umgesetzt worden ist, ich glaube aber schon, dass es eine verstärkte Sensibilisierung für Anliegen der Kultur gibt in anderen Bereichen. Das würde ich schon orten, ohne das jetzt konkret festmachen zu können und ich glaube schon, dass dazu der Kulturentwicklungsplan beigetragen hat. Ich merke das in der Stadtverwaltung, im Magistrat und das war auch im Vorfeld von Linz09 so, dass Kultur ein Thema war für Bedienstete der Stadt, die das vorher nicht so vertreten haben. Da sehe ich schon eine Sensibilisierung.

Wie soll sichergestellt werden, dass die Maßnahmen im neuen Kulturentwicklungsplan umgesetzt werden?

Walter Schuster: Das ist natürlich sehr schwierig. Wenn wir jetzt bei diesem Beispiel der Neuen Galerie bleiben, da weiß ich gar nicht, wie das hineingekommen ist damals. Das ist sehr problematisch, wenn du knapp vor der Pensionierung des alten Leiters und vor der Bestellung des neuen Leiters so etwas hineinschreibst. Das musst du quasi dann als Grundlage für die Bewerbung der neuen Leitung irgendwie festmachen, das muss jemand verfolgen, das ist sehr schwierig. Du musst, glaube ich, wirklich dann die Beteiligten im Boot haben. Das wäre schon intelligent gewesen. Wenn dieser Vorschlag von der neuen Leitung kommt und die neue Leitung das mit trägt, dann ist, glaube ich, sehr viel getan, um das tatsächlich umzusetzen. Das heißt, wenn es jetzt um das städtische Förderungswesen geht, dann müsste klarerweise der Kulturreferent und der Kulturdirektor als wesentlicher Player sich mit dem identifizieren, und dann ist diese Operationalisierung, die Umsetzung nicht so schwierig, außer die Finanzmittel stehen nicht zur Verfügung, aber die würden ja dadurch fast zur Verfügung stehen müssen. Ich glaube, man muss schon die direkt Betroffenen im Boot haben, sonst ist es schwierig. Um jetzt ein Extrembeispiel zu sagen, wenn jetzt irgendein Beschluss raus kommt, den der Kulturreferent als verantwortlicher Politiker exekutieren muss und der ist absolut nicht dazu bereit, ihn dann über den Gemeinderat oder über den Stadtkulturbeirat zu zwingen, das ist eine schwierige Sache. Das würde ich auch nicht empfehlen, das ist sicher in anderen Bereichen der Kultur genauso. Man muss sich schon auch realistische Ziele setzen. Wie können wir die umsetzen, also können wir die überhaupt umsetzen? Und dann diese maßgeblichen AkteurInnen oder EntscheidungsträgerInnen im Boot haben und natürlich detailliert ausarbeiten, wie schaut das dann konkret aus? Da bedarf es dann eines ergänzenden Papiers, aber ich glaube, das Grundsätzliche ist, dass die im Boot sind, dass man einfach Vorschläge diskutiert, die aus diesem größeren Pool kommen, aus diesen Workshops oder was auch immer geplant ist, und dass man die dann in einem engeren Kreis diskutiert, unter jenen, die wirklich dann verantwortlich sind für die Umsetzung.

So ist es auch geplant. Du hast gesagt, wenig Konkretisierungen und Operationalisierung. Siehst du das als Mängel des alten Kulturentwicklungsplans?

Walter Schuster: Man muss bedenken, dass der alte Kulturentwicklungsplan sehr innovativ war. Das hat es für keine Stadt in Österreich vorher gegeben zu dieser Zeit und er hat ja diese vielen positiven Auswirkungen gehabt, die ich schon angesprochen habe. Also zu sagen, dass der alte Kulturentwicklungsplan schlecht wäre, wäre völlig falsch. Nur sehe ich das im Vergleich mit anderen Bereichen der Stadt, wo ein Wirtschaftsprogramm gemacht wurde, ein Sozialprogramm, das so konkret war, dass man gesagt hat, man errichtet so und so viele Seniorenheime oder Betriebsansiedlungsgebiete oder Betriebsparks usw. Das ist ganz konkret heruntergebrochen worden bis zu den Kosten auch. Das mag natürlich im Kulturbereich viel schwieriger sein, aber man sollte es trotzdem versuchen, denn dann sind die politischen Instanzen, wenn sie so einen Beschluss herbeiführen, auch festgelegt. Und das hast du ja auch mit Beispielen gebracht. Beim Kulturentwicklungsplan steht das drinnen, aber so wenig konkret, dass nicht die konkrete Umsetzung dabei ist, das heißt es hätte abgeleitet werden müssen, wenn das ein Anliegen gewesen wäre. Ab jetzt sitzt im Stadtkulturbeirat ein Vertreter. So konkret müsstest du es festlegen als integrierender Bestandteil des Kulturentwicklungsplans, denn sonst hast du nicht diesen Grundsatzbeschluss des Gemeinderates dabei und sonst bleibt das womöglich auf der Strecke und insofern könnte man sich das jetzt für die Neuauflage durchaus zum Ziel machen, dass man so viel Konkretes wie möglich hinein bringt, damit dann auch wirklich die konkrete Umsetzung erfolgt.

Im alten Kulturentwicklungsplan sind „Neue Medien und Technologien“ als einer der Hauptschwerpunkte der kulturellen Entwicklung festgeschrieben. Inwieweit ist deiner Meinung nach die Stadt Linz diesem Schwerpunkt gerecht geworden?

Walter Schuster: Es ist wieder eine Formulierung gewesen, die so allgemein formuliert war, dass ja nicht dabei gestanden ist, welche Maßnahmen daraus abgeleitet werden. Also insofern kann man die Antwort differenziert fassen. Ich würde sagen, dass es da schon Schritte gegeben hat, mit diesen Hot-Spots, mit – wenn du willst – dieser Erweiterung des AEC, das fällt in diese Richtung, aber auch das OK. Es hat die Stadt Linz gerade in diese Open-Commons-Dinge schon Initiativen gesetzt, auch die IKT GmbH, die aktiv ist und vor kurzem im Wissensturm eine Veranstaltung dazu gemacht hat. Also es ist ganz stark ein Thema in der Stadt. Wo ich etwas skeptisch bin, es braucht auch ein Budget, um das umzusetzen. Wir sind als Archiv potenziell einer der Inhaber von Inhalten, die für Open Commons interessant sein können, nur weiß ich das vom tagtäglichen Betrieb, das ist gar nicht so leicht über das Internet diese Inhalte anzubieten. Wegen des Budgets, wegen EDV-Problemen usw. Das muss man dann irgendwie lösen. Das ist etwas, wo das große Konzept schon da ist oder zumindest gut klingt, aber man sich diese konkrete Umsetzung, selbst wenn man es dann wirklich vor hat und ich glaube, dass das politisch wirklich auch gewollt und unterstützt wird, dann wirklich sehr gut anschauen muss.

Wo liegen deiner Meinung nach die Stärken im Bereich „Neue Medien“ in Linz? Und wo die Schwächen?

Walter Schuster: Die Stärken sind sicherlich das Ars Electronica Festival und in diesem künstlerischen Bereich. Da bin ich über die Letztentwicklung zu wenig informiert, es hat sehr kurzzeitig ein Ludwig Boltzmann Institut gegeben, das sich mit der Archivierung dieser Kunstwerke im Bereich Neue Medien befassen hätte sollen, aber das ist dann nicht verlängert worden, für mich eher etwas überraschend. Sie haben, glaube ich, auch sehr wenig Konkretes auf die Füße gestellt, nämlich was diese Archivierungslösungen betrifft. Das soll das AEC irgendwie selbst machen, das weiß ich jetzt nicht, wie da der Stand ist, aber das ist natürlich auch eine wesentliche Sache, dass man diese neuen Medien archivieren kann. Das ist wieder eine große technische und organisatorische Herausforderung und da meine ich, dass da mehr Aufmerksamkeit darauf gelegt werden soll. Wir haben ja selbst, ich weiß nicht ob du das in diesem Maße weißt, ein relativ großes Videoarchiv, also sehr viele Filme gerade aus der jüngeren Zeit aus den letzten 10 oder 15 Jahren, wo Stadtentwicklung von Linz aber auch Linz09 ganz gut dokumentiert worden ist, in der Größenordnung von acht Terabyte. Also nichts absolut Riesiges, aber es ist schon eine Menge, die interessant ist. Ich denke, dass es da einiges gibt, das OK sich da sicherlich darum kümmert, das Lentos kommt mir weniger vor, ob das wirklich für Neue Medien steht. Da sehe ich das AEC als Flaggschiff.

Wenn wir uns den Bereich der freien Medien anschauen, es gibt ja, was das Radio, Fernsehen, Internet anbelangt, freie Medieninitiativen, teilweise aus dem NGO- und NPO-Bereich, aber auch im städtischen Bereich, so etwas wie den Public Space Server oder die von dir genannte Open-Commons-Initiative. Wo siehst du da noch besonderes Entwicklungspotenzial in Linz? Ist dir da etwas aufgefallen?

Walter Schuster: Das Entwicklungspotenzial besteht sicher darin, was ja schon angedacht ist, dass man sehr viele Inhalte kostenlos zur Verfügung stellt, das können Fotos, das können Videos sein, die dann für jeden benutzbar sind. Das klingt gut und da könnte Linz natürlich eine Vorreiterrolle einnehmen. Wenn man daran denkt, was alles im städtischen Bereich zur Verfügung ist, dann wäre das schon eine schöne Initiative. Ich denke, dass diese Entwicklung tatsächlich in diese Richtung gehen wird, dass Medien einfach frei benutzt werden können oder dass das eine sinnvolle Initiative ist, wo man in Österreich vielleicht restriktiver ist als in anderen Ländern.

Empfindest du das problematisch? Du hast ja die Diskussion offensichtlich verfolgt, wenn es um diese Open Common Regions geht. Da gibt es die Diskussion, inwieweit man das wirklich frei zugänglich machen kann, wo dann die Frage steht, inwieweit es noch zu Vergütungen kommt? Man darf da ja nicht nur das Bild der gut verdienenden KünstlerInnen im Auge haben.

Walter Schuster: Na ja, das würde auch unser Archiv sehr treffen. Wenn wir die Fotos, was wir ja im Moment nicht tun, gratis hergeben, dann entgehen Einnahmen und das ist bei der jetzigen Budgetsituation eine Katastrophe. Ich bräuchte die Garantie, dass ich im Budget keinen Schaden habe dadurch. Ich bin gezwungen, diese Einnahmen zu haben. Ein Bereich, der jetzt nicht mit den Neuen Medien zusammenhängt, aber mit dem freien Zugang, ist, dass das Landesarchiv seit einigen Jahren Eintrittsgeld verlangt, also nicht hoch, aber immerhin und das tun inzwischen eine große Zahl der Archive in Österreich. Wir nicht, ich habe mich dagegen gewehrt, ich bin dafür, dass der freie Zugang zu den Inhalten bleibt. Wenn man eine Kopie haben will ist das wieder etwas anderes, aber das würde ja bei Open Commons auch wegfallen. Das heißt, da musst du das quasi gratis zur Verfügung stellen. Da sehe ich schon einen Spagat, der im Moment nicht zu bewältigen ist, bei zu kürzenden Budgetressourcen oder wenn ich sehe, beim Archiv, ich muss ja diese Fotos digitalisieren, aufbereiten, beschlagworten, beschriften, also digital jetzt, das heißt, da ist ja sehr viel Aufwand dahinter und wenn ich da keine Einnahmen habe und mir die Stadt das nicht abdeckt, dann habe ich ein Problem. Es ist weniger jetzt im wissenschaftlichen Bereich, dass sich jemand Dinge, die im Internet sind, rausklaut oder dass aus Publikationen Dinge in dem Sinne geklaut werden, also an inhaltlicher, geistiger Arbeit, aber ich sehe es bei diesen realen Dingen wie Foto, Film, Audiomaterial tatsächlich, wenn man das gratis zur Verfügung stellt, dann hat man keine Einnahmen und mit dieser Schere, relativ viel Aufwand und Budgetkürzungen, kann das nicht gut gehen.

Nächster Themenbereich. Schule und Bildung und Wissenschaft. Wie schätzt du das Interesse von Linzer Schülerinnen und Schülern am bestehenden Kunst- und Kulturangebot ein?

Walter Schuster: Das ist jetzt, glaube ich, schwierig. Man muss unterscheiden zwischen diesen Schulklassen, die in Kultureinrichtungen kommen im Rahmen des Schulunterrichts, oder ob SchülerInnen selbst Kulturangebote wahrnehmen oder nicht. Mir hat der Kulturdirektor gesagt, seit dieser gratis Eintritt für Schulklassen ist in den Museen, sind die Besucherzahlen nicht gestiegen. Das heißt, das ist für mich ein Zeichen, dass dieser Gratiszugang auch nicht alles sein kann. Ich denke, dass es ein gutes Angebot für SchülerInnen in Kultureinrichtungen geben muss. Das müsste man auch in einem Haus der Stadtgeschichte sehr berücksichtigen. Wir denken an Workshops, die man gerade für Schulklassen dort machen kann, wo man nicht nur klassisch durch ein Museum geht oder geführt wird, sondern dass es auch ein Vermittlungsangebot auf diese Zielgruppe zugeschnitten gibt. Ich denke, solche Initiativen sind in Linz ausbaubar. Das gilt sicherlich für einige Museen.

Eine dritte Differenzierungsebene muss man noch dazu tun, neben Schulverbund und den SchülerInnen als Einzelpersonen, die das Angebot wahrnehmen können. Es gibt eine ganze Reihe an außerschulischen Bildungsangeboten, das reicht dann von der Musikschule bis zum Jugendzentrum. Welche Verbesserungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Kunst und Kultur fallen dir ein, wenn du an den außerschulischen Bildungsbereich für Kinder und Jugendliche denkst, zum Beispiel an Jugendzentren oder Musikschulen?

Walter Schuster: Wahrscheinlich ist es so, dass man wirklich auf zeitgemäße Vermittlungsformen wie Facebook oder so zurückgreifen muss, verstärkt, weil man diese Zielgruppen über normale Medien – dazu zählt ja schon das Internet – nicht erreicht. Ich glaube, dass das ein Thema ist, etwa für den Wissensturm, dass die älteres Publikum sehr sicher haben, jetzt im VHS-Bereich, aber Jüngere nicht unbedingt so stark vertreten sind. Das hängt, glaube ich, schon mit der Bewerbung und mit den spezifischen Angeboten zusammen, dass man einfach für Junge eigene Programmschienen und die Bewerbung in bestehenden Kultureinrichtungen fahren muss. Das hängt aber auch mit Ressourcen und Finanzen zusammen.

Den Punkt, den du gerade im Zusammenhang mit dem Wissensturm angesprochen hast, merkt ihr das beim Archiv auch? Also neue Zugangsformen zu Kindern und Jugendlichen vor überlegen? Ich gehe nicht davon aus, dass eine jüngere Generation den Weg ins Archiv sofort findet, oder?

Walter Schuster: Na ja, es kommt immer wieder vor, per E-Mail, ich schreibe da eine Fachbereichsarbeit oder ich muss ein Referat halten zu dem und dem Thema, bitte gebt mir Unterlagen. Das ist natürlich schon gegeben und das ist halt individuell nicht leicht für uns zu handeln, weil es ist ein riesiger Aufwand und vor allem fällt das den Jugendlichen meistens knapp vor dem Referat ein. Und im Archiv ist für die Beantwortung von Anfragen, auch in E-Mail-Zeiten, ein Zeithorizont von 14 Tagen oder zumindest einer Woche vorgesehen, weil du musst natürlich recherchieren. Es sitzt keiner da und wartet jetzt, bis eine Anfrage reinkommt, weil er muss seine normale Arbeit machen, zusätzlich die Anfragen und das muss er abarbeiten, das ist ganz schwierig. Und wir verlangen ja auch etwas, das ist ein Kompromiss, den inzwischen praktisch alle Archive machen, für längere Anfragebeantwortungen etwa, also die erste halbe Stunde Recherche ist frei und dann verlangen wir etwas. Das heißt nicht, dass die SchülerInnen damit konfrontiert werden, sie müssen etwas zahlen dafür, aber wir schaffen das nicht. Unser Ziel ist nicht, möglichst viele Anfragen an das Archiv zu haben, weil wir das arbeitsmäßig nicht schaffen. Wir müssen schauen, dass wir in unserem Angebot im Internet ausbauen. Da ist natürlich das Problem, wir haben keine eigene Homepage, sondern müssen unter dem Magistrat sein, mit allen Nachteilen, dass du in der Gestaltung nicht frei bist, aber wir haben sehr viele historische Inhalte von einer Zeittafel zu verschiedenen Themenschwerpunkten, Zeitgeschichte usw. Also das ist immerhin ein Angebot einer Grundversorgung, wo auch SchülerInnen etwas finden. Da sehe ich eine Möglichkeit mit einem Haus der Stadtgeschichte. Wir planen zum Beispiel ein Archiv der Erinnerungen, wo man sehr auf Zeitzeugeninterviews setzt. Das wäre für das AEC oder für irgendjemanden anderen eine schöne Sache der Umsetzung, dass du da wirklich recherchieren kannst zu gewissen Themeninhalten und hier dann Interviews präsentiert bekommst, die dazu da sind. Ich glaube, das wäre ein schönes Angebot für Schülerinnen und Schüler, gerade auch für Fachbereichsarbeiten oder Referate sehr unterstützend, ein schönes Angebot, wo du auch etwas machen kannst, wo du selbständig recherchieren kannst, dich dann auch im Haus zu diesem Zeitabschnitt, zu diesem Thema informieren kannst mit Objekten, Texten und so und dann gezielt mit Hilfe in diesem Archiv der Erinnerungen – so haben wir es jetzt einmal als Arbeitstitel genannt – recherchieren kannst. Deshalb sehe ich dieses Haus der Stadtgeschichte auch sehr stark als neue Vermittlungsform.

Welche Maßnahmen im Erwachsenenbildungsbereich (z. B. Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund, bfi, WIFI, Volkshochschulen, Bildungshäuser und -zentren, …) könnten deiner Meinung nach gesetzt werden, um das Interesse an Kunst und Kultur in Linz weiter zu fördern? Es hat sich ja einiges getan in dem Bereich, es ist nicht mehr nur, dass ein Kreativkurs für Glasmalerei angeboten wird. Da hat sich einiges getan, aber vielleicht kann man noch etwas anderes machen, um diese Verbindung zum Kunst- und Kulturbereich zu verstärken? Was meinst du?

Walter Schuster: Da habe ich natürlich Insiderkenntnisse, vor allem bei der VHS und dem Wissensturm. Wir machen seit vielen Jahren mit der VHS in Kooperation eine zeitgeschichtliche Vortragsreihe und da sieht man auch an dieser Reihe, dass der Wissensturm als Location einfach toll ist. Wir haben im Schnitt auch bei wenig prominenten ReferentInnen 70, 80, vielfach über 100 BesucherInnen. Das ist toll, weil ich nämlich noch vor 10 oder 15 Jahren Vorträge mit drei bis zehn Leuten gemacht habe. Da ist wirklich etwas weitergegangen und ich glaube, dass der Wissensturm eine wirklich sehr zielgerichtete, bewährte Einrichtung inzwischen ist, dass der wirklich ein Quantensprung war. Das ist wieder der Bogen zu ganz am Anfang, was verbindet man mit Kultur in Linz, da ist der Wissensturm, denke ich, ein ganz wichtiger Faktor geworden. Das war für mich zumindest in diesem Maße nicht vorhersehbar. Und auch diese Verbindung, VHS – Stadtbibliothek in einem Haus, das ist offenbar total gut aufgegangen. Wo ich den Eindruck habe, die hätten sicher gute Ideen für neue Formate, stoßen aber auch an budgetäre Grenzen. Auch für Marketing, Werbung, Öffentlichkeitsarbeit dürften dort sehr enge Grenzen gesteckt sein und vielfach bleibt das den Fachbereichsleitern über. Das kommt mir heute nicht mehr sehr professionell vor, dass da nicht wirklich eigenes Marketing, Öffentlichkeitsarbeit angesiedelt ist, sondern über diesen Weg Stadtkommunikation oder selber ein bisschen etwas tun. Ich glaube, dass da zusätzliche Personalressourcen zur Verfügung stehen sollten. Ich tue mir da leicht, weil es nicht mein Bereich ist. Aber das wäre dort nötig und du hast ja auch bei den Museen einen kaufmännischen Leiter noch extra und dann jemanden, der für Marketing und für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, obwohl sie auch noch unter dem Dach des Magistrates sind und da natürlich auch serviciert werden. Das würde sich, glaube ich, der Wissensturm mit diesem Potenzial auch verdienen. Da sind wir beim Kepler Salon. Der ist bei Linz09 fortgesetzt worden, aber das habe ich auch schade gefunden, dass man nicht versucht hat, auch im Vorfeld von Linz09, einfach mit der Volkshochschule, mit dem Wissensturm eine Kooperation in dieser Frage zu bekommen. Das würde ja nicht ausschließen, dass der Kepler Salon bestehen bleibt, als Location. Nur dieser naturwissenschaftliche Zweig, der vielfach im Kepler Salon Thema ist, der fehlt wieder in der VHS eher oder ist dort nicht stark betont. Da hätte ich mir mehr Verbindung gewünscht. Ich weiß nicht, wie der Kepler Salon jetzt auf Dauer finanziell abgesichert ist und wie er sich entwickeln wird, nur zumindest anfänglich hat es ja so ausgesehen, als ob es Schwierigkeiten gibt. Und die VHS ist auch budgetär reduziert. Das ist schade, dass man da nicht einfach gezielter gemeinsam Dinge planen und vielleicht auch finanzieren kann. Auf jeden Fall würde sich die VHS, der Wissensturm, mehr Unterstützung verdienen, was die Ressourcen betrifft. Weil er auch sehr viel Potenzial hat, jetzt auf unterschiedlichste Zielgruppen.

Wir sind am Ende angelangt. Eine Abschlussfrage noch. Auf was sollte bei der Erstellung des neuen Kulturentwicklungsplans besonders geachtet werden? Was den partizipatorischen Prozess anbelangt?

Walter Schuster: Ich glaube, dass man aufpassen muss. Über alle Themen diskutieren können natürlich alle und alle können zu allem Vorschläge machen, nur glaube ich, dass es dann in der Konkretisierung wichtig ist, dass man die im Boot hat, die wirklich für die Umsetzung nötig sind und dass es da keine Dissonanz gibt, dass die, die das umsetzen sollen, das gar nicht vertreten können. Damit ist eigentlich schon vorhergesagt, dass das schwer gehen wird und vielleicht ist dieses Beispiel mit Neuer Galerie und Neuen Medien gar nicht so schlecht, weil das hat man im alten Kulturentwicklungsplan reingeschrieben, weil man gedacht hat, das wäre wichtig dort, aber wenn man die Leitung nicht im Boot hat, dann wäre das ein Punkt gewesen, den ich weniger konkret gefasst hätte, wobei ich die Hintergründe nicht kenne.

Danke.

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