Wilfried Steiner

Geburtsjahr und Geburtsort?

Wilfried Steiner: 1960, in Linz geboren.

Du lebst in Linz. Seit wann?

Wilfried Steiner: Ich war, bis ich 19 war, in Linz und dann bin ich nach Salzburg gegangen und habe dort studiert und war insgesamt 20 Jahre dort. Seit 1999 bin ich wieder in Linz.

Welche kunst- und kulturbezogenen Aktivitäten und Funktionen übst du derzeit aus?

Wilfried Steiner: Da ist jetzt die künstlerische Leitung für Theater, Tanz, Kleinkunst und Literatur, was ich hier mache. Und dann halt als Autor auch.

Bist du in irgendwelchen Gremien oder Beiräten vertreten?

Wilfried Steiner: Nein. Natürlich unser eigener Posthofbeirat, aber zusätzliche Gremien gibt es nicht.

Auch nicht temporär in Jurys, die einen Linzbezug haben?

Wilfried Steiner: Nein. Ich war einmal zwei oder drei Jahre in dieser Jury für den Literaturpreis der Stadt Linz, den Kunstwürdigungspreis. Der wird alle zwei Jahre alternierend vergeben, also ein Jahr bekommt den ein Junger, wo man einreichen kann und das andere ist es dann der Würdigungspreis oder der Förderungspreis.

Wie würdest du deine eigene Tätigkeit am ehesten bezeichnen?

Wilfried Steiner: Ja, die künstlerische Leitung im Posthof für diese genannten Sparten einfach.

Und Schriftsteller, oder?

Wilfried Steiner: Genau.

Zum Posthof. Welche Zielgruppen werden durch die Arbeit besonders angesprochen deiner Meinung nach?

Wilfried Steiner: Na ja, es ist, glaube ich, eine irrsinnig breite Streuung bei uns, weil dadurch, dass wir fünf Sparten relativ groß vertreten und innerhalb der Sparten auch noch ganz unterschiedliche Leute ansprechen, kann man es fast nicht verallgemeinern. Es geht von den Kids, die sich irgendwelche Killerpilze ansehen bis zu den älteren Herrschaften, die sich dann halt einen Alfred Dorfer ansehen. Es lässt sich eigentlich schwer vereinheitlichen.

Vom geografischen Wirkungsbereich, wie würdest du sagen, ist der hauptsächlich?

Wilfried Steiner: Hauptsächlich natürlich schon Linz Stadt, aber immer wieder bei größeren Geschichten, gerade beim Tanz oder beim Theater oder bei großen Bands, kommen die Leute aus ganz Österreich her. Was da der prozentuelle Anteil ist, kann ich schwer sagen, aber es sind immer wieder Sachen, wo wir sehen, da kommen Leute von weit her, um das zu sehen. Das kommt natürlich immer darauf an, ob das wo anders in Österreich auch zu sehen ist oder nicht.

Gibt es in Bezug auf die vorhandene räumliche und technische Infrastruktur aktuell einen Handlungsbedarf, d. h. den Wunsch nach quantitativer Erweiterung oder qualitativer Verbesserung?

Wilfried Steiner: Na ja, es gibt einen ganz zentralen Wunsch. Das wären einmal drei Säle. Der große Saal und der mittlere Saal sind weitgehend parallel bespielbar. Was aber nicht parallel bespielbar ist, sind der kleine Saal und der mittlere Saal, weil der kleine Saal akustisch zu durchlässig ist. Wenn du eine Musikprobe hast, kannst du nicht im kleinen Saal gleichzeitig eine Theatergeschichte haben. Nachdem wir relativ viel machen, Produktionen mit der Freien Szene, das sich da bei uns entwickelt, wäre es natürlich ein Wahnsinn, wenn man den kleinen Saal so neu gestalten würde, dass da parallel etwas laufen kann. Das heißt, wenn ich ein Konzert im mittleren Saal habe, kann ich im kleinen Saal eine Theaterprobe haben. Da gab es einmal, das ist schon länger her, dieses großes Ziel, dass man diesen Saal – technisch kann ich es jetzt nicht genau sagen – so umbaut. Man muss ihn ein bisschen versetzen, ich weiß es technisch nicht genau, was man da machen muss, aber das Ziel wäre, dass der so umgebaut wird, dass diese parallelen Proben möglich wären. Dann könnten die nämlich auch durchgehend bei Produktionen, die bei uns rauskommen, proben bei uns. Das korrespondiert natürlich mit dem Probenraumbedürfnis der Freien Szene sehr stark. Wenn wir das machen würden, wäre das dafür gedacht.

Wie schaut es eigentlich aus mit Proberäumen? Es ist immer eine Diskussion, schon seit Jahrzehnten, Proberäume in der Stadt oder Proberäume im Posthof.

Wilfried Steiner: Ja, die Musikproberäume. Das wirst du wahrscheinlich mit Gernot Kremser alles im Interview schon besprochen haben. In meinem Bereich gibt es eigentlich keine extra Proberäume, das heißt, Proben werden bei uns im kleinen Saal gemacht, teilweise auch im Loft oder im ehemaligen Teehaus, aber besser ist es natürlich im kleinen Saal. Das schaut jetzt bei uns so aus, dass Sachen, die bei uns produziert werden, eine gewisse Vorrangssituation haben. Im Prinzip geht es so, dass die verschiedenen Gruppen sich dann mit unserem Büro Probentermine ausmachen und so weit das dann möglich ist, können sie die dann haben. Das Problem ist halt, dass der kleine Saal immer wieder zwischen durch bespielt wird mit allen möglichen Geschichten und dadurch ergibt sich keine wirkliche Probenkontinuität. Wir versuchen, das weitgehend aufrecht zu erhalten und je näher es zur Premiere kommt, desto mehr Zeit am Stück versuche ich halt irgendwie freizuhalten für sie.

Über die kulturelle Entwicklung, Situation und Zukunft von Linz. Kurzes Assoziationsspiel: Welche Begriffe fallen dir ein, wenn du an „Kulturstadt Linz“ denkst?

Wilfried Steiner: Ich meine, was sehr schnell kommen würde, wäre diese spannende Musikszene, die es gegeben hat rund um das Landgraf und diese Bands damals. Das wäre das erste, wo ich Kulturstadt Linz mitbekommen habe, also als 18- oder 19-Jähriger. Im Landgraf, die Willi-Warma-Sachen und so und im Elektro Schmid. Das war für mich die erste Situation, wo ich Linz in irgendeiner Weise mit Kultur in Verbindung gebracht habe.

Sonst noch etwas?

Wilfried Steiner: Es gibt einen wunderbaren Musikerwitz über die Linzer Szene, wo auf die Frage Beatles oder Rolling Stones – deswegen der Witz, weil ich auch lange in Salzburg war – der Linzer „The Kinks“ sagt und der Salzburger sagt: „Der späte Paul McCartney.“ Und so habe ich oft die Situation zwischen Salzburg und Linz erlebt.

Wenn du die letzten zehn Jahre, also die Jahre 2000 bis 2010, betrachtest: Was lief deiner Meinung nach besonders gut in der kulturellen Entwicklung der Stadt Linz?

Wilfried Steiner: Ich habe halt einfach den Eindruck, dass sich sowohl im Tanzbereich als auch im Theaterbereich eine sehr lebendige Freie Szene entwickelt hat, die immer stärker wird, die sich mehr und mehr ausbreitet und die auf einem Top-Level ist momentan. In die Richtung müsste noch viel passieren.

Wie war das am Anfang, als du in die Stadt kamst, um 1999 herum. Hat sich da irgendetwas in diese Richtung schon gezeigt?

Wilfried Steiner: Am Anfang habe ich eigentlich noch das Gefühl gehabt – also es geht jetzt vor allem um die freien Gruppen, mehr oder weniger – dass in Salzburg mehr los war, dass es relativ wenig gibt. Damals waren halt noch Theater Unser und die Niederträchtigen und sonst war nicht recht viel. Das hat sich mit der Zeit kontinuierlich entwickelt.

Gibt es sonst noch irgendetwas, wo du von der kulturellen Entwicklung der letzten ca. zehn Jahre sagen würdest, das ist besonders gut gelaufen in der Stadt?

Wilfried Steiner: Na ja, ich persönlich finde die ganze Entwicklung mit dem Lentos sehr gut. Ich finde auch die Arbeit von Stella Rollig sehr gut. Alles was sich rund um dieses Haus entwickelt hat, finde ich eigentlich sehr positiv.

Und mit welchen kulturellen Entwicklungen der letzten zehn Jahre bist du überhaupt nicht zufrieden?

Wilfried Steiner: Ich komme immer wieder auf dieselben Punkte. Ich glaube, es müsste einfach eine Möglichkeit geben – ich weiß nicht, ob das immer ein Haus sein muss, aber möglicherweise ist ein Haus die beste Lösung – diesen eklatanten Mangel an Proben- und Aufführungsräumen für die Szene zu lösen. Da ist einfach in den letzten zehn Jahren nichts passiert, nicht wirklich. Es gab zwischendurch das Choreographic Centre am Hafen von Esther Linley, aber das war letztlich auch ein größeres Missverständnis, weil Esther wollte das nach dem Muster der CCs in Frankreich machen und wollte diese Entwicklung beschleunigen und nicht ein Haus für die Freie Szene haben. Die Szene hat aber natürlich verstanden, jetzt haben wir ein Haus. Dort waren die Probleme und die Reibungspunkte vorhersehbar. Da finde ich einfach, da müsste irgendetwas geschehen. Ich habe auch nicht das Gelbe vom Ei, ob das jetzt ein Haus sein muss oder ob man das anders strukturiert, aber ich glaube, da ist Handlungsbedarf, nach wie vor.

Jetzt hast du lange Zeit in Salzburg gelebt, du kennst auch andere Städte. Womit kann Linz deiner Meinung nach im österreichischen Städtewettbewerb punkten, vor allem im Vergleich zu ähnlich großen Städten wie Graz, Salzburg oder Innsbruck?

Wilfried Steiner: Erstens einmal durch eine sehr große Bandbreite. Ich meine, das erste, was einem immer dazu einfällt, ist natürlich Neue Medien, Ars Electronica etc. Aber es gibt auch im Theaterbereich ein sehr großes Angebot. Eine Mittelbühne wie das Phönix von der Qualität gibt es nicht in allen Städten, dazu ein relativ offenes Landestheater. So ein Haus wie das unsere ist auch in anderen Städten eher unüblich. Plus dazu eine lebendige Freie Szene, plus ein Lentos. Da ist Linz sicher relativ weit vorne platziert. Was natürlich extrem fehlt, finde ich, und das merkt man, aber das ist jetzt vielleicht ein bisschen, weil ich aus dieser Ecke herkomme, dass es keine philosophische Fakultät gibt in Linz und dass es keine Geisteswissenschaften gibt. Das finde ich, merkt man an allen Ecken und Enden. Das hat man gemerkt, dass das in Salzburg war und da nicht.

Verbindungen gibt es natürlich immer wieder. Es gibt an der Kunstuniversität kulturwissenschaftliche Teilbereiche, an der Johannes Kepler Universität gibt es die auch, aber das kann man nicht mit Salzburg nicht vergleichen, mit Wien schon gar nicht. Es gibt auch Bestrebungen über die Universitäten hinweg, so etwas zu errichten, aber da bräuchte es wahrscheinlich mehr, oder?

Wilfried Steiner: Ja, alles was in diese Richtung geht, kann man nur unterstützen und befürworten.

Inwieweit denkst du, dass Linz international als Kulturstadt wahrgenommen wird? Und welche geografische Reichweite hat die internationale Wahrnehmung Ihrer Meinung nach?

Wilfried Steiner: Ich glaube, es kommt wirklich sehr darauf an, mit wem du da redest. Erstaunlicher Weise habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Leute sagen: „Ja, Posthof, den kennen wir.“ Fast mehr, als wenn man Linz sagt. Posthof, den kennen sie. Das hat sicherlich viel zu tun mit den internationalen Festivals, die wir machen. Die Förderung der Freien Szene ist denen in Hamburg egal, aber große Festivals wie das Black Humour Festival oder die TanzTage, das kennt man schon. Da treffe ich immer wieder Leute, die das kennen und die sagen, das ist so ähnlich wie der Mousonturm oder so ähnlich wie Kampnagel bei uns. Da habe ich schon den Eindruck, dass das viele Leute kennen. Und natürlich über bestimmte, spektakuläre Konzerte oder Bands, die da waren, kennt man das schon ein bisschen.

Zur Wahrnehmung als Kulturstadt hätte ja Linz09 beitragen sollen oder hat Linz09 beigetragen. Beschreib bitte dein Resümee von Linz09 anhand von drei Punkten.

Wilfried Steiner: Es war auf der einen Seite natürlich sehr wichtig für die Stadt und gut, dass die Aufmerksamkeit und der Fokus so stark auf Linz waren. Ich fand auch viele Projekte – gerade historische Sachen, die sich mit der Nazizeit beschäftigt haben – sehr wichtig für die Stadt. Was den darstellenden Bereich betrifft, bin ich eher skeptisch. Da hätte ich mir ganz stark erwartet, dass die Leute vor Ort stärker miteinbezogen werden und da habe ich den Eindruck, dass da mit einer sehr großen Hochnäsigkeit vorgegangen worden ist. So ein Split wie zwischen Phönix und Linz09 wäre wirklich vermeidbar gewesen, wenn man da mit einer anderen Herangehensweise vorgegangen wäre. Das muss ich auf jeden Fall sagen. Aber insgesamt muss man sagen, es ist gut, dass Linz Kulturhauptstadt war. Es hätte mit einer anderen Leitung vielleicht noch besser sein können. Das wäre durchaus möglich gewesen. Im Prinzip habe ich das Gefühl, dass die Fehler, die in Graz gemacht worden sind, obwohl alle vorher davon geredet haben, dass man das nicht noch mal machen sollte, genau wieder passiert sind oder über weite Strecken wieder passiert sind.

Wie schätzt du den Stellenwert von Hochkultur – Subkultur – Volkskultur in Linz ein?

Wilfried Steiner: Zur Volkskultur kann ich ganz wenig sagen, da kenne ich mich nicht aus. Tendenziell ist sicher in Linz trotz eines Brucknerfests der Stellenwert der Hochkultur nicht so massiv wie es zum Beispiel in Salzburg oder in Wien ist. Das ist schon klar. Linz hat auch ein bisschen diese plebejische Aura, die mir sympathisch ist. Es ist nicht so ein Elite-Ding, das über dieser Stadt schwebt und das dann möglicherweise die Leute noch anzieht, die das Geld haben dazu. Diese starken Brüche sehe ich in Linz eigentlich nicht. Es sind einfach sehr viele Sachen, die Linz hat, die der Alternativkultur oder der Popkultur zuzurechnen sind. Gerade da gibt es viele Einrichtungen, die anderswo fehlen, eben KAPU, Stadtwerkstatt etc. Aber wo die Schnittmenge zur Volkskultur ist, kann ich wenig sagen, weil das für mich nicht wahrnehmbar ist.

Würdest du sagen, vom subjektiven Interesse her, wo man sich bewegt oder würdest du sagen, dass sie sowieso nicht präsent ist?

Wilfried Steiner: Mir ist das egal, muss ich ehrlich sagen. Mir fällt es immer wieder auf, wenn im ORF dann wieder so wunderbare Beiträge kommen in Oberösterreich Heute, dann sieht man plötzlich wieder irgendwelche traditionellen Veranstaltungen, aber sonst registriere ich das eigentlich nicht. Also maße ich mir kein Urteil an darüber.

Wenn du einzelne künstlerische Disziplinen wie Malerei und Grafik, Tanz, Theater, Musik, Literatur, Film, Fotografie usw. betrachtest: Wo würdest du meinen, wäre in der Stadt noch Entwicklungspotenzial vorhanden? Gibt es Disziplinen, die besonderes Entwicklungspotenzial haben? Freier Tanz und Theater hast du vorher schon einmal kurz angeschnitten, Theater oder Performance als Gesamtpaket?

Wilfried Steiner: Ja, genau, die ganze performative Abteilung hat ein relativ hohes Niveau in Linz und da ist viel drinnen, glaube ich. Da muss man halt diese berühmten Strukturen schaffen, damit sich die Leute entwickeln können. Das können wir nur sehr bedingt leisten, aufgrund der Struktur dieses Hauses.

Welche Disziplinen würdest du sonst noch sagen, dass besonderes Entwicklungspotenzial haben?

Wilfried Steiner: Das ist schwer zu sagen. Diese Comicszene zum Beispiel, aber das hat jetzt natürlich mit dem Festival nextComic zu tun. Das erscheint mir total lebendig und interessant. Wie viel da jetzt aus der Stadt selber kommt, weiß ich nicht, aber immerhin, dass das in der Stadt passiert, finde ich extrem positiv. Die mischen das richtig auf, da ist ein Veranstaltungskonzept, das wirklich funktioniert. Und alles was Medienkunst ist, natürlich durch das Vorhandensein des Ars Electronica Center, ist bei uns auch sehr stark vertreten, keine Frage.

Aber ist dort noch Entwicklungspotenzial vorhanden bei der Medienkunst in Linz? Oder ist es ausgereizt?

Wilfried Steiner: Nein, ich glaube schon, da gibt es sicherlich noch Entwicklungspotenziale. Es hat ja einmal Versuche gegeben, über die kann man dann auch streiten, Visualisierungskonzepte von der Ars Electronica in Verbindung zu bringen mit einer konzertanten Oper im Brucknerhaus. Da kann man sich sicher noch mehr ausdenken, was das betrifft und um diese Spartenbarrieren ein bisschen abzubauen.

Welche drei thematischen Schwerpunkte mit Kunst- und Kulturbezug werden zukünftig die größten Herausforderungen für die Stadt darstellen?

Wilfried Steiner: Was sehr wichtig wäre und was nicht nur Linz betrifft, eine viel stärkere Zusammenarbeit und gegenseitige Befruchtung der verschiedenen Kunstschaffenden, also dass es öfters eine Möglichkeit gäbe, dass man zu irgendeinem bestimmten Thema, was jetzt irgendwie nahe liegt, ich weiß nicht, Aufarbeitung der Vergangenheit von Linz im Nationalsozialismus, etwas spartenübergreifend macht und das thematisch so angeht, dass von den verschiedensten Protagonisten der Szene und auch der Häuser irgendetwas beigetragen wird. Eine Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Szenen wäre sehr wünschenswert.

Interdisziplinäre Kooperation. Was würdest du sonst noch gerne als Themen diskutiert haben?

Wilfried Steiner: Was natürlich immer interessant ist, wobei das dann wieder die Frage ist, ob das nicht zu snobistisch ist, eine verstärkte Auseinandersetzung mit kulturtheoretischen Sachen fände ich total wichtig. Das ist natürlich auch interdisziplinär möglich, weil kulturtheoretische Geschichten kann der Medienkünstler genauso rezipieren wie der Literat und da fehlt, glaube ich, viel. Vielleicht auch eine Überlegung, inwieweit Kunstschaffende und Kulturschaffende mit einer politischen Auseinandersetzung einmal etwas entwickeln könnten, also die Hinterfragung dessen, wo ist die Kunst und Kultur, die ich mache, die ich produziere, wo hat die eine zeitpolitische Relevanz? Das wäre auch noch so etwas Übergreifendes. Was weiß ich, wenn ich frage: Was ist Migration? Und ich habe kulturpolitische und politische Überlegungen, die aus den verschiedensten Ecken kommen und die dann natürlich von der Art und Weise der Präsentation formal ganz unterschiedlich aussehen.

Zu den einzelnen Themenbereichen. Zuerst zu Arbeitsbedingungen, Arbeitsverhältnissen, Sozialer Lage. Wenn du dein näheres kulturelles bzw. künstlerisches Umfeld betrachtest: Welche Arbeitsverhältnisse (Vollzeit, Teilzeit, Freie Dienstverträge, …) dominieren hier?

Wilfried Steiner: Das ist natürlich extrem unterschiedlich. Die Bandbreite reicht da von sehr gut verdienenden, im Kulturmanagement arbeitenden Menschen bis hin zu Leuten, die versuchen, als Freischaffende von der Kunst zu leben. Mein Freundeskreis geht eher in die prekäre Richtung. Ich kenne einfach viele Leute, die wirklich eine große Qualität haben, die aber immer wieder zu kämpfen haben, dass sie einigermaßen über die Runden kommen. Das betrifft auch sehr viele, die nicht nebenbei irgendetwas arbeiten.

Wie würdest du die Arbeitsbedingungen beschreiben, unter denen du arbeitest?

Wilfried Steiner: Deutlich unterbezahlt, für das was ich alles machen muss. Natürlich ist es eine Situation, wo ich einfach versuche, diese Balance zu finden zwischen dem Haus ein guter Leiter zu sein und trotzdem meine Freiräume zu haben, um nicht ganz die Literatur aufgeben zu müssen.

Inwieweit sind diese Arbeitsbedingungen typisch für den Kunst- und Kulturbereich in Linz?

Wilfried Steiner: Das weiß ich nicht. Das kann ich schwer sagen. Das müsste man sich wirklich ansehen, ob jetzt zum Beispiel, was weiß ich, die Literaturförderung, der Topf, der zum Beispiel an die Literatur geht, vergleichbar wäre pro Kopf mit Salzburg oder mit Wien. Da müsste man konkretere Zahlen haben, um das genauer zu sagen, das weiß ich nicht.

Welche Maßnahmen könnte die Stadt Linz setzen, um die Arbeitsbedingungen und die soziale Lage für Kunst- und Kulturschaffende zu verbessern?

Wilfried Steiner: Einfach eine deutliche Verbesserung der Zuwendungen für Künstler, also für Leute, die sagen, ich habe ein künstlerisches Projekt und das möchte ich gerne machen. Dass es da einfach mehr Möglichkeiten gibt, dass das höher bewertet wird. Dass man nicht das Gefühl hat, man reicht für ein Projekt ein, das interessant und aufwändig ist und dann bekommt man von der Stadt 1.000 oder 1.500 Euro dafür. Da müssten sie ein paar Bewertungskriterien ändern, dass es stärker in die Richtung geht, dass man den Kunstschaffenden ein bisschen mehr Stellenwert beimisst als der Repräsentationskultur oder so. Das ist eh das alte Thema, das aber meiner Meinung nach immer noch aktuell ist.

Das betrifft auch städtische Veranstaltungen, zum Beispiel die Bezahlung bei der Einbindung in Festivalformate, wenn man sich die Verträge ansieht, vor allem mit lokalen Kunst- und Kulturschaffenden bis hin zum Kabelträger. Wie beurteilst du das? Ist das überhaupt machbar für die öffentlichen Kunst- und Kultureinrichtungen, dass die dann adäquat bezahlt werden?

Wilfried Steiner: Nein, das werden sie sicher nicht. Das werden sie sicher aus dem Grund nicht, weil eben diese Aufteilung zwischen Stadt, Land und Bund nicht genug funktioniert, finde ich. Also Stadt, Land, Bund und das jeweilige Haus. Da müsste einfach mehr möglich sein, denke ich mir. Das finde ich nicht genügend dotiert. Aber aus der Hüfte heraus ist es immer schwierig, man müsste sich konkrete Sachen ansehen. Ich bekomme es halt einfach bei den Tanz- und Theater- und Literaturleuten mit.

Wie wird im Haus mit so etwas umgegangen? Es gibt eine lokale Produktion, Honorare werden verhandelt, es gibt keinen Kollektivvertrag in dem Bereich, sie werden frei verhandelt, mehr oder weniger. Gibt es so etwas wie Standards oder Mindestgrenzen oder ähnliches, wo man sagt, das muss eingehalten werden?

Wilfried Steiner: In der Auseinandersetzung mit den Künstlern, die bei uns etwas machen, versuche ich das schon relativ einheitlich zu machen und zu lösen, nachdem wir ein relativ geringes operatives Budget haben. Es ist halt so, dass die Leute bei uns wirklich die gesamte Technik, das gesamte Personal, die ganze Maschine, die dahinter steckt, umsonst zur Verfügung gestellt bekommen. Wir drucken Plakate und machen alles an Werbung, da müssen die gar nichts übernehmen. Das betrifft dann meistens zwischen zwei und fünf bis sieben Tage bei Produktionen, wenn man die ganzen Aufbautage dazu nimmt, beim Tanz meistens drei komplette Aufbautage mit der gesamten Crew, was uns natürlich irrsinnig viel Geld kostet. Bei mir wird ja jeder Helfer, jeder Aufbauhelfer, jeder, der nicht im Haus angestellt ist, auf das Kulturbudget gerechnet. Und dann bekommen sie noch 70 Prozent der Nettoeinnahmen und beim Tanz zum Beispiel eine Garantie von 1.500 Euro. Damit komme ich auf einen Nettoabgang von 6.000 bis 7.000 Euro pro Produktion in etwa. Das ist relativ viel Geld für eine Produktion. Du hast dann das Dilemma, dass du das dann nur einmal zeigst, was einerseits damit zusammenhängt, dass in unseren Sälen immer hin- und hergeswitched werden muss. Wir haben über 240 Veranstaltungen pro Jahr, da kannst du eigentlich keine Serien spielen. Und das andere Thema ist sicher, dass auch das Publikum nicht da ist, dass ich für eine frische Produktion dann drei Mal den großen Saal fülle. Jetzt haben wir gerade diese Beni-Altmüller-Geschichte gehabt, wo man das Gefühl hatte, der hat in der Szene einen bestimmten Namen und die Werbung war sehr groß und es waren dann 60 Leute da. Wenn du das dann auf zwei oder drei Mal verteilst, dann hast du nur mehr 30 Leute oder es werden dann vielleicht zwei Mal 40 sein, aber … Also es ist immer ein sehr großer Aufwand letztlich im Verhältnis zu dem, wer dann wirklich neugierig auf das ist. Du hast parallel auch die Entwicklung, dass man das Gefühl hat, dass man von Monat zu Monat geht, dass die Leute immer mehr nur das interessiert, wo man ganz auf der sicheren Seite ist, von der Publikumsseite her. Wenn du schaust, wie wir uns bei sperrigeren, neueren, interessanteren Angeboten tun und bei den immer gleichen Namen, wo du dir denkst, dass kann jetzt nicht mehr funktionieren, das haben wir jetzt schon 14 mal gemacht und sie kommen immer wieder. Diese Schere ist einfach auseinander gegangen. Es gibt halt diese Neigung. In politisch unstabilen Situationen ist diese Neigung, glaube ich, noch stärker, dass man das Geld dort ausgibt, wo man sich sicher ist, das wird ein guter Abend – und im Notfall für einen, den man schon einmal gesehen hat, bevor man sich jetzt auf etwas Neues einlässt und sich dann ärgern muss.

Nächster Themenbereich. Junge Potenziale und Nachwuchsförderung. Inwieweit denkst du, dass Linz für junge Kunst- und Kulturschaffende ausreichende Möglichkeiten zur Betätigung bietet?

Wilfried Steiner: Das ist sicher ausbaufähig, denke ich. Für die Literatur zum Beispiel finde ich die Sprichcode-Veranstaltungen irrsinnig gut. Oder für die vielen Filmmenschen das YOUKI. In die Richtung kann man durchaus noch mehr machen, da die Leute abzuholen und zu fördern und diesen Virus der künstlerischen Tätigkeit einzupflanzen. Da wäre sicherlich noch mehr drinnen und mehr Notwendigkeit.

Welche Maßnahmen sollte die Stadt treffen, um die Abwanderung von jungem Potenzial in diesem Bereich zu verhindern?

Wilfried Steiner: Na ja, da gibt es nichts wahrscheinlich, weil es hat einfach mit der Größe der Stadt zu tun und mit der Größe der Szene.

Tatsächlich?

Wilfried Steiner: Ja, das glaube ich auf jeden Fall. Es gehen Leute ja nicht weg und dann nach Innsbruck oder nach Regensburg, sondern die Leute gehen nach Wien, nach Hamburg und nach Berlin, weil sie einfach glauben, dort ist die Situation lebendiger und dort hat man mehr Austausch. Und das ist auch so, also wenn ich wieder einmal eine Woche in Wien bin, merke ich einfach den Unterschied eklatant. Das ist eine atmosphärische Geschichte, das ist eine Geschichte der Möglichkeiten, des Austausches mit Leuten, das ist einfach automatisch an die Größe gebunden.

Die Gegenbewegung wäre, Talente, Kreative, junge Talente, junge Kunst- und Kulturschaffende anzuziehen. Kann man da irgendetwas machen?

Wilfried Steiner: Letztlich ist es eine Geschichte, die natürlich damit zusammenhängt, wie viele Mittel ich dafür zur Verfügung stelle. Es wird sich immer ums Geld drehen.

Und für was stelle ich dann Geld zur Verfügung?

Wilfried Steiner: Das gilt für die verschiedenen Sparten unterschiedlich, aber halt viel für die Entwicklung von künstlerischen Projekten, von einem Roman bis hin zu einem audiovisuellen Ding, also Unterstützungen für die Leute, die künstlerisch tätig sind, für Einzelpersonen oder kleine Gruppierungen.

Gerade auf junge Kunst- und Kulturschaffende bezogen, würde dir irgendeine Empfehlung für die Stadt einfallen, wo zu investieren wäre, um junge Talente nach Linz zu bringen, verstärkt anzuziehen?

Wilfried Steiner: Das ist schwierig, wo man da konkret investiert. Das erste, was mir einfällt, das naheliegende, über Förderungstöpfe einfach. Ich meine, es gibt diese Austauschgeschichte, LinzEXPOrt, LinzIMpORT, die ich eigentlich recht gut finde, für ungewöhnliche Projekte, die über die Stadt läuft. Also in diese Richtung durchaus mehr. Die geniale Idee dazu, die geniale Lösung habe ich jetzt auch nicht.

Was würdest du dir in diesem Zusammenhang eigentlich von den Bildungseinrichtungen, insbesondere den Universitäten, wünschen?

Wilfried Steiner: Ich würde natürlich sehr befürworten, wenn es eine geisteswissenschaftliche Fakultät gäbe in Linz und in der Richtung einfach mehr versucht wird, auch Studienlehrgänge und Studienfächer anzubieten, die wenn sie in der geisterwissenschaftlichen Ecke angesiedelt sind, deutlich kunst- und kulturaffin sind. Das wäre eine ganz konkrete Maßnahme. Und da braucht es natürlich auch die Qualität dann. Ich kann mich erinnern, dass damals, als ich von Linz weggegangen bin nach Salzburg – wäre die Stadt ausschlaggebend gewesen, wäre ich natürlich nach Wien gegangen – aber die Germanistik in Salzburg hat einen fortschrittlichen, linken, innovativen Ruf gehabt und da geht man dann hin. Da geht man sogar in die viel schlechtere Stadt, damit man die bessere Ausbildung haben kann.

Letzter Themenbereich. Schule, Bildung und Wissenschaft. Welche Maßnahmen könnten gesetzt werden, um das Interesse von Linzer Schülerinnen und Schülern am bestehenden Kunst- und Kulturangebot zu verstärken?

Wilfried Steiner: Na ja, das sind auch wieder sehr grundsätzliche Geschichten, weil da geht es letztlich um Lehrplanerstellung und Gewichtung im Lehrplan. Das geht bis in den Universitätsbereich hinein, was mit dem Schlagwort Bologna umfasst wird, ist aber sicher im Schulbereich ähnlich, also dass die Tendenz immer mehr dahingeht, dass man ökonomisch relevante Fähigkeiten fördert und das andere ist das Nebenbei, das ist so ein bisschen in die Luft schauen und ein bisschen Fantasie haben und ein bisschen Musizieren und ein bisschen Zeichnen. Das müsste einen fundamental anderen Stellenwert bekommen, aber da geht es um ein Überbauphänomen, wo man schwer eingreifen kann. Da müsste an den entscheidenden Stellen die Wertschätzung anders sein, für künstlerische Fächer, weg von einer reinen, praktischen, ökonomischen Prioritätensetzung, die dann auf solche Sachen nur insofern Rücksicht nimmt, als die Wirtschaftsmenschen auch ein bisschen kreativ sein sollen, dass sie das auch ein bisschen haben, aber nicht als Entwicklung eines Potenzials, einer Persönlichkeit.

Wie sieht es aus in einem Bereich, wo die Stadt mehr Möglichkeiten hat, im außerschulischen Bildungsbereich für Kinder und Jugendliche, zum Beispiel Jugendzentren oder Musikschulen? Was könnte da die Stadt tun, um das Interesse an Kunst und Kultur stärker zu fördern?

Wilfried Steiner: Es gibt in Linz im Theaterbereich zum Beispiel relativ viele Geschichten, die interessant sind für Kinder und Jugendliche. Das ist zwar nicht Stadt, aber eine Abteilung wie der u\hof: am Landestheater entwickelt sich wirklich wunderbar und da sind sehr gute Leute dort. Auch das Theater des Kindes ist so etwas. Aber das könnte man auch auf andere Sparten noch ausbauen, dass man in verschiedenen Institutionen einen Schwerpunkt auf Ausbildungsgeschichten setzt. Wie das genau aussieht, weiß ich auch nicht. Ich meine, es wird eh zum Teil gemacht, dass Sachen angeboten werden, die ganz dezidiert für Jüngere interessant sind, aber es müsste halt irgendeine Möglichkeit geben, die eher in Richtung wie das YOUKI oder Sprichcode geht, das auch in anderen Sparten anzubieten. Wenn das dann einmal einen Namen bekommt, die Veranstaltung oder der Preis oder diese Fördermaßnahme oder was auch immer und wenn das dann überregional bekannt wird und sich immer mehr Leute daran beteiligen, dann ist das sicherlich etwas Spannendes. Das wäre gut, wenn das dann eine demgemäß entsprechende Öffentlichkeit bekommt, das macht es dann attraktiver. So Sachen wie das YOUKI oder Sprichcode, das kennt man mittlerweile und das blüht und gedeiht.

Letzte Frage. Welche Maßnahmen im Erwachsenenbildungsbereich, also Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund, bfi, WIFI, Volkshochschulen, Bildungshäuser und -zentren usw. könnten deiner Meinung nach gesetzt werden, um das Interesse an Kunst und Kultur in Linz weiter zu fördern?

Wilfried Steiner: Dazu kenne ich die Programme zu wenig. Da müsste man das aktuelle Volkshochschulprogramm vor sich liegen haben und dann darüber reden, weil sonst kann ich nur ins Blaue hinein etwas sagen.

Kann es sein, dass da bei den Verbindungen zwischen den Erwachsenenbildungseinrichtungen und den Kultureinrichtungen etwas verloren gegangen ist?

Wilfried Steiner: Das kann gut sein. Aber das ist natürlich eine Holschuld von uns, weil eigentlich sollten wir uns auseinandersetzen mit dem Programm, das in der Volkshochschule angeboten wird…

Ich glaube, man muss die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, die diesen Austausch verstärkt ermöglichen. OK, wir sind am Ende angelangt. Ist dir irgendetwas noch abgegangen, möchtest du noch irgendetwas mitteilen?

Wilfried Steiner: Nein, eigentlich nicht.

Danke.

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